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„Quiet Vacation“ oder weshalb die HR-Welt ständig neue Begriffe erfindet

20Mai2025
4 min
Quiet Vacation

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Die HR-Welt liebt sie: knackige Begriffe, die komplexe Phänomene in zwei Worten auf den Punkt bringen. Quiet Quitting, Great Resignation, Quiet Thriving – und jetzt auch noch Quiet Vacation.

Kaum ist ein neuer Begriff geboren, geistert er durch LinkedIn-Posts, HR-Konferenzen und Führungskräfte-Meetings. Doch was steckt eigentlich hinter dieser stillen Sprachverliebtheit? Und was macht diese Begriffe so attraktiv – oder auch gefährlich? Ein Blick hinter die Buzzwords.

Schon mal von Quiet Vacation gehört? Nein? Dann wird’s Zeit. Dabei handelt es sich um den neuesten Trend in der langen Reihe stiller Phänomene: Mitarbeitende nehmen Urlaub – ohne ihn offiziell einzureichen. Sie sind scheinbar im Homeoffice, in Wahrheit aber am Strand, in den Bergen oder auf Städtereise. Der Laptop ist dabei, aber eher als Alibi denn als Arbeitsgerät.

Klingt absurd? Willkommen in der Welt der HR-Buzzwords, wo jedes neue Phänomen einen griffigen Namen bekommt – am besten mit „Quiet“ oder „Great“ vorneweg.

Die Parade der HR-Trendbegriffe neben Quiet Vacation

In den letzten Jahren hat sich eine ganze Begriffsfamilie etabliert, schon lange vor Quiet Vacation:

  • Quiet Quitting: Mitarbeitende machen nur noch das, was im Vertrag steht – nicht mehr, nicht weniger.
  • Quiet Firing: Führungskräfte fördern nicht mehr aktiv – in der Hoffnung, dass Mitarbeitende von selbst gehen.
  • Quiet Thriving: Das stille Aufblühen im Job – ganz ohne Tamtam.
  • Great Resignation: Die große Kündigungswelle, ausgelöst durch die Pandemie.
  • Great Regret: Die Erkenntnis, dass der neue Job nach dem Wechsel vielleicht doch nicht so großartig ist. Der Folgetrend nach der „Great Resignation“.

Und jetzt eben: Quiet Vacation. Die stille Auszeit. Ohne Abwesenheitsnotiz. Ohne schlechtes Gewissen?

Weshalb lieben wir diese Begriffe?

Manchmal reicht ein einziges Wort, um ein ganzes Gefühl, eine Stimmung oder ein Phänomen auf den Punkt zu bringen. Genau das macht den Reiz dieser HR-Buzzwords aus. Sie sind wie kleine semantische Rettungsringe im Ozean der Arbeitswelt – griffig, verständlich und irgendwie auch ein bisschen cool.

  • Sie machen komplexe Phänomene greifbar. Ein Begriff wie „Quiet Quitting“ fasst in zwei Worten zusammen, was sonst ganze Studien füllen würde.
  • Sie erzeugen Aufmerksamkeit. Medien, Social Media und HR-Konferenzen springen auf – und plötzlich ist das Thema überall.
  • Sie bieten Identifikation. Es ist ein Spiegel bestimmter Kultur-Phänomene in unseren Unternehmen. Viele erkennen sich wieder – oder zumindest Kollegen.
  • Sie geben HR-Themen eine gewisse Coolness. Endlich spricht man über Unternehmenskultur – und das sogar viral.

Die Schattenseite der Buzzword-Kultur

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten – und bei aller Begeisterung für kreative Begriffe wie eben Quiet Vacation lohnt sich ein kritischer Blick. Denn nicht alles, was sich gut anhört, bringt auch echten Mehrwert. Im Gegenteil: Manche dieser Begriffe können mehr verwirren als klären. Oder haben ihre Tücken.

  1. Vereinfachung statt Erklärung: Ein Schlagwort ersetzt keine Analyse. Wenn wir komplexe kulturelle oder strukturelle Probleme auf ein Wort reduzieren, verlieren wir oft den Blick fürs Ganze.
  2. Fehlende Datenbasis: Viele dieser Begriffe basieren auf Einzelbeobachtungen, Medienhypes oder Umfragen mit fragwürdiger Repräsentativität. Echte Studien mit Zahlen, Daten, Fakten? Fehlanzeige.
  3. Trend statt Transformation: Unternehmen reagieren (oder echauffieren) auf den Begriff – nicht auf das, was dahintersteckt. Es wird diskutiert, aber selten wirklich verändert.
  4. HR unter Druck: Personalabteilungen sollen plötzlich zu jedem neuen Begriff Stellung beziehen, Maßnahmen entwickeln oder Workshops anbieten – oft ohne klare Grundlage.

Fazit: Quiet Vacation zwischen Spiegel und Schlagwort

Trotz aller Kritik: Diese Begriffe haben ihre Berechtigung. Sie sind oft mehr als nur mediale Spielereien – sie können uns einen Spiegel vorhalten. Sie machen sichtbar, was sonst unter der Oberfläche brodelt. Und genau darin liegt ihr Wert: Nicht als Handlungsimpuls, sondern als Nachdenkimpuls.

Denn nicht jeder neue Begriff muss sofort in eine HR-Strategie gegossen werden. Manchmal reicht es, innezuhalten und zu fragen: Was steckt eigentlich dahinter? Welche kulturellen, strukturellen oder kommunikativen Themen kommen hier zum Vorschein?

Wenn wir diese Begriffe mit Substanz füllen, können sie ein Türöffner sein – zu echten Gesprächen über die Arbeitswelt von morgen. Und oft führen diese Gespräche zurück zu den großen Leitthemen moderner Arbeitskultur:

  • Mehr Eigenverantwortung statt Mikromanagement.
  • Ergebnisorientierung statt Präsenzpflicht.
  • Echtes Engagement statt stillem Rückzug.

Vielleicht ist Quiet Vacation also gar kein Aufruf zur Empörung, sondern zur Reflexion: Wie flexibel ist unsere Homeoffice-Politik wirklich? Wäre es nicht sinnvoller, zeitweises Arbeiten aus dem Ausland offen zu ermöglichen, statt es zu tabuisieren? Vertrauen wir unseren Mitarbeitenden genug, um ihnen diese Freiheit zu geben?

Wenn wir die Themen hinter den Begriffen ernst nehmen, können wir mehr gewinnen als nur ein neues Buzzword – nämlich eine Arbeitskultur, die wirklich in Bewegung ist.

„Quiet Vacation“ oder weshalb die HR-Welt ständig neue Begriffe erfindet

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