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Arbeitswelt 2030 | Wohin wird es gehen? Ein Interview.

09Jan2024
6 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

In diesem Experten-Interview fragen wir nach: Worin wird sich die Arbeitswelt 2030 von jener von 2023 unterscheiden und welche Bedürfnisse wird es seitens der Mitarbeitenden, Führungskräfte und Unternehmensleitung geben?

Interview-Partner

  • Mag. Julia Ringhofer-Müllner ist Leiterin des Masters Personal, Organisation & Strategie an der FH Wiener Neustadt. Sie verfügt über langjährige Lehrerfahrung in den Bereichen Personalmanagement, Organisation und Leadership. Praxiserfahrung hat sie in namhaften österreichischen Personalberatungs-unternehmen gesammelt. Sie forscht zu Change-Prozessen in der öffentlichen Verwaltung.
Julia Ringhofer-Müllner, FH Wiener Neustadt
  • Dipl.-Psych. Dr. Ralph Sichler, Leiter des Instituts für Management und Leadership Development an der FH Wiener Neustadt, lehrt und forscht in den Bereichen New Work, Leadership, angewandte Ethik und Agile Organisation. Er ist Autor wissenschaftlicher Beiträge und Bücher sowie Mitglied des Editorial Boards diverser wissenschaftlicher Zeitschriften.
     
  • Business Tagung: Arbeitswelt 2030
    www.fhwn.ac.at/events/business-tagung
Julia Ringhofer-Müllner, FH Wiener Neustadt

Arbeitswelt 2030

Worin wird sich die Arbeitswelt 2030 grundlegend von jener von 2023 unterscheiden?

Dr. Ralph Sichler: Unsere Arbeitswelt durchläuft ja schon seit einiger Zeit einen fortwährenden Wandel. Die Veränderung der Demographie, der Kulturwandel in vielen Unternehmen, Nachhaltigkeitsthemen und andere Herausforderungen kennt man schon länger. Sicherlich wird es gravierende Erneuerungen bei der Digitalisierung geben. Job Profile werden sich teilweise stark ändern. Dabei wird es nicht nur auf die immer wichtiger werdende Digital Literacy der Beschäftigten ankommen, sondern auch um einen verantwortungsvollen und humanen Einsatz digitaler Technologien. Hier bietet der sogenannte Digitale Humanismus einen vielversprechenden Zugang. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Einsatz von Digital Tools letztendlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn es dadurch zu einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitssituation der Menschen kommt.

Wie wird sich die Arbeit von HR-Verantwortlichen dadurch in Zukunft ändern?

Mag. Julia Ringhofer-Müllner: HR wird hier besonders gefragt sein, um entsprechende Strukturen zu schaffen. Werden HR-Verantwortliche nach den Entwicklungen in ihrem Berufsstand gefragt, so sind es neben der Digitalisierung und dem damit einhergehenden Wunsch nach mehr Flexibilität wie z.B. die Möglichkeit von Homeoffice, vor allem der bereits erwähnte demografische Wandel und das Thema Nachhaltigkeit, die diese beschäftigen. Dies erfordert von Personalisten nicht nur neue Kompetenzen, sondern wird auch als Gesamtes deren Berufsbild verändern. Personalbezogene Maßnahmen sind langfristig, ganzheitlich und selektiv zu setzen. Es ist daher zu erwarten, dass Personalverantwortliche künftig stärker in die Rolle des strategischen Partners der Unternehmensleitung schlüpfen.

Bedürfnisse der Mitarbeitenden

Welche Bedürfnisse wird es konkret auf Seiten der Mitarbeitenden geben & wie sollen sich Unternehmen bereits jetzt darauf einstellen?

Dr. Ralph Sichler: Wandel erzeugt immer auch eine gewisse Unsicherheit. Deshalb sind Unternehmen gut beraten, ihren Mitarbeitenden das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Arbeitskraft gefragt ist, ja mehr noch, dass sie als Person für das Unternehmen wichtig sind. Dies wäre auch eine personalstrategische Orientierung, die den Fachkräftemangel im Unternehmen reduzieren würde. Darauf aufbauend ist es wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass Mitarbeitende sich und ihre Kompetenzen weiterentwickeln können. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, die Beschäftigten ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm absolvieren zu lassen. Kompetenzentwicklung setzt bereits bei der Verteilung von Aufgaben und Rollen an, bei der Mitwirkung in Projekten, bei der Einbindung in Entscheidungen etc.

Mag. Julia Ringhofer-Müllner: Die Ansprüche von Mitarbeitenden ändern sich nicht nur aufgrund des gesellschaftlichen Wertewandels, sondern werden in Unternehmen mitunter auch als hoch im Vergleich zu früheren Generationen wahrgenommen. Unternehmen reagieren damit, in dem sie spätestens jetzt damit beginnen, sich als attraktiver Arbeitgebender zu positionieren. Der Aufbau einer Employer Brand benötigt aber viel mehr als isolierte Maßnahmen, die sich rein nach außen richten und nach der Vertragsunterzeichnung enden. So ist es heutzutage wohl kein Einzelfall mehr, wenn neue Mitarbeitende bereits während der Probezeit das Unternehmen auf eigenen Wunsch hin wieder verlassen. Neben einem professionellen Onboarding werden es überdurchschnittliche Arbeitgebende schaffen müssen, das Arbeitserlebnis so zu gestalten, dass Mitarbeitende ihre Arbeit als gut und sinnvoll erleben.

Bedürfnisse der Führungskräfte

Welche Bedürfnisse wird es konkret auf Seiten der Führungskräfte geben & wie sollen sich Unternehmen bereits jetzt darauf einstellen?

Mag. Julia Ringhofer-Müllner:  Führungskräfte wollen gehört werden und ihre Ideen einbringen. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, bei den vielen Veränderungen, die wir gerade in der neuen Arbeitswelt durchlaufen, aktiv mitzugestalten. So sind es gerade jene auf mittlerer und unterer Ebene, welche sowohl die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden als auch die betrieblichen Anforderungen gut kennen. Ihre Stimme ist daher erfolgskritisch. In den Turbulenzen des Arbeitsalltags besteht aber die Gefahr, diese zu überhören. Hier kann es helfen, ganz bewusst Gelegenheiten des Austausches mit HR und der Unternehmensleitung zu schaffen.

Dr. Ralph Sichler: Die Rolle und Aufgaben der Führungskräfte verändern sich grundlegend. Vorgesetzte geben nicht nur Ziele vor und üben Kontrolle aus. Ein immer wichtiger werdender Teil ihres Tätigkeitsspektrums ist die Unterstützung und Förderung von Mitarbeitenden. Dazu braucht es ein offenes Ohr für deren Belange und die Fähigkeit, die Kommunikation mit dem Team trotz Hierarchieunterschied auf Augenhöhe zu gestalten. Bei der Entwicklung von Kompetenzen für diesen partnerschaftlichen und ermutigenden Führungsstil braucht es die Unterstützung durch die Unternehmensleitung, sei es beispielsweise durch darauf abgestimmte Trainings, sei es durch eine Veränderung der Fehler- und Kommunikationskultur im Unternehmen.

Bedürfnisse der Unternehmensleitung

Welche Bedürfnisse wird es konkret auf Seiten der Unternehmensleitung geben & wie sollen sich Unternehmen bereits jetzt darauf einstellen?

Dr. Ralph Sichler: Das Topmanagement war und ist oft immer noch darauf eingestellt, das Unternehmen vor allem strategisch und vielfach hauptsächlich auf der Grundlage von Kennzahlen zu führen. Dabei kommt der Faktor Mensch häufig zu kurz. Dieser Faktor und die damit verbundenen Personalagenden sollten deshalb neben allen anderen strategisch relevanten Faktoren Toppriorität genießen. Nur mit dem überlegten und effektiven Verhaltensbeitrag der Führungskräfte und Mitarbeitenden stellen sich auch Erfolge ein. Dies bedeutet aber, dass die Unternehmensleitung genau im Bilde sein muss, welche Kompetenzen ihre Beschäftigten haben und welche (noch) nicht. Damit verbundene Personalfragen, welche etwa die Recruiting- und Personalentwicklungsstrategie betreffen und somit das HR-Management generell, gehören deshalb schon lange mit ins Topmanagement.

Bedürfnisse der Lehrlinge

Welche Bedürfnisse wird es konkret auf Seiten der Lehrlinge / ganz jungen Mitarbeitenden geben & wie sollen sich Unternehmen bereits jetzt darauf einstellen?

Mag. Julia Ringhofer-Müllner:  Wenn wir von Lehrlingen und ganz jungen Mitarbeitenden sprechen, wird an die Generation Z gedacht. Angehörigen dieser Generation wird zugeschrieben, besonders auf eine ausgewogene Work-Life-Balance zu achten und ihrem Arbeitgebenden gegenüber weniger loyal zu sein. Gleichzeitig gelten sie als digital affin und bestens ausgebildet. Jobs mit Purpose sind besonders gefragt, wobei sie dieses Bedürfnis wohl auch mit Mitarbeitenden älterer Generationen teilen. Wo sich Z-ler grundlegend unterscheiden, ist in ihrem Kommunikationsverhalten. Als „Digital Natives“ sind sie mit Internet, Social Media und Smartphone aufgewachsen. Besonders hier müssen Unternehmen in Zukunft neue Wege beschreiten. Durchgängige und transparente Kommunikation erscheinen entscheidend, um sowohl Bewerbende als auch Mitarbeitende dieser ganz jungen Generation zu erreichen.

Wo werden wir in Bezug auf Zusammenarbeit auf zwischenmenschlicher Ebene stehen?

Dr. Ralph Sichler: Die Komplexität der Zusammenarbeit erhöht sich deutlich, nicht nur aufgrund der Digitalisierung und der (hybriden) Verschränkung von Face-to-face- und Online-Kommunikation. Aufgrund des Wandels der Organisationskultur wird die unbürokratische, abteilungs- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit in Teams, zwischen Teams und an allen relevanten Schnittstellen zu einem starken Erfolgsfaktor. In Agilen Organisationen wird dies bereits mehr oder weniger professionell praktiziert. Natürlich bedarf es auch hier der Unterstützung durch das Unternehmen. Führungskräfte und Mitarbeitende müssen lernen, auf diese Weise erfolgreich zusammenzuarbeiten.

Wem wird die Arbeitswelt 2030 besonders liegen?

Mag. Julia Ringhofer-Müllner:  Die fortschreitende Digitalisierung wird wohl dazu führen, dass sich existierende Berufsbilder ändern, viele weniger qualifizierte Arbeitsplätze gänzlich wegfallen und gleichzeitig viel mehr neue Jobs entstehen, die aber hohe Kompetenzen seitens Mitarbeitenden erfordern. Wohl werden sich dabei nicht nur jene fühlen, die das erforderliche fachliche Rüstzeug, sondern vor allem auch die Fähigkeit zu selbstorganisiertem Handeln mitbringen. Gerade hier sind Unternehmen wiederum gefordert, nicht nur in die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden zu investieren, sondern auch Arbeitsplätze und Arbeitsrollen entsprechend zu gestalten.

Arbeitswelt 2030 | Wohin wird es gehen? Ein Interview.

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