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Burnout – die rechtliche Seite & Verantwortlichkeiten

18Nov2013
5 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Seit 1jan2013 sind Unternehmen ab 50 Mitarbeitern in Österreich lt. Arbeitnehmerschutzgesetz verpflichtet, psychische Fehlbelastungen auszuwerten. Was heißt das konkret für Unternehmen und welchen Fürsorgepflichten bzgl. Burn-out (und andere psychische Erkrankungen) muss sich ein Unternehmen stellen? Und: ist die Prävention psychischer Erkrankungen hauptsächlich Sache des Arbeitgebers? In wie fern kann / soll auch der Arbeitnehmer selbst Verantwortung dafür tragen?

Experten-Interview: psychische Erkrankungen

Welche Verantwortung trägt der Arbeitgeber im Sinne seiner Fürsorgepflicht hinsichtlich Burn-out?

Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc (ibos – Institut für Burnout und Stressmanagement): Das Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) sieht ab 1jan2013 eine verpflichtende Auswertung der psychischen Fehlbelastungen in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern vor. Viele Unternehmen haben bereits bislang psychische Faktoren in ihre Arbeitsumfeldbewertung miteinbezogen, denn nur wenn man Belastungen eruiert, können Maßnahmen gesetzt werden.
Das National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) in den USA definiert „gesunde Organisationen“ als eine Organisation „deren Kultur, Klima und Prozesse Bedingungen schaffen, die die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter ebenso fördern wie ihre Effizienz“ (Lowe 2003). Arbeitgeber sind durch die Rahmenrichtlinie 89/391/EWG über Gesundheit und Sicherheit in der EU zu einem arbeitsbedingten Stressmanagement verpflichtet.
Außerdem besteht Fürsorgepflicht für Mitarbeiter. Unternehmen sind ja soziale Systeme. Wenn es also in einer Organisation auffallend viele Menschen aus der Bahn wirft, hakt es vermutlich auch an den Strukturen und nicht nur am Unvermögen der einzelnen Betroffenen. Das Reinszenieren von stressverursachenden Faktoren und das Fehlen von regenerativen Phasen führt zu einem organisationalen Burnout. Umso wichtiger ist es, dass sich Unternehmen Gedanken darüber machen, inwieweit sie Bedingungen schaffen, die Mitarbeiter ans Limit treiben. Der strategische Umgang mit Burnout ist Chefsache. Ich habe schon sehr gute Erfahrungen mit Firmen gemacht, die ihre Know-how Träger – und meistens sind die Betroffenen ja sehr engagierte Mitarbeiter -unterstützen und wieder in den Arbeitsalltag reintegrieren wollen. ibos bietet dann auch s.g. Unterstützungspakete für Firmen für ins Burnout geratene Mitarbeiter an, s.g. Akutpakete, wo ein Kostenzuschuss der Firmen für die Behandlung ein Beitrag auf Unternehmensebene sein kann und damit auch eine Erleichterung für den Beginn einer Begleitung darstellt. Nach Beendigung des Kostenzuschusses durch die Firma, kann der Betroffene die weiteren Verlaufskosten in Folge mit der jeweiligen Krankenkassa rückverrechnen, was den Vorteil hat, dass man die Begleitung bei den bereits gewohnten und bewährten Behandelnden fortsetzen kann.

Mag. Manuela Palotay (Persönlichkeitsmanagement+): Die regelmäßige Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist seit der der Novelle des ASchG 2013 Pflicht. Jedoch hat der Arbeitgeber auch dafür Sorge zu tragen, dass die von den Arbeitspsychologen individuell erarbeiteten Empfehlungen zur Erhaltung bzw. Schaffung gesunder Strukturen im Unternehmen auch tatsächlich umgesetzt werden. Die bloße Evaluierung bringt nichts, wenn daraus im Bedarfsfall keine Maßnahmen abgeleitet werden. Die Arbeitsinspektorate fokussieren vermehrt auf genau diesen Aspekt der konkreten Umsetzung.
Weiters muss bei Bekanntwerden eines Burn-Out Falles in der Firma verantwortungsvoll agiert werden. Ein halbherziges „Nehmen Sie sich doch einmal Urlaub“ wird dabei nicht ausreichen. Neben einem wohl durchdachten Unterstützungsangebot für den Mitarbeiter muss von den Präventivfachkräften analysiert werden ob der Arbeitsplatz selbst mit seinen psychischen Belastungen die Krankheit fördert. Oftmals wird auch der Betriebsrat eingebunden bzw. bereits im Vorfeld eine Betriebsvereinbarung hinsichtlich des Umgangs mit Burn-Out innerhalb der Firma erarbeitet.

Mag. Michaela Höfer (research team): Laut ASchG sind Arbeitgeber verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Darunter fällt die Berücksichtigung der Gestaltung der Arbeitsaufgaben und Art der Tätigkeiten, der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation. Exakt diese Aspekte sind für psychische Belastungen am Arbeitsplatz verantwortlich und können maßgeblich zu einem Burnout beitragen. Daher haben Arbeitgeber definitiv hinsichtlich dieser oben angeführten Aspekte die Verantwortung zu tragen. Jedoch entsteht ein Burnout/erhöhte psychische Beanspruchung immer aus einer Wechselwirkung von Faktoren aus den beruflichen und privaten Lebensbereichen. Wichtige persönliche Ressourcen wie ein stabiles privates Umfeld, ein erfüllendes Freizeitleben und die Möglichkeit daraus ausreichend Energie zu tanken kann der Arbeitgeber nur bedingt beeinflussen. Er kann jedoch ein Arbeitsumfeld und Arbeitsbedingungen schaffen, die diese Aspekte fördern.

In wie fern kann der Mitarbeiter selbst in die Verantwortung gezogen werden, präventiv gegen Burn-out / andere psychische Erkrankungen anzugehen?

Katharina Straesser (burnout akademie Straesser): Es ist wichtig zu verstehen, dass uns niemand zwingen kann, unser Leben so zu leben, dass es zu Burnout führt. Die Eigenverantwortung des Mitarbeiters für sein Wohlergehen steht also grundsätzlich im Vordergrund. Diese Verantwortung kann auf niemanden delegiert werden: nicht an den Vorgesetzten und auch nicht an das Unternehmen als Ganzes. Bei Problemen am Arbeitsplatz sollten Vorgesetzte, Mitarbeiter der Personalabteilung, des betrieblichen Gesundheitsmanagements oder der Betriebsrat einbezogen werden. Wann das alles nicht zur Verbesserung der psychischen Belastungssituation beiträgt, muss der Mitarbeiter eigenverantwortlich die Konsequenzen aus einem für ihn nicht passenden Arbeitsplatz ziehen und möglicherweise die Abteilung oder gar das Unternehmen wechseln.

Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc (ibos – Institut für Burnout und Stressmanagement): Die Selbstverantwortung kann man niemanden abnehmen.
Jedoch ist es möglich bei Mitarbeiterfortbildungen verpflichtende Seminare anzubieten, v.a. in der Führungskräfteausbildung sollte man keine Wahlmöglichkeiten lassen, da gehört „Gesundes Führen“ zu einer Führungsqualität. Die Freiwilligkeit ist jedoch der beste Motor.
Im Reintegrationsmanagement bei bereits erkrankten Mitarbeitern nach der Rehabilitation sind begleitende Coachingmaßnahmen bei der Rückkehr eine Möglichkeit, Mitarbeiter in eine sanfte „Pflicht“ zu nehmen. Ich habe in der Praxis noch nicht erlebt, dass dies nicht gern angenommen worden ist und als Unterstützung des Unternehmens gesehen worden ist.  Ich habe auch oft erlebt, dass Unternehmen begleitende Therapien ihrer Mitarbeiter finanziell unterstützten, die das immer als riesen Wertschätzung erfahren haben.

Mag. Claudia Poje (Psychologische Praxis): Burn-out kann sich verstärken, wenn in der Freizeit massiver Stress vorhanden ist – möglicherweise ist das sogar der ursprüngliche Auslöser. Die Mehrfachbelastungen in unserem Leben nehmen natürlich auch noch zu. Es gibt auch eine sog. Selbstverantwortung, jedoch können wir im Leben auch nicht immer frei wählen und bei Dienstverhältnissen besteht eine gewisse Abhängigkeit vom Dienstgeber – viele Burn-out-gefährdete Personen lasten sich den extremen Stress nicht freiwillig auf.
Im Sinne einer Work-life-Balance sollte gezielt die Freizeit positiv gestaltet werden, sodass sie einen Ausgleich zur Arbeit darstellt. Aus meiner Sicht liegt eben der Schwerpunkt auf dem Wort „Ausgleich“, denn bei einem stressigen Job rate ich immer von extrem intensiven Sportaktivitäten ab – es sollten dann gezielt Sportaktivitäten gewählt werden, die eben den Ausgleich, also die Ruhe und Entspannung, schaffen.

 

Die Gesprächspartner

„Burnout – die rechtliche Seite & Verantwortlichkeiten“


Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc
Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc
Leitung origo Gesundheitszentren mit den Instituten ibos, salvia und sowhat

ibos – Institut für Burnout und Stressmanagement


Mag. Manuela Palotay Mag. Manuela Palotay
Eigentümerin

Persönlichkeitsmanagement+


Mag. Michaela HöferMag. Michaela Höfer

research team Jiménez-Schmon-Höfer OG


Mag. Claudia PojeMag. Claudia Poje

Psychologische Praxis


Katharina StraesserKatharina Straesser

burnout akademie Straesser


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