Widerstand im Unternehmen? In diesem Interview zeigen HR-Interimsprofis, weshalb genau dort der Schlüssel für echte Veränderung liegt.
Die Kunst des Interim Managements liegt darin, Klarheit und Struktur zu bringen – dort, wo andere im ersten Moment nur Chaos und Blockade sehen. Was wie Widerstand aussieht, ist – positiv gesehen – oft der erste Impuls zur echten Transformation. Im Interview verraten HR-Interimsprofis, wie man diesen Moment nutzt.

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Experten-Interview
Widerstände? Ganz normal.
Wie gehen Sie mit Widerständen im Unternehmen um, wenn Sie als externe Person Prozesse verändern sollen?
Mag. Valerie Ferencic, MSc (VF Consulting)
Widerstand gegen Veränderungen ist normal, besonders wenn externe Personen Prozesse anpassen sollen. HR ist immer eine sehr zentrale Position in der Organisation, die auch mit Empathie, Offenheit und Kommunikation verbunden ist. Ich versuche also, Akzeptanz zu schaffen und nachhaltige Lösungen zu etablieren.
Zuerst analysiere ich die Gründe für den Widerstand. Oft sind es Unsicherheiten, fehlende Transparenz oder die Sorge vor Mehrarbeit. Ein offenes Gespräch hilft, diese Bedenken zu verstehen. Danach binde ich Schlüsselpersonen frühzeitig ein, um sie zu Mitgestaltenden statt Gegnern zu machen. Unterstützende Personen im Unternehmen fungieren als Multiplikatoren, um Veränderungen langfristig zu verankern.
Klare Kommunikation ist entscheidend: Ich vermittle nicht nur, was sich ändert, sondern auch warum und welchen Nutzen es bringt. Und es braucht Geduld und Durchhaltevermögen, denn Akzeptanz entsteht nicht über Nacht. Schnelle Erfolge helfen, um Skepsis abzubauen und mein Expertenwissen schafft Vertrauen und erleichtert den Prozess.
Letztendlich ist nicht jeder Widerstand unbegründet und daher bleibe ich flexibel und offen für Anpassungen, wo es sinnvoll scheint, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren.
Melanie Trommer, MA
Widerstände in Change-Prozessen? Ganz normal – und sogar wertvoll! Denn sie zeigen, wo Menschen Bedenken haben, wo es knirscht und wo vielleicht schon lange schlummerndes Verbesserungspotenzial steckt. Deshalb nehme ich Widerstände nicht nur ernst, sondern sehe sie als wichtigen Bestandteil des Prozesses. Der eigentliche Wandel macht nur etwa 20 % aus – die restlichen 80 % sind Kommunikation, Überzeugung und das Schaffen von Akzeptanz. Besonders langjährige Mitarbeitende haben oft wertvolles Know-how, das in den Change-Prozess einfließen sollte. Mein Ansatz: zuhören, Bedenken aufgreifen und die Begeisterung für das Neue wecken. Denn wer Veränderung versteht und mitgestalten kann, geht den Weg viel lieber mit.
Mag. Marie-Stefanie Spitzy
Kommunizieren – Kommunizieren – Kommunizieren. Da ich eine sehr offene, kommunikative Persönlichkeit habe, erkläre ich immer von Anfang an, was mein Auftrag ist und dass ich diesen nicht ohne die Mitarbeitenden und ihre Expertise erledigen kann. Ich erkläre auch den Vorteil von Interimmanagement, dass ich ja da bin, um zu unterstützen und einen Engpass zu verhindern oder ein Projekt erfolgreich zu Ende zu bringen. Dass meine Türe offen steht und ich immer alle Fragen beantworten werde. Damit kann ich schon bei vielen Vertrauen gewinnen. Da ich meist sehr fröhlich bin und viel lache, gelingt es mir meistens, hier schon das Eis zu brechen.
Typische HR-Interim-Bereiche
Welche HR-Bereiche (z. B. Recruiting, Personalentwicklung, Vergütung) werden besonders häufig von Interim Management abgedeckt?
Melanie Trommer, MA:
Interim Management im HR? Das betrifft oft strategisch wichtige Positionen – beispielsweise die Interim-HR-Leitung oder den HR Business Partner für eine große Division. Früher wurde für Recruiting meist auf klassische Personalberatung gesetzt und für die Personalentwicklung auf externe Trainings und Seminarinstitute. Doch das ändert sich gerade: Unternehmen suchen zunehmend nach flexibleren, maßgeschneiderten Lösungen. Ich erlebe, dass besonders das Recruiting immer mehr nach innovativen Ansätzen verlangt. Deshalb werde ich oft als externe Personalexpertin ins Boot geholt, um gemeinsam mit dem Unternehmen den Recruitingprozess zu optimieren, Active Sourcing zu etablieren und die Candidate Experience zu verbessern. Kurz gesagt: Es geht nicht nur darum, Vakanzen zu füllen, sondern darum, Recruiting strategisch zukunftsfähig zu machen.
Mag. Marie-Stefanie Spitzy:
Personalausfälle in meinem Fall eher generalistischer Natur, um das Werk am Laufen zu halten. Also Verrechnung, Administration und auch ganz viele arbeitsrechtliche Fragen/Begleitung.
Mag. Valerie Ferencic, MSc (VF Consulting):
Interim Management ist individuell von Organisation zu Organisation unterschiedlich zu definieren. Aus meiner Erfahrung geht es aktuell besonders um den Aufbau von skalierbaren Strukturen und effizienten Prozessen im Startup-, Scaleup- und KMU-Bereich.
Außerdem bleibt Recruiting eine zentrale Aufgabe, wird jedoch zunehmend wieder ins Unternehmen integriert. Dabei ist die Begleitung der internen Teams im Prozess entscheidend, um Know-how aufzubauen. Die Verbindung mit Employer Branding ist wichtig, da sich Unternehmen stärker als attraktive Arbeitgeber positionieren müssen. Neben Führungskräfteentwicklung und Compensation & Benefits, ist im HR Interim Management natürlich Change Management ein ständiger Begleiter, wenn neue Strukturen etabliert werden – oft auch im Zusammenhang mit Kulturentwicklung und Mitarbeiterbindung.
Maximilian Kraft (Pates)
Recruiting und Talent Acquisition (zur schnellen Besetzung vakanter Schlüsselpositionen), Personalentwicklung (insbesondere beim Aufbau moderner Lern- und Führungskonzepte), Vergütung und Benefits (wenn es um die Einführung marktkonformer, flexibler Systeme geht), Change Management (zur Unterstützung von Umstrukturierungen und Kulturwandel), HR-Prozessoptimierung(etwa beim Aufbau effizienter HR-Shared-Services).
MMag. Nicole Ladich (Interim4HR)
Bei interim4HR decken wir vor allem operative Rollen ab – natürlich immer mit strategischem Blick fürs große Ganze. Besonders gefragt sind HR Business Partner, HR Manager, HR Generalists, Recruiter sowie die komplette Auslagerung von HR-Agenden bei kleineren Unternehmen. Auch bei der Einführung oder Optimierung von HR-Software (insbesondere Sage dpw) werden wir regelmäßig hinzugezogen. Wir werden in Phasen von erhöhtem Arbeitsvolumens, oder zur Überbrückung bei Ausfällen geholt – geplant oder ungeplant. Darüber hinaus begleiten wir Veränderungsprozesse, etwa im Zuge von Reorganisationen, M&A oder Kulturwandel. Weil wir operativ mitarbeiten und gleichzeitig strategisch agieren, sind wir immer nah an den handelnden Personen dran und können so Veränderungen besser begleiten.
Interim Management in KMU und Konzern
Wie unterscheiden sich die Anforderungen an HR Interim Manager in Start-ups, Mittelstand und Konzernen?
Maximilian Kraft (Pates):
In Start-ups: starke Hands-on-Mentalität, Aufbauprozesse und schnelle Skalierung. Eher generalistischer Ansatz mit dem Wunsch einer sehr starken Umsetzung. Hohe Flexibilität und Kreativität gefragt.
Mittelstand: Fokus auf Pragmatismus, Umsetzungsstärke und enge Zusammenarbeit mit Inhabern. Vermittlung zwischen Tradition und Modernisierung.
Konzerne: komplexe Strukturen, Konzernrichtlinien und internationale Ausrichtung. Fähigkeit, komplexe Entscheidungswege zu navigieren.
Überall nötig: schnelle Einarbeitung, diplomatisches Geschick, hohe Fachkompetenz. Verständnis für unterschiedliche Unternehmensziele und Stakeholder-Anforderungen. Angepasste Kommunikation auf allen Ebenen – vom Gründer bis zum Vorstand.
MMag. Nicole Ladich (Interim4HR):
Start-ups erwarten viel Pragmatismus, Tempo und den Aufbau von Strukturen bei begrenzten Ressourcen. Im Mittelstand liegt der Fokus häufig auf Professionalisierung, Effizienzsteigerung und der Einführung skalierbarer Prozesse. Konzerne wiederum schätzen unsere Erfahrung in komplexen Matrixstrukturen, Projektsteuerung und Stakeholder-Management. In KMU und Konzernen geht es oft um Vakanz-Überbrückung, während in Start-ups der Aufbau im Vordergrund steht – meist mit anschließender Übergabe an eine interne HR-Rolle. Dank unserer Teamstruktur bei interim4HR decken wir unterschiedlichste Themenbereiche ab und arbeiten oft im Tandem, um einander optimal zu ergänzen. Davon profitiert besonders unsere größte Kundengruppe: KMU mit Bedarf an generalistischem Know-how. Gerade in kleineren Unternehmen übernehmen wir oft die gesamte HR-Funktion auf Abruf, da sich eine eigene HR-Kraft für das Unternehmen (noch) nicht auszahlt.
Fazit
Veränderung beginnt dort, wo Menschen ernst genommen werden – diese Haltung eint alle erfolgreichen Interim-HR-Managern im Gespräch. Widerstand? Kein Hindernis, sondern ein wertvoller Spiegel unterdrückter Potenziale. Der Schlüssel liegt in Kommunikation auf Augenhöhe, dem klugen Aktivieren von Multiplikatoren und einem empathischen Umgang mit Sorge und Skepsis. Fachlich gefragt sind flexible Generalisten, die Recruiting neu denken, Prozesse strukturieren und Führungskräfte entwickeln – mit Fingerspitzengefühl für die Kultur. Egal ob im agilen Start-up oder im regulierten Konzern: Interim-Profis bringen nicht nur Expertise, sondern auch Bewegung in festgefahrene Strukturen.
Interviewte Personen
HR-Interim-Management | Veränderung beginnt beim Nein. Erfolgsrezepte in sensiblen Phasen
MMag. Nicole Ladich
- Interim Managerin
- Interim4HR e.U.

Mag. Marie-Stefanie Spitzy
- HR Interim Managerin
- Marie-Stefanie Spitzy e.U.

Maximilian Kraft
- CEO
- Pates AG

Melanie Trommer, MA
- Personalexpertin
- Melanie Trommer e.U.

Mag. Valerie Ferencic, MSc.
- Eigentümerin
- VF Consulting e.U.
