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Wo stehen wir bei der Frauenförderung? | Kleines Plädoyer zum kommenden Weltfrauentag 2019

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8märz: Weltfrauentag 2019. Die Geschlechterförderung (respektive in den meisten Fällen: die Frauenförderung) ist in den Betrieben angekommen. Immer mehr Unternehmen haben – nicht zuletzt auch durch den steigenden öffentlichen Druck – erkannt, dass sie dieses Thema ernst nehmen müssen. Und trotzdem hat man vielerorts den Eindruck, dass die Förderung von Frauen in technischen Berufen oder auch in Führungspositionen nur schleppend vorankommt. Wo stehen wir also? Und was ist noch zu tun?

Frauen erhalten systematisch schlechtere Bewertungen

Im Sommer 2018 veröffentlichten Wissenschafterinnen des WBZ Wirtschaftszentrum Berlin für Sozialforschung eine breit angelegt Untersuchung zur Frage der Geschlechterdiskriminierung. In Summe weit über 600 Unternehmen erhielten dabei fünf fiktive Kurzbeschreibungen von Bewerbern und Bewerberinnen für Lehrstellen und sollten diese nach der Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen im Bewerbungsverfahren weiterkommen würden, von 1 (sehr unwahrscheinlich) bis 10 (höchst wahrscheinlich) bewerten.

Die Ergebnisse sind frappierend. Frauen scheiden – rechnet man die Ergebnisse in Schulnoten um – um durchschnittlich eine Schulnote schlechter ab. So wurden etwa den Profilen zwei unterschiedlich gute durchschnittliche Schulnotenabschlüsse beigefügt. Zwar bekamen Bewerbende mit besseren Schulabschlüssen auch bessere Bewertungen. Aber die Differenz zwischen den männlichen Bewerbern und den weiblichen Bewerberinnen blieb gleich. Auch zahlreiche andere Faktoren finden Berücksichtigung. Überall zeigte sich eine deutliche Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern. In klassischen „Männerberufen“ wurden Frauen besonders stark diskriminiert, während Männer in typischen „Frauenberufen“ fair behandelt wurden.

Frauenförderung: Es liegt nicht an zu wenig willigen und qualifizierten Frauen

Das Jugendforschunginstitut hat im Auftrag von Beekhuis Performance Culture eine Befragung unter 500 Studentinnen gemacht, die Ende 2018 veröffentlicht wurde. Dabei gaben 7 von 10 Studentinnen an, leistungsorientiert zu sein, sich leicht auf Veränderungen einzustellen und wären auch bereit, für eine interessante Aufgabe ins Ausland zu gehen. Für über ein Viertel der Befragten ist die Karriere „wichtiger bzw. eher wichtiger als alles andere“.

Als Hürden, aber auch Ansatzpunkte, wurden mehrere Faktoren genannt. So nennen 79% zu wenig Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, Urlaubplanung, etc. seitens des Arbeitgebers, aber auch mangelnde Kinderbetreuung (78%) oder die soziale Erwartung, als Mutter den Beruf zurückzustellen (68%). Dabei würden fast 9 von 10 gerne ihre Karriere und ihre Familie vereinbaren können, wenn die Rahmenbedingungen passen.

Einig sind sich die Befragten jedenfalls, dass es an Vorbildern fehlt. Ein überwiegender Anteil gibt an, dass sich sicherlich mehr Frauen eine Führungsrolle zutrauen würden, wenn es mehr Beispiele für Frauen im Management gäbe. Zuletzt ist jedoch diese Zahl in Österreichs Vorständen zurückgegangen, wie letzte der EY Mixed Leadership Barometer, der im Jänner 2019 veröffentlicht wurde, ergeben hat. Lediglich in Aufsichtsräten steigen die Zahlen, nicht zuletzt wegen strengerer gesetzlicher Auflagen.

Frauenförderung ist mehr als der „Girls Day“ … Weltfrauentag 2019

Angesichts dieser Ergebnisse ist Ratlosigkeit verständlich. Tatsächlich kann man vielen Betrieben nicht vorwerfen, das Thema zu ignorieren. Allerdings erscheint es offensichtlich, dass Aktivitäten wie der „Girls Day“ – eine selbstverständlich wichtige Aktion, um Frauen unterschiedliche Berufe zu zeigen – das Problem alleine nicht lösen werden.

Aus den oben gezeigten Deutschen Ergebnissen, könnte man zur Annahme kommen, dass wir wohl Frauen beibringen müssen, sich besser zu verkaufen. Nein, das ist nicht der richtige Ansatz! Leider verfolgen schon jetzt viel zu viele Förderprogramm diesen Ansatz. Aus den Nominierungen der Aufsichtsrätinnen etwa wissen wir, dass eine Quote ein probates Mittel darstellt, um den Druck zu erhöhen. Klare Ziele sind also unumgänglich und auch sinnvoll. Allerdings zeigt sich auch, dass zuallererst jene Damen in Funktionen kommen, deren Anpassungsleistung gering ist, die also den in der Funktion vorherrschenden Normen und Standards bereits gut entsprechen. So ist Kinderlosigkeit oder aber eine Familiensituation, die ein „ungestörtes Mehrarbeiten“ ermöglicht, besonders oft anzutreffen. Die Durchschnittsfrau aber schafft es kaum in solche Funktion. Wenn wir das erreichen wollen – Stichwort Frauenförderung und (aus aktuellem Anlasse) Weltfrauentag 2019 -, dann müssen wir mehr tun:

1.) Mehr Druck

Es darf nicht mehr akzeptiert sein, sich mit „wir haben es eh versucht, aber keine gefunden“ durchzuschummeln. Viel mehr muss man die Erreichung der vereinbarten Ziele endlich an klare positive wie negative Konsequenzen für Verantwortliche und Unternehmen knüpfen. Zudem zeigen Untersuchungen, dass konkrete Änderungen in Prozessen nötig sind – sogenannte „Inclusion Nudges“ – und reine Selbstreflexion nicht ausreichend ist, um Benachteiligungen effektiv zu bekämpfen.

2.) Neue, nicht androzentristische Karrierenormen und -wege

Quoten und Druck alleine lösen das Problem noch nicht. Denn zuerst fällt die Wahl auf jene, die wenig Anpassungsleistung vollziehen müssen, boshaft könnte man sie die „Mannsfrauen“ nennen. Das soll keineswegs abwertend klingen, ist aber vielerorts Realität, wenn man die Karriereverläufe und Lebenssituation dieser Managerinnen betrachtet.

Wer nachhaltig Frauen fördern will, muss beginnen, die Normen, die mit Funktionen verbunden sind, systematisch zu hinterfragen. Welches zeitliche Ausmaß ist tatsächlich nötig für die Funktion? Wie müssen wir die Kommunikation, die Sitzungsabläufe und -zeiten, die Entscheidungsstrukturen und Diskussionskultur verändern? Fragen also, die uns ermöglichen, von den meist nur von Männern erfüllten Karrierenormen abzugehen, aber eine intensive Auseinandersetzung verlangen. Bilder wie Führung = Vollzeit, die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen und davor diskutiert wird, müssen grundlegend neu gedacht und über Bord geworfen werden.

3.) Andere Kompetenzen als relevant ansehen

Kompetenzen und Erfahrungen aus dem Management und der Erwerbsarbeit werden als besonders hoch eingeschätzt, andere, etwa aus Familienarbeit, Freiwilligenarbeit etc. werden meist nicht ausreichend beachtet. Diese Kriterien sollten systematisch in die Bewertung für die Eignung von Führungskräften miteinfließen.

4.) Sexismus aktiv bekämpfen

Immer noch lauern in der innerbetrieblichen Kommunikation an jeder Ecke sexistische Formulierungen und man erlaubt Beschäftigten, diese zu tätigen. Sexismus soll man aktiv bekämpfen. Tatsächlich haben wir es dann geschafft, wenn in einer Sitzung, in der sexistische Aussagen getroffen werden, die Männer aufstehen und klarstellen, dass dies so nicht geht.

5.) Diversitätskompetenz für alle Führungskräfte stärken

Viel zu wenig werden neben den operativen Themen Führungskompetenzen und schon gar nicht Diversitätskompetenz geschult. Führungskräfte müssten sich viel öfters selbst in ihrer Rolle hinterfragen, diese festigen oder bewusst machen und Entscheidungen hinterfragen. Diversitätskompetenz wird eine Schlüsselkompetenz der Zukunft werden und wir sollen sie langsam den Führungskräften beibringen.

6.) Zulassen von Nicht-Konformität und positive Fehlerkultur

Das Zugeben von Fehlern, das Revidieren von falschen Entscheidungen, ist in vielen Betrieben kein Teil des täglichen Tuns, sondern eher etwas unvorstellbares. Wollen wir jedoch eine nicht männlich-dominierte Kultur fördern, sollten wir rasch dazu übergehen, dass dies möglich ist. Ohne Gesichtsverlust. Man muss sich nicht erst in die Löwengrube begeben, um dann einfach in der archaisch aufgeladenen Kultur seinen Platz zu erobern, sondern kann auch Entscheidungen offen hinterfragen. Die eigene, aber auch die der Organisation. Das bedeutet auch, dass wir Non-Konformität zulassen und schätzen lernen. Eine Mammutaufgabe für viele Betriebe.

7.) Menschen endlich in ihren Lebensphasen und Bedürfnissen ernst nehmen

Zuletzt ist immer wieder von flexiblen Arbeitszeiten und -bedingungen die Rede. Oft leider nur als Lippenbekenntnis, denn die Flexibilität wird immer nur hin zum „Mehr“ ermöglicht, aber selten zum „weniger“. Unternehmen sollten die Lebensphasen und damit zusammenhängenden Bedürfnisse endlich tatsächlich ernst nehmen und Beschäftigte – auch Führungskräfte – als Menschen mit vielen Lebensinteressen und -bereichen betrachten. Das Leben – auch das Arbeitsleben – ist keine Konstante. Entsprechend schwanken kann und darf auch der Einsatz, den jemand zu einem bestimmen Zeitpunkt bereit ist zu geben.

Dies sind nur einige der Punkte, von denen die Frauenförderung nur profitieren kann, damit oben beschriebene Ergebnisse endlich der Vergangenheit angehört. Alleine – welches Unternehmen traut sie sich konsequent umzusetzen?


Weitere Informationen (Frauenförderung & Weltfrauentag 2019)

https://www.ankevanbeekhuis.at/studien/
https://www.wzb.eu/en/media/60118
https://www.ey.com/at/de/newsroom/news-releases/ey-20190114-ey-mixed-leadership-barometer-oesterreich-1-2019

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Mag. (FH) Peter Rieder | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. (FH) Peter Rieder ist Gründer der Arbeitswelten Consulting sowie geschäftsführender Gesellschafter des Diversity Think Tank Austria und begleitet Unternehmen in den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Audit berufundfamilie), Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement.

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