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Reorganisation

„Wir übten mit aller Macht, aber immer, wenn wir begannen, zusammengeschweißt zu werden, wurden wir umorganisiert. Ich habe später gelernt, dass wir oft versuchten, neuen Verhältnissen durch Reorganisation zu begegnen. Es ist eine phantastische Methode. Sie erzeugt die Illusion des Fortschritts, wobei sie gleichzeitig Verwirrung schafft, die Effektivität vermindert und demoralisierend wirkt.“

Besonders bei großen und komplexen Organisationen kann man dieses Phänomen der Organisitis häufig beobachten. Die dynamischen Entwicklungen die letzten Jahrzehnte haben aber dazu geführt, dass auch kleinere Unternehmen zunehmend davon betroffen sind. Es gehört heute fast schon zum guten Ton sich ständig mit Organisation und Reorganisation zu beschäftigen um damit Fortschritt zu signalisieren. Das Zitat ist heute also Großteils gültig – stammt aber aus dem Jahr 100 n.Chr. von Gaius Pathromius, einem römischen Offizier.

Wie schon in der römischen Armee sind Reorganisationsprojekte in heutigen Unternehmen oft nur von kurzer Dauer. Häufig bleiben neue Strukturen nicht einmal lange genug erhalten um sie zu testen und für praxistauglich zu befinden. Derartiges Verhalten lässt häufig auf eine Fehlorganisation schließen. Die strukturellen Veränderungen werden angestrebt ohne das eigentliche Grundproblem zu kennen oder in Angriff zu nehmen.

Der „chirurgische Eingriff“ Reorganisation

Reorganisationen stellen immer eine Art „chirurgischen Eingriff“ dar. Wie auch in der Medizin besteht selbst bei dem kleinsten Eingriff ein gewisses Risiko. Ebenso wie in der Medizin sollte derartige Eingriffe daher nicht zu häufig und vor allem nicht leichtfertig vorgenommen werden. Keine Organisation ist perfekt und nicht jeder aktuelle Trend passt zu jeder Organisation. Gute Organisationen sind jene, die die Leistung in der Praxis auch umsetzen können. Dabei wird es Reibungen, organisatorische Schwachstellen und Inkongruenz geben, die aber von der Organisation meist ohne explizites zutun bewältigt wird.

Agilität und Flexibilität oder doch nur Aktionismus?

In seinen Werken zu Veränderungsprozessen hat Kurt Lewin festgehalten, dass es verschiedene Stadien gibt, die in einem Veränderungsprozess wichtig sind. Neben dem „unfreezing“ also der Bewusstmachung der Dringlichkeit der Veränderung und der eigentlichen Veränderung („moving“) ist es anschließend wichtig eine gewisse Stabilität zu schaffen („refreezing“). Um altes nachhaltig zu verlernen benötigen Personen in der Organisation – aber auch den externen Stakeholdern – Zeit, sich auf die Neuerungen einzustellen.

Diese Phasen der Ruhe und Stabilität gönnen sich Unternehmen heute kaum mehr. Bei den geringsten Anzeichen, und sei es nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Abteilungen, wird eine Reorganisation angestrebt. Oft hört man in diesem Zusammenhang dann Worte wie „Agilität“ und „flexible Strukturen“. Permanente Reorganisation hat nichts mit flexiblen Strukturen zu tun. In diesen Konzepten ist die flexible Zusammensetzung von Teams als Organisationsform immanenter Bestandteil. Die Bildung neuer oder anderer Teams Bedarf keiner Reorganisation, sondern ergibt sich aus der täglichen Arbeit. Es gibt klare Routinen und Regeln wie diese Flexibilität gelebt wird, wann es Sinn macht und es gibt ein Grundvertrauen, dass diese Spielregeln gelebt werden.

Permanente Reorganisation ist also weniger ein Ausdruck von Agilität und Flexibilität als von Aktionismus, Ersatzhandlung und Fehlorganisation. Mit fatalen Folgen.

Gestörtes Systemvertrauen – fatale Folge der Organisitis

Permanente Reorganisation führt zu Angst und einem Verlust an Systemvertrauen. Vielfach wird es durch das mangelnde Systemvertrauen des Managements in die eigene Organisation überhaupt erst gestartet. Das Management vertraut nicht darauf, dass die Organisation, die es mit geschaffen hat, fähig ist, die angestrebten Erfolge zu erzielen. Das Signal wird nicht nur intern aufgenommen, sondern auch von extern – Kunden, Lieferanten, Investoren und anderen externen Stakeholdern.

Intern führt die Organisitis dazu, dass zunehmend die Vertrauensbeziehungen zwischen den Mitarbeitern und den Führungskräften zerstört wird. Durch ständig neue Strukturen können persönliche Vertrauensbeziehungen nicht mehr aufgebaut werden.  Vertrauen sorgt aber dafür, dass schnellere Entscheidungen getroffen werden können und Kosten reduziert werden. Misstrauen fordert mehr Kontrollen, längere Abstimmungsmeetings und führt oft dazu, dass man keine Entscheidungen will, da diese sowieso hinterfragt und angezweifelt werden. Permanente Reorganisation kostet also Zeit und Geld.

Gute Vorbereitung und begleitende Maßnahmen als Schlüssel zum Reorganisationserfolg

Es sollte keine Reorganisation ohne Not, alleine um der Reorganisation willen, angestrebt werden. Nur wenn das aktuelle Problem tatsächlich mit einer Reorganisation behoben werden kann, sollte eine solche durchgeführt werden – und zwar mit einem gründlich durchdachten Vorgehen und mit entsprechenden begleitenden Maßnahmen.

Zu aller erst muss man sich der Zusammenhänge von Strategie, Kultur und Struktur bewusst sein. Es zeigt sich in der Praxis oft, dass z.B. Flexibilität gefordert wird, ohne eine entsprechende Kultur etabliert zu haben oder interne Prozesse darauf auszurichten. Flexible Strukturen werden nicht durch eine Neuzeichnung des Organigramms geschaffen.

Eine weitere wichtige Vorbereitung gilt der Überlegung der Zielsetzung der Reorganisation. Was soll damit erreicht werden? Wenn dies klar formuliert ist, gilt es dies auch transparent im Unternehmen zu kommunizieren. Diese Klarheit und Transparenz schafft bei aller Unsicherheit auch wieder Vertrauen „dass die da oben schon wissen, was zu tun ist“.

Um das Vertrauen hochzuhalten und zu stärken sollten frühzeitig informelle Möglichkeiten geboten werden sich mit den formalen Änderungen auseinanderzusetzen. Akteure aller Hierarchiestufen, die von der Reorganisation betroffen sind, müssen sich erst kennenlernen und Vertrauen in die Zusammenarbeit bekommen. Hierzu eigenen sich jede Form von gemeinsamen Workshops, informellen Treffen von Frühstück bis Abendessen oder ähnliches.

Um mit Veränderungen gut umgehen zu können ist es auch wichtig, die Menschen beim Loslassen von bekannten und bewährten Routinen zu unterstützen. Eine wertschätzende Verabschiedung des Alten fördert das organisationale Vergessen und schafft Platz für Neues.

Fazit

Organisitis schafft Unsicherheit, sorgt für Angst, beschädigt das Systemvertrauen und führt somit zu einer Verschlechterung der Produktivität. Notwendige Reorganisationen müssen mit Bedacht durchgeführt werden. Es gilt das Zusammenspiel von Strategie, Kultur und Struktur zu beachten und eine klare Zielsetzung für die Reorganisation zu definieren. Offenheit, Transparenz und der wertschätzende Umgang mit der Vergangenheit sind wichtige Erfolgsfaktoren. Um festzustellen, ob die Reorganisation auch erfolgreich war, braucht es Zeit. Viele Veränderungen greifen nicht sofort und auch die Menschen in der Organisation benötigen Phasen der Ruhe und Stabilität um wieder die volle Leistungsfähigkeit zu erlangen.


Literaturempfehlung

Drucker, Peter F.  (2009). Management, Band 2. Campus. Frankurft. New York

Bullinger, Hans-Jörg, Spath, Dieter, Warnecke, Hans-Jürgen & Westkämper, Engelbert (Hrsg) (2009) Handbuch Unternehmensorganisation: Strategien, Planung, Umsetzung. 3. Auflage. Springer-Verlag. Berlin

Keuper, Frank & Sommerlatte, Tom (Hrsg.) (2016) Vertrauensbasierte Führung: Devise und Forschung. Springer-Gabler.

Organisitis – Reorganisation als Endlosschleife mit hohen Kosten

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