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Im Zuge meiner letzten Experten-Interviews zum Thema Potenzial-Analyse kamen mir mehrere „Potenzial-Analyse versus …“ unter. Damals passten sie nicht 100%ig ins fertige Interview. Doch ein paar der Aussagen sind zu interessant, um sie einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Daher fasse ich sie zu einem getrennten Interview zusammen und reihe sie lose aneinander:

 

Themen dieses Interviews: Potenzial-Analyse versus …

 

Potenzialanalyse, Persönlichkeitstest, Potenzial-Analyse

 

Potenzial-Analyse versus Persönlichkeitstest

Dr. Judith Girschik (Leadership Institute): Ein empirisch fundierter Persönlichkeitstest gibt – ungeachtet der intellektuellen Leistungsfähigkeit und fachlichen Qualifikation einer Person – klare Hinweise auf die Stärken und damit auch die Potenziale eines Kandidaten. Diese Hinweise unterscheiden sich von Alltagsbeobachtungen mitunter erheblich.

Dr. Kurt Durnwalder (ITO): Österreich ist nach meinem Wissen das einzige Land in Europa, das Persönlichkeitstests mit Potenzial-Analyse gleichsetzt. Und damit ist auch schon die Problematik definiert: ein Persönlichkeitstest ist keine Potenzialanalyse, sondern eine (Selbst)-Beschreibung der Persönlichkeit. Das kann für die einzelne Person interessant sein, weil sie sich mit sich selbst beschäftigt und sich selbst reflektieren kann. Daraus Potenzial ableiten zu wollen, ist in den meisten Fällen nicht wirklich zielführend. Das würde voraussetzen, dass das Potenzial für (Hoch)Leistung in Berufen hauptsächlich durch Persönlichkeitsmerkmale bestimmt ist.

Allein die tägliche Erfahrung zeigt, dass es in den meisten Berufen ganz unterschiedliche Persönlichkeiten gibt, die auf ihre Weise erfolgreich sind. Und unsere Studien zeigen, dass Top Performer sich von Low Performern in den meisten Fällen nicht primär durch Persönlichkeitsmerkmale unterscheiden. Persönlichkeitsmerkmale sind also nur eingeschränkt geeignet, Prognosen für den Erfolg abzugeben. Reine Persönlichkeitstests sind nicht zuletzt aus diesem Grund zu Recht als Selektionsinstrument kritisiert und in Frage gestellt.

Potenzial-Analyse versus Menschenkenntnis

Mag. Bernhard Dworak (Master Human Resources Consulting): Muss ich Sie bei einem Gebrauchtwagenkauf von einem Ankaufstest überzeugen? Wenn Ja, dann haben Sie auch das Thema „Potenzial-Analyse“ noch nicht verstanden. Wenn Nein, warum dann nicht auch im Personalbereich?

Sind Sie wirklich der Meinung, dass Sie jeden Menschen sehr gut einschätzen können, also quasi über eine gute Menschenkenntnis verfügen? Gratulation und viel Erfolg bei weiteren Fehlbesetzungen und Enttäuschungen, die aber sicher nichts mit der irrigen Annahme zu tun hat, dass es Menschen gibt, die glauben eine hervorragende Menschenkenntnis zu besitzen.

Dr. Judith Girschik (Leadership Institute): Die Relevanz von Potenzialanalysen und Persönlichkeitsprofilen liegt in der verfügbaren Zeit. Hat ein erfahrener Personalentwickler unbegrenzt Zeit, einen Kandidaten kennenzulernen, wird er auch mit dem sprichwörtlichen Bauchgefühl gut fahren. Leider ist die Zeit in Personalauswahlprozessen knapp bemessen. Genau dann profitieren HR-Abteilungen von personaldiagnostischen Instrumenten wie Potenzialanalysen. In kurzer Zeit ermöglichen sie einen objektiven Blick auf die Unterschiede zwischen Wünschen, Motivationen und Verhaltenstendenzen einzelner Kandidaten. Das Wissen um diese individuellen Merkmale hilft uns, den Person-Job-Fit (d.h. die Passung zwischen Person und Job) zu prognostizieren. Damit erhöht sich die Erfolgsquote in der Personalauswahl signifikant.
Dasselbe gilt im Coaching. Auch hier spielt Zeit und große Rolle. Je rascher es gelingt, die für den Kunden wesentlichen Entwicklungsthemen zu identifizieren, desto effizienter und erfolgreicher verläuft das Coaching.

Pot.A. versus Intelligenztest

Eigentlich müsste die Überschrift „Intelligenz versus Intelligenztest“ lauten, doch dann würde sie nicht so gut in den Grund-Tenor dieses Beitrags passen. Der Inhalt ist hier schon richtig. Und um auch die Überschrift passend zu gestalten, kommt eben dieser kleine Kunstkniff zur Anwendung 😉

Dr. Kurt Durnwalder (ITO): Viele Unternehmen scheuen sich, Intelligenztests einzusetzen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Einen wesentlichen Grund dafür sehe ich in der Zerstrittenheit bei den Psychologen selbst. Die Aussagen „Intelligenz ist lediglich ein theoretisches Konstrukt“ und „Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst“, legen folgende Überlegungen und Fragen nahe: wenn ich Intelligenz mit einem Intelligenztest messe, messe ich dann die wirkliche Intelligenz der Person oder nur das, was der Test behauptet? Stigmatisiere ich dadurch möglicherweise Personen zu Unrecht? Es gibt genügend erfolgreiche Personen, die im Intelligenztest nicht brillieren. Macht es dann Sinn, so ein Instrument einzusetzen?

Ein weiterer wesentlicher Grund ist der Widerstand bei den Personen selbst. Es besteht die Sorge, den Test nicht so gut zu bewältigen wie man möchte und dann vor anderen vielleicht als lediglich durchschnittlich intelligent dazustehen und damit auch generell nicht allzu positiv bewertet zu werden und sich Entwicklungschancen zu verbauen. Das zeigt, dass einerseits Intelligenz ein sehr hoher Stellenwert zugeschrieben wird, aber gleichzeitig man den Messinstrumenten und generellen Festschreibungen misstraut.

Braucht es also Intelligenztests überhaupt?

Es ist wohl unbestritten, dass für manche Aufgabenbereiche analytisches Denken, eine rasche Auffassungsgabe, die Fähigkeit, (rasch) die richtigen Zusammenhänge zu erkennen und richtige Schlüsse zu ziehen, äußerst relevant sind. Es macht also Sinn, diese Fähigkeiten zu überprüfen, wenn sie relevant für den Erfolg von Tätigkeiten sind. Ich empfehle jedoch, Abstand zu nehmen von generellen Kategorisierungen sowie diese Fähigkeiten in IQ Werten darzustellen. Man kann relevante kognitive Fähigkeiten messen ohne diese in das Korsett der Intelligenztests zu stecken, indem man  kognitive Fähigkeiten wie z.B. die Fähigkeit „Lösen von numerischen Aufgaben“ als solche bewertet – und als Teil der Leistungsfähigkeit oder des Potenzials der Person betrachtet. Für den Erfolg von Aufgaben hat diese Fähigkeit einen mehr oder weniger großen Einfluss: man sollte sich vor Augen halten, dass die jeweilige kognitive Fähigkeit,  die man analysiert, nur einen Teil des Erfolgspotenzials ausmacht und diesen in Abhängigkeit der Tätigkeit auch entsprechend gewichten.

Potenzial-Analyse Vorteil versus Nachteil

Erich Nepita  (LHH/OTM Karriereberatung): Was spricht für Potential-Analysen: Steigerung der Richtigkeit von Entscheidungen, Erkenntnis über zusätzliche und berücksichtigenswerte Entscheidungskriterien, aber vor allem unvoreingenommene Beurteilung durch standardisierte Beurteilungsprozesse gegenüber subjektiven persönlichen Einschätzungen.

Was hindert den Einsatz von Potential-Analysen: die Heranziehung von weiteren Experten für Potential-Analysen, vergrößerter Zeitaufwand für Betroffene und Entscheider, zusätzliche Kosten und teilweise Erhöhung des Schwierigkeitsgrades von Entscheidungen durch zusätzliche Entscheidungsgrundlagen, aber vor allem zeitliche Verzögerung der Entscheidung – unter anderem durch die notwendige Interpretation der Analysen durch sachkundige Experten.

Pot.A. versus Fehlbesetzung

Mag. Ulrike Kriener (Aumaier Consutling I Training): Potenzialanalyse werden sukzessive zunehmend öfter für die Besetzung von Topmanagementfunktionen in der Privatwirtschaft und in öffentlich-rechtlichen Organisationen eingesetzt werden.  Die Kosten für Fehlbesetzungen sind aufgrund langer Kündigungsfristen und des hohen Einflusses und Wirkungsgrades dieser Funktionen auf die zu verantwortenden Organisationen sehr hoch. Die Anforderungen an die zukünftigen Positionsinhaber sind bezogen auf das persönliche Verhalten und das Mindset zunehmend anspruchsvoller.  Kandidaten aus Seilschaften und Netzwerken genügen nicht mehr ausschließlich aufgrund ihrer Branchen- oder Insiderkenntnisse. Außerdem werden Kandidaten für Spitzenjobs immer jünger und die Jobanforderungen verändern sich immer rascher. Daher gilt es zunehmend, vermehrt das Potenzial der Bewerber einzuschätzen. Bisherige Erfahrungen können nicht mehr einfach nur für (Wieder-)Besetzung fortgeschrieben werden und Top High Potential nicht immer einschlägige Erfahrungen vorbringen. Mit Potenzialanalysen kann das Risiko der Fehlbesetzung abgefedert werden, da sie als zusätzliche, aussagekräftige, neutrale Beobachtung herangezogen werden können.

 

Die Gesprächspartner:

5 x Potenzial-Analyse versus …


Bernhard Dworak, Master HR, Potenzial-AnalyseMag. Bernhard Dworak
Geschäftsführer

Master Human Resources Consulting GmbH

www.master-hr.at


Erich-NepitaErich Nepita
Managing Partner

LHH/OTM Karriereberatung GmbH

www.LHHaustria.at


Judith GirschikDr. Judith Girschik
Geschäftsführerin

Leadership Institute | LSS Leadership Services GmbH

www.leadership-institute.at


Ulrike KrienerMag. Ulrike Kriener
HR Consultant

Aumaier Consutling I Training GmbH

www.aumaier-consulting.com


Kurt Durnwalder, ITO, Potenzial-AnalyseDr. Kurt Durnwalder
Geschäftsführer

ITO Individuum Team Organisation GmbH

www.ito.co.at


Ich danke den Interviewpartnern sowohl für ihre Geduld als auch ihre Expertise.

Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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