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6. Urlaubswoche – Boost für die Arbeitgeberattraktivität oder frommer Wunsch?

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Freizeit ist die neue Währung. Zumindest scheint es so, wenn man junge Leute zu ihren Vorstellungen von Arbeit befragt. Auf der Suche nach neuen Wegen, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, sind zuletzt auch Konzepte für mehr Freizeit und eine 6. Urlaubswoche immer häufiger Thema. Und tatsächlich gibt es einige wenige Betriebe, die 6 Wochen Urlaub bereits eingeführt haben. Eines davon ist HORNBACH Österreich. Wir haben mit Personalleiterin Christa Höchstätter über Erfahrungen und Erfolge der 6. Urlaubswoche gesprochen.

6. Urlaubswoche – Anziehungspunkt und Gegengeschäft

Die 6. Urlaubswoche ist in Österreich in den meisten Betrieben erst nach dem 25. Dienstjahr, in einigen Kollektivverträgen auch schon etwas früher, erreichbar. Bislang waren Wünsche nach mehr Freizeit eher von untergeordneter Bedeutung, hatte man sich bei den jährlichen Verhandlungsrunden eher auf monetäre Aspekte konzentriert. Seit wenigen Jahren, und ganz besonders heuer, ist das deutlich anders. Nicht zuletzt die Einführung des 12-Stunden-Tages im September 2018 hat in den Kollektivvertragsrunden zu einer regen Diskussion über mehr Urlaub geführt. Sozusagen als Gegengeschäft für längere Tages- und Wochenhöchstarbeitszeiten. Wie sehr diese Forderung gehört wird, ist zum heutigen Tage noch nicht überall absehbar.

Gleichzeitig zeigen Jugendstudien immer deutlicher eines: Junge Menschen legen Wert auf mehr Freizeit. Oder drastischer formuliert: Freizeit ist das neue Gold der Arbeitswelt. Waren vorangegangene Generationen noch stärker aufs „Karriere machen“ konzentriert, sehen junge Menschen Überstunden und Abendtermine eher skeptisch. Klar, sie sind in einer wirtschaftlichen Krisenzeit sozialisiert und sehen den Konnex zwischen mehr Leistung und Jobsicherheit nicht mehr gegeben. Dazu kommt der Wunsch und auch die Möglichkeit, seine Freizeit aktiv und vielseitig zu nutzen. Und dies zuletzt auch zu zeigen. In Sozialen Netzwerken etwa. Verkürzt könnte man sagen: Unternehmen, die Wege zu mehr Freizeit beschreiten, sind attraktiver.

Die 6. Urlaubswoche bei HORNBACH- erste Erfahrungen und Reaktionen

Ein Unternehmen hat dies bereits klar umgesetzt. Hornbach Österreich hat seit Juli 2018 eine 6. Urlaubswoche für alle Beschäftigten eingeführt. Personalleiterin Christa Höchstätter erklärt die Motive dazu so: „Wir wünschen uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für das Projekt unserer Kundinnen und Kunden brennen. Um dies wertzuschätzen, haben  wir die 6. Urlaubswoche für alle mit mindestens einjähriger Betriebszugehörigkeit eingeführt. Wir setzen auf zufriedene und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und möchten mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys ermöglichen. “

Gerade die Handelsbranche kämpft stark um Arbeitskräfte. Lange Öffnungszeiten, aber auch die gehaltliche Struktur, belasten das Image der Branche. Neben der 6. Urlaubswoche hat HORNBACH noch mit einer weiteren Kampfansage an die Mitbewerber aufhorchen lassen. Neue Beschäftigte steigen mit mehr als 200 Euro über dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt ein. Auch dies wird von jungen Leuten geschätzt, die gerade die vielseitige Freizeit auch finanzieren müssen. Der Erfolg hat sich bereits eingestellt. „Die Besuchszahlen auf unserer Karriereseite haben sich verdreifacht, auf den Jobportalen XING und Linkedin sogar vervierfacht. Die Bewerbungen auf eine offene Stelle sind um 40% gestiegen und bei unserem monatlich stattfindenden Welcome Day erwähnen unsere neuen Mitarbeiter/innen die 6. Urlaubswoche immer wieder mit Begeisterung.“ berichtet Höchstätter. Effekte auf die Zugehörigkeitsdauer waren aufgrund der kurzen Zeit seit der Einführung noch nicht zu erheben.

Und auch Führungskräfte scheinen die neue Regelung mitzutragen. „Die Entscheidung über die 6. Urlaubswoche haben wir zusammen mit der Geschäftsführung Österreich getroffen. Sie wird als Zeichen der Wertschätzung gesehen und es haben sich wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabhängig von der Hierarchieebene darüber gefreut.“, so die Personalleiterin.

6 Wochen Urlaub – frommer Wunsch oder betriebswirtschaftlich sinnvoll?

Nur ganz wenige Personalverantwortliche gehen das Thema ähnlich aktiv an. Vor allem Befürchtungen nach erhöhten Kosten und schlechterer Planbarkeit lassen hier zurückschrecken. Eine Befürchtung, die sich bei HORNBACH als unbegründet herausgestellt hat, wie Christa Höchstätter erläutert: „Der Zusammenhalt unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ausschlaggebend, dass wir als Unternehmen eine 6. Urlaubswoche einführen konnten. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung ist uns besonders wichtig, darum konnten wir diese Maßnahme auch ohne weitere Begleiterscheinungen sehr gut umsetzen.“

Tatsächlich kommt eine zusätzliche Woche Urlaub etwa einer gehaltlichen Erhöhung von rund 2% gleich, bewegt sich also im Rahmen üblicher jährlicher Erhöhungen, auch wenn diese natürlich dadurch nicht ausgesetzt werden. Dem gegenüber stehen jedoch deutlich erhöhte Bewerbungszahlen, Imagegewinn, aber auch produktive und erholte Beschäftigte, wenngleich sich dieser Effekt erst in einiger Zeit verlässlich messen lässt.

Berechnet man auf Basis eines Gehaltes von 2.000 Euro monatlich den Wert der 5 zusätzlichen Urlaubstage (bei einem Urlaubsteiler von 22), so kommt man auf 530 Euro. Das entspricht dem Wert, der bei Austritt für 5 nicht verbrauchte Urlaubstage zu zahlen wäre (zzgl. Lohnnebenkosten). Nimmt man an, dass Prämien in vielen Betrieben 530 Euro deutlich übersteigen, relativiert sich das Kostenargument ein wenig. Dass in Summe möglicherweise mehr Personal (oder schlankere Prozesse) nötig sind, hat sich zwar bei HORNBACH bislang nicht gezeigt, wird aber auch mit Blick auf vermehrte Wünsche nach 4-Tage-Wochen und 30-Stunden-Wochen in jedem Fall Thema in vielen Betrieben werden.

Dazu kommt, dass – vor allem Handel – die 6 Wochen Urlaub nur schwer erreichbar sind. Denn bei Wechseln werden gemäß Urlaubsgesetz nur maximal 12 Jahre (bei Vorliegen von Vordienstzeiten, höherem Schulabschluss und Studium, sonst sogar weniger) angerechnet. Auch dies ist ein Umstand, der bei jungen Menschen, die damit rechnen, nicht ewig bei einem Arbeitgeber zu bleiben, der geltenden Regelung jeglichen Charme nehmen und für eine freiwillige Besserstellung spricht. Gerade Eltern schulpflichtiger Kinder dürfte eine weitere Woche Urlaub sehr entgegen kommen und die Kinderbetreuungsengpässe im Sommer lindern.

Bliebe noch die Planbarkeit. Was tatsächlich einer Einführung möglicherweise entgegensteht, ist eine Kultur, in der Urlaub gar nicht vollständig konsumiert wird. Viele Unternehmen klagen bereits jetzt über hohe Urlaubsrückstände. Dies hat mit den in Österreich vergleichsweise langen Verfallsfristen ebenso zu tun, wie mit einer Präsenzkultur, die nur wenige Länder in derart ausgeprägter Art und Weise praktizieren. Vielfach wäre schon einiges erreicht, wenn der Konsum des Jahresurlaubs unter geltenden Bestimmungen ermöglicht würde.

Das Beispiel HORNBACH zeigt in jedem Fall eindrücklich, dass mutige Schritte notwendig sind, um am Arbeitsmarkt der Zukunft attraktiv zu sein. Und dass sich diese letztlich auszahlen.

# Urlaubsanspruch Österreich, 6 Wochen Urlaub, Urlaubsanspruch Österreich


Weitere Informationen

www.hornbach.com/karriere

6. Urlaubswoche – Boost für die Arbeitgeberattraktivität oder frommer Wunsch?

Mag. (FH) Peter Rieder | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. (FH) Peter Rieder ist Gründer der Arbeitswelten Consulting sowie geschäftsführender Gesellschafter des Diversity Think Tank Austria und begleitet Unternehmen in den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Audit berufundfamilie), Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement.

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