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Soll / darf / muss Employer Branding ein reines Recruiting-Tool sein?

28Sep2022
5 min
Employer Branding Strategie

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Die Frage ist provokant, das ist mir klar. Ich stehe vor meiner Runde aus Experten und Expertinnen für Employer Branding, werfe die Frage in den Raum „Soll / darf / muss Employer Branding als reines Recruiting-Tool Recruiting eingesetzt werden?“ und weiche vorsichtshalber gleich einen Schritt zurück.

Wie erwartet sind die Antworten mal direkter, mal diplomatischer. Doch der Grund-Tenor ist der selbe, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. Und gerade diese machen die Essenz dieses Interviews aus:

Recruiting, Employer Branding
Links der HR-Branche Recruiting

Soll / darf / muss Employer Branding als reines Recruiting-Tool eingesetzt werden?

Ein Gesamt-Konzept

Ralf Tometschek (identifire): Employer Branding ist die strategische Ebene in Form des Arbeitgeber-Versprechens, das im HR-Marketing operativ bei den Zielgruppen ins Ziel geführt wird und so das Recruiting stützt.

Mag. Karin Schnopfhagen, MSc (Unternehmensberatung/Coaching/Training): Employer Branding hilft dabei herauszufinden, was Arbeitgeber besonders macht und wie sie diese Einzigartigkeit im Unternehmen leben. Erfolgreiches Employer Branding wirkt somit nach innen und außen. Unternehmen erhöhen die Attraktivität für potenzielle Mitarbeitende und verstärken die Bindung des bestehenden Personals. Betrachtet man Employer Branding als reines Recruiting Tool vergibt man aus meiner Sicht viele Chancen und ich gehe sogar so weit zu sagen, dass wirklich erfolgreiches Employer Branding die Sicht nach innen – also auf die eigene Unternehmenskultur und die eigenen Werte – braucht.

Mag. Cornelia Schwaminger, MAS (BDO Austria): Eine sinnvolle Employer Branding Strategie sollte in enger Verschränkung zwischen HR und Marketing umfassender sein und nicht nur als Recruiting-Tool eingesetzt werden. Es geht auch darum wie die bestehenden Mitarbeitenden die Unternehmenskultur bzw. die Employer Brand erleben.

Tristan Niewöhner (persomatch): Meiner Meinung nach muss in vielen Köpfen erst einmal ein Umdenkprozess stattfinden. Viele denken beim Thema Recruiting immer noch an die einzelne Stelle, die es zu besetzen gilt. Doch das ist ein falscher Ansatz. Recruiting muss ein steter Bestandteil der Personalarbeit sein. Das ist genauso wie beim Kundenmarketing. Damit höre ich ja auch nicht auf, wenn ich gerade eine kaufende Person an mich gebunden habe, und mache in drei Wochen weiter, wenn ich weitere Kunden brauche. Manche Branchen kennen diese Art des Recruitings schon, z. B. wenn es um Mitarbeitende im Lager- oder Logistik-Bereich geht. Hier wird ständig neues Personal gesucht, und so gestaltet sich auch das Recruiting. Man muss also weg von der einzelnen Stelle und hin zu einem Dauerzustand kommen. Und in dem Zusammenhang ist das Employer Branding dann natürlich auch ein steter Bestandteil des Recruitings.

Direkte Koppelung mit der Unternehmens-Strategie

Mag. Irmgard Prosinger  (getbestfit): Employer Branding ist definitiv KEIN reines Recruiting-Tool!
Umso wichtiger ist es, dass Employer Branding immer von der Unternehmensstrategie abgeleitet wird und sich das Employer Branding Team auch interdisziplinär aus Geschäftsführung, Human Ressources, Marketing/Kommunikation und repräsentativ aus Führungskräften und Mitarbeitenden zusammensetzt. Im Rahmen eines Employer Branding Projektes betrachtet man die gesamte Candidate und Employee Journey. In allen HR Prozessen und Tools gilt es die Positionierung als Arbeitgeber abzubilden und erlebbar zu machen. Im Rahmen des Leadership Brandings stoßen wir auch immer wieder auf Themen zu Organisationsentwicklung und Leadership. Ein immer wieder positiver Nebeneffekt bei Employer Branding Projekten ist die Steigerung der Mitarbeiterbindung.  Vorausgesetzt man holt auch die Mitarbeitenden gut ins Employer Branding Boot, Mitarbeitende sind auch repräsentativ in der Projektgruppe vertreten und Employer Branding wird laufend und gut durch interne Kommunikation begleitet.

Mag. Gerd Liegerer, MBA (Bud & Terence): NEIN! Employer Branding beginnt in Innern des Unternehmens und wird dann nach außen getragen. Recruiting ist Teil des Employer Brandings, nicht umgekehrt.

Image nach außen und Blick hinter die Kulissen

Nikolai Dürhammer (StepStone Österreich): Employer Branding ist kein reines Recruiting Tool. Das Unternehmensimage aktiv zu beeinflussen, um mehr Bewerbungen zu bekommen, ist sicher eine Hauptmotivation für viele. Aber jedem Unternehmen sollte es auch daran gelegen sein, die Kandidaten nicht nur zu gewinnen, sondern zu halten. Und dafür braucht es mehr als ein schön glänzendes Image für Außenstehende. Spätestens wenn die Person im Unternehmen anfängt, blickt sie ja hinter die Kulissen und entlarvt falsche Versprechungen sofort. War es das dann wert?

Dr. Susanne Kolbesen (chvalina & kolbesen 2blickwinkel.at): Employer Branding bedeutet weit mehr. Es ist nicht nur wichtig im Recruiting als attraktiver Arbeitgeber für Top Kandidaten wahrgenommen zu werden, auch für Mitarbeitende des Unternehmens selbst macht dies einen Unterschied. Die Identifikation und Motivation ist bei einem als attraktiv bewerteten Arbeitgeber per se höher und dies wirkt sich dann auch auf die Mitarbeiterbindung, mögliche Job-Empfehlungen und somit wieder auf den externen Bewerber-Markt aus.

Jetzt für die Zukunft gedacht

Mag. Sandra Bascha (New Work SE): Erprobte Konzepte, gelernte Routinen funktionieren nicht mehr. Was wir brauchen, ist ein neues Verständnis von Recruiting – wir brauchen ein „New Hiring“ mit zukunftsfähigen Konzepten, Methoden und Tools, um in der neuen Arbeitswelt die richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit zu finden.
Es geht um den Einsatz intelligenter Tools bei Recruiting, Sourcing und Bewerbermanagement, das permanente Ausrichten an den Bedürfnissen und digitalen Gewohnheiten der Kandidaten und um einen viel stärkeren Check, ob Bewerberinnen und Unternehmen kulturell zueinander passen. Hier spielt Employer Branding also eine wichtige Rolle im Recruiting. Denn für immer mehr Menschen wird der Cultural Fit zum entscheidenden Kriterium, wenn es um einen (neuen) Job geht.

Patrick Attanasio (Infoniqa): Nein! Nur die Recruiting-Brille zu tragen ist viel zu kurz gedacht. „Mitarbeiterbindung“ ist das Zauberwort – und die schaffe ich zu einem großen Teil durch smartes Employer Branding. Genau das wird in den nächsten 10 Jahren den Ausschlag geben zwischen Unternehmen, die verzweifelt ihre fluktuierenden Vakanzen stopfen müssen, und Arbeitgebern, die vor allem neugeschaffene Positionen besetzen und sich ansonsten auf die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden konzentrieren können.
Employer Branding ist viel ehr als nur ein paar bunte Bilder. Es ist der Umgangston im Unternehmen, es sind Werte, die gelebt werden, und Perspektiven, die man schaffen muss. Und zwar nicht ad hoc, sondern als Grundbaustein der gesamten Personalarbeit.
Wer denkt, er könnte in den nächsten 5 Jahren das Daily Business in der Personalarbeit ohne smartes, langfristig ausgelegtes und ehrliches Employer Branding wuppen, der wird sich am Arbeitsmarkt noch ganz schön umschauen.

Die Interview-Partner

Employer Branding als klares Recuriting-Tool?

Mag. Sandra Bascha

  • Leitung Kommunikation Österreich
  • NEW WORK SE
Sandra Bascha, Xing, Stellenausschreibung und Stellenanzeigen

Mag. Gerd Liegerer, MBA

Gerd Liegerer, Bud Terence, Onboarding-Prozess

Patrick Attanasio

  • CSO
  • Infoniqa
Patrick Attanasio, Infoniqa
Mag. Irmgard Prosinger
  • Partner
  • getbestfit
Irmgard Prosinger, getbestfit

Tristan Niewöhner

  • Gründer und Geschäftsführer
  • persomatch GmbH
Tristan Niewöhner, persomatch: Stellenausschreibung Stellenanzeigen

Mag. Cornelia Schwaminger, MAS

Cornelia Schwaminger, BDO

Nikolai Dürhammer

  • Geschäftsführer
  • StepStone Österreich
Catrin Mayerhofer-Trajkovski
Mag. Karin Schnopfhagen, MSc
  • Inhaberin
  • Karin Schnopfhagen – Unternehmensberatung/Coaching/Training
Karin Schnopfhagen

Dr. Susanne Kolbesen

Susanne Kolbesen, 2blickwinkel
Ralf Tometschek
Tometschek-Ralf-Identifire

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