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Die Einteilung der Arbeitsplätze ist die Basis jeder Evaluierung psychischer Belastungen. Fehler können hier fatale Folgen haben für die gesamte Erhebung.

Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verlangt, dass die Erhebung der psychischen Arbeitsbedingungen getrennt erfolgt nach „Arbeitsplatz“.

Weder das Gesetz noch das Zentralarbeitsinspektorat liefert jedoch keine exakte Definition eines Arbeitsplatzes. Grob gesprochen bilden Beschäftigte mit gleichen Arbeitsbedingungen einen „Arbeitsplatz“. Nicht jeder „Sessel“ oder jeder Mensch entspricht daher einem eigenen Arbeitsplatz.

Hier beißt sich jedoch die Katze in den Schwanz. Wie soll ich Arbeitsplätze einteilen, wenn ich die Arbeitsbedingungen noch gar nicht erhoben habe? Dieser Artikel liefert Ihnen die richtigen Denkanstöße.

Das Organigramm als Ausgangsbasis.

Die Basis jeder Einteilung bildet meistens das Organigramm der Organisation. Damit ist man jedoch noch nicht fertig. Nicht jedes „Kästchen“ in einem Organigramm stellt automatisch einen Arbeitsplatz dar. Je nach Darstellungsform ist das Organigramm nur eine sehr vereinfachte, graphische Darstellung der Aufbauorganisation. In manchen Firmen hat diese nicht einmal viel mit dem Arbeitsalltag zu tun…

HRweb

Diese Darstellung sollte hinterfragt werden, da in den meisten Fällen noch zusätzliche Informationen relevant sind:

  • Sind die Zuständigkeiten der Führungskräfte klar ersichtlich?
  • Gibt es Arbeitsplätze, die nicht im Organigramm aufscheinen (Abteilungsleiter, Produktionsarbeiter, Reinigungskräfte, …)?
  • Wie viele Personen stecken hinter den abgebildeten Kästchen?
  • Gibt es Leiharbeitskräfte?
  • Gibt es eine Matrixorganisation, die gelebt wird, aber aus dem Organigramm nicht klar ersichtlich ist?

Auf die richtigen Fragen kommt es an.

Zusätzlich müssen noch die Arbeitsbedingungen bedacht werden. Weil wenn Personen unterschiedliche Arbeitsbedingungen haben, dann haben sie auch unterschiedliche Arbeitsplätze.

Um diese Arbeitsbedingungen zu entdecken, sollten Sie man folgende vier Faktoren mitberücksichtigen:

1. Arbeitsumgebung

  • Welche Standorte oder örtlich flexiblen Arbeitsplätze (Außendienst, SpringerInnen) gibt es?
  • Gibt es verschiedene Bürogebäude? Das Gebäude, in dem wir hauptsächlich arbeiten hat einen großen Einfluss auf unsere psychischen Arbeitsbedingungen. Lichteinfall, Größe der Büroeinheiten, Ausstattung der Pausenzonen sind nur einige der Aspekte, die auch bei der Evaluierung psychischer Belastungen eine Rolle spielen.

2. Arbeitsorganisation

  • Abteilungen und Hierarchieebenen sind getrennt zu evaluieren. Dies ist über das Organigramm häufig bereits berücksichtigt. Bedenken Sie die Trennung der Hierarchieebenen jedoch auch bei weniger offensichtlichen Arbeitsplätzen wie Beschäftigte auf Baustellen oder in Produktionsbereichen (Stichwort: Vorarbeiter, Meister, …).
  • Gibt es unterschiedliche Arbeitszeiten / Schichtpläne? Wenn jemand beispielsweise ausschließlich in der Nacht arbeitet ist dies eine ganz andere psychische Belastung als ein Wechseldienst aus Tag- und Nachschicht.

3. Tätigkeiten und Aufgaben

  • Gibt es innerhalb von Abteilungen unterschiedliche Aufgaben? Nur weil man der gleichen Abteilung zugeordnet ist, können dennoch sehr unterschiedliche Aufgaben im Alltag vorhanden sein. So kann es sein, dass in der Vertriebsabteilung einige Personen im Außendienst mit Kunden verhandeln, während andere Beschäftigte im Verkaufsinnendienst die Dokumentation und Nachbearbeitung erledigen.
  • Gibt es Assistenz- oder Sekretariatskräfte in den Bereichen? Sollen diese in einer „Sammelgruppe“ evaluiert werden oder in den jeweiligen Bereichen mitberücksichtigt werden?
  • Wo gibt es Lehrlinge? Sind diese immer in einer Abteilung oder rotieren sie durch? Überlegen Sie daher, ob Sie die Lehrlinge bei der jeweiligen Abteilung mitevaluieren oder in einer getrennten Gruppe als eigenen Arbeitsplatz betrachten.

4. Sozial- und Organisationsklima

  • Wer ist die direkte Führungskraft? Wenn beispielsweise Beschäftigte in einer Abteilung unterschiedlichen Teamleitungen zugeordnet sind, sollten diese separat betrachtet werden.

Am Ende haben Sie eine Liste von Arbeitsplätzen, die in der Organisation vorkommen und die Information, wie viele Beschäftigte dort jeweils arbeiten.

Wichtig: Die Auswahl des passenden Messverfahrens erfolgt erst nach einer Einteilung der Tätigkeitsgruppen! Legen Sie sich selbst nicht von Beginn an auf ein Messverfahren fest, weil Sie es gerne „ausprobieren“ wollen oder weil „wir sowas schon oft gemacht haben“.

Und welches Erhebungsinstrument verwende ich nun?

Wenn Sie eine Liste mit allen unterschiedlichen Arbeitsplätzen erstellt haben, können Sie sich der Auswahl der passenden Messverfahren widmen. Stellen Sie sich bei der Auswahl des Messverfahrens einige Fragen:

  • Anzahl der Beschäftigten: Wie viele Mitarbeiter sind an diesem Arbeitsplatz beschäftigt? Das schränkt die Auswahl der Messverfahren oft am meisten ein. Bei weniger als 4 Mitarbeitern ist eigentlich nur ein Beobachtungsinterview durchführbar. Nur bei mehr als 7-10 Mitarbeiter in der Tätigkeitsgruppe ist eine schriftliche Befragung überhaupt denkbar.
  • Arbeitsorganisation: Ist es möglich mindestens 4 Personen für 4 Stunden in einen Besprechungsraum zu bringen? Das ist die Grundvoraussetzung für eine strukturierte und moderierte Gruppendiskussion. Oft ist das schwierig bei Schichtarbeiter, Personen mit Kundenverkehr und Öffnungszeiten, Außendienstmitarbeiter oder standortübergreifenden Tätigkeitsgruppen.
  • Sprache: Können die Mitarbeiter zumindest halbwegs Deutsch oder in Ihrer Muttersprache lesen und schreiben? Natürlich ist die Lese-Rechtschreib-Fähigkeit für schriftliche Befragungen eine Voraussetzung. Einige Anbieter haben auch fremdsprachige Fragebogenversionen im Angebot. Aber auch bei Gruppendiskussionen wie dem Verfahren „ABS-Gruppe“ ist zu Beginn eine schriftliche Checkliste auszufüllen und anschließend sind Gedanken auf Klebezetteln niederzuschreiben. Das kann Personen mit schlechten Deutschkenntnissen stark von einer Teilnahme oder aktiven Beteiligung abhalten.
  • Ressourcen: Kostet das ausgewählte Verfahren Geld für Lizenzen? Müssen Mitarbeiter hierfür viel Zeit investieren für die Teilnahme an Workshops oder für die Auswertung von schriftlichen Befragungen? Müssen externe Moderatoren finanziert werden oder gibt es intern kompetente Personen?
  • Gewünschte Präzision: Wie präzise soll die Messung sein? Sind nach einer Befragung bereits fix Maßnahmenworkshops eingeplant, so kann die Befragung oberflächlicher erfolgen. Wenn kein Budget dafür vorhanden ist, muss die schriftliche Befragung umso genauer erfolgen und ev. sogar für die Mitarbeiter die Möglichkeit beinhalten Maßnahmenvorschläge einzureichen.
  • Affinität: Ist das Unternehmen sehr zahlenaffin oder „fragebogenmüde“?
  • Erfahrungen: Hat das Unternehmen bereits Erfahrung mit bestimmten Methoden? Werden häufig schriftliche Befragungen durchgeführt? Wenn ja, wann ist die nächste geplant? Gab es in der Vergangenheit gute Rücklaufquoten? Haben die Mitarbeiter Lust auf und Zeit für die Teilnahme an Workshops?
  • Sozialklima: Sind schon vorab tiefe Sozialkonflikte bekannt? Dann sind Gruppenworkshops keine gute Idee für eine ehrliche Besprechung der psychischen Belastungen.

Wichtig: Sie müssen nicht ein Messverfahren finden, welches für alle Arbeitsplätze passend ist. In einer Organisation können durchaus unterschiedliche Messverfahren zur Anwendung kommen.

Fehler mit Konsequenzen

Nehmen Sie diesen Planungsschritt besonders ernst. Mit einer unpassenden Einteilung der Arbeitsplätze können viele Fehler passieren, die im Nachhinein nicht mehr auszubessern sind.

Beispiel:

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Die Erhebung erfolgt mit einer schriftlichen, anonymen Befragung. Alle 12 Beschäftigen werden gemeinsam ausgewertet. 6 Personen geben an, dass sie keine Unterstützung von der Führungskraft erhält.

Aber welche Führungskraft ist nun angesprochen? Alle 3 Führungskräfte gehen davon aus, dass jeweils jemand anders gemeint war. Niemand ist bereit sein eigenes Führungsverhalten zu hinterfragen. Eine eindeutige  Zuordnung zu einer Führungskraft ist nicht möglich mit dieser Vorgehensweise.

Alternative: Trennung der Beschäftigten in 2 Tätigkeitsgruppen (je nach Teamzugehörigkeit). Dann Erhebung mittels 2 strukturierter Gruppendiskussionen.

 

Viel Erfolg bei Ihrer anstehenden Evaluierung psychischer Belastungen!

Evaluierung psychischer Belastungen | Eine Frage der Einteilung

Mag. Veronika Jakl | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. Veronika Jakl ist Arbeits- und Personalpsychologin. Sie begleitet mit Ihrem Team Organisationen bei Veränderungen und führt Evaluierungen psychischer Belastungen durch. Führungskräfte und HR-Mitarbeiter trainiert sie in Kommunikation und Führungsfragen. Sie ist Vorstandsvorsitzende des Fachforums für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie.

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