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Polyworking | Job-Hopping auf Speed oder Rettungsanker der neuen Arbeitswelt?

29Sep2025
4 min
Polyworking

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Stellen Sie sich vor: Vormittags HR-Managerin, nachmittags Yoga-Coach, abends Content-Creator. Willkommen in der Welt des Polyworking, einer Arbeitsform, bei der ein einziger Job nicht mehr genügt.

Menschen jonglieren mehrere Rollen parallel: nicht als reine Notlösung, sondern oft als Lebenskonzept. Es geht um Diversität im Berufsleben, um Sicherheit durch mehrere Einkommensquellen. Und manchmal schlicht um die Frage: „Warum sollte ich mich mit nur einem Job begnügen?“

Weshalb ausgerechnet jetzt?

Weil die Welt uns keine andere Wahl lässt. Gefühlt zumindest für jüngere Generationen.

  • Krisenresistenz: Ein Job kann wackeln. Mehrere schaffen Stabilität.
  • Selbstverwirklichung: Wer im Hauptjob Zahlen jongliert, lebt vielleicht im Nebenjob die kreative Ader aus.
  • Flexibilität: Statt fester Ketten ein Mosaik an Möglichkeiten.
  • Karriere-Baukasten: Kompetenzen sammeln, die in einem einzigen Job nie zusammenkommen würden.
  • Neue Arbeitsrealitäten: Pandemie, Inflation, KI, … Die Welt ist komplexer geworden. Unsere Jobs passen sich an.

Polyworking ist damit kein „Hipster-Trend“, sondern Antwort auf Unsicherheiten und der Wunsch nach mehr Freiheit.

Polyworking als Chance für beide Seiten

Für die Arbeitenden

  • Mehr Einkommen, weniger Abhängigkeit
  • Abwechslung statt Hamsterrad
  • Breiteres Kompetenzportfolio
  • Resilienz in Krisenzeiten

Für die Unternehmen

  • Frischer Input aus anderen Branchen
  • Innovatives Mindset durch externe Impulse
  • Employer Branding: modern & flexibel
  • Zugang zu Menschen, die über Tellerränder schauen

Aber: Auch die Kehrseite zählt

Polyworking klingt wie Selbstbestimmung pur. Doch die Schattenseiten sind real:

  • Stress & Erschöpfung: Mehr Rollen bedeuten mehr Verantwortung und weniger Pause.
  • Qualitätsrisiken: Wer zu viele Bälle gleichzeitig jongliert, lässt irgendwann einen fallen.
  • Rechtslage: Arbeitszeitgesetze, Konkurrenzklauseln und Genehmigungspflichten bremsen Spontaneität.
  • Steuerchaos: Mehrere Einkünfte = komplexere Abgaben.
  • Wahrnehmung im Unternehmen: Wer „noch etwas nebenbei“ macht, wird nicht immer als loyal oder fokussiert gesehen.

Österreichs Besonderheiten

Polyworking in Österreich ist kein gesetzloser Raum. Im Gegenteil:

  • Nebentätigkeiten sind erlaubt, solange sie nicht den Arbeitgebenden schaden oder gegen ein Konkurrenzverbot verstoßen.
  • Teilzeitbeschäftigte dürfen nicht generell ausgeschlossen werden.
  • Arbeitszeitgrenzen gelten über alle Jobs hinweg. Wer also 40 Stunden fix angestellt ist und zusätzlich selbstständig arbeitet, muss die Obergrenzen beachten.
  • Sozialversicherung & Steuern: Hier wird’s kompliziert. Mehrere Einkommen bedeuten oft Nachzahlungen, unterschiedliche Beitragsmodelle und ein höheres Risiko für Fehlkalkulationen.

Kurz gesagt: Polyworking funktioniert in Österreich, aber nur, wenn man die Spielregeln kennt. Sonst wird es teuer.

Blick über die Grenzen

  • USA: Fast die Hälfte der Erwerbstätigen hat mehrere Jobs. Oft weniger Kür als Pflicht, denn die hohen Lebenshaltungskosten treiben an.
  • Indien: Polyworking ist Teil der Normalität. Sicherheit gibt es nur, wenn man mehrere Einkommensquellen parallel hat.
  • Nordeuropa: Hier ist es eher ein Lifestyle-Phänomen: Mehrfachrollen aus Freude und Selbstverwirklichung, weniger aus Zwang.
  • Österreich bewegt sich dazwischen: Einerseits gut abgesichert, andererseits durch Inflation und steigende Kosten immer stärker in Richtung „Polyworking aus Notwendigkeit“.

Polyworking & die Rolle von HR

Polyworking verschwindet nicht mehr. Und: es lässt sich nur gestalten. Was bedeutet das für HR?

  • Transparente Regeln: Klare Policies zu Nebenjobs schaffen Sicherheit für beide Seiten.
  • Gesundheitscheck: Burnout-Gefahr frühzeitig erkennen, Belastung offen thematisieren.
  • Weg mit Präsenzdenken: Ergebnisse zählen, nicht reine Verfügbarkeit.
  • Support statt Kontrolle: Beratungen zu Steuern, Recht & Sozialversicherung anbieten.
  • Polyworker nutzen: Sie bringen Netzwerke, Perspektiven und frische Ideen – genau das, was Unternehmen in Zeiten von Transformation brauchen.

Fazit

Polyworking ist beides: sowohl Job-Hopping auf Speed als auch Rettungsanker. Es kann überfordern oder stärken. Es kann Chaos stiften oder Vielfalt bringen.

Ob es Fluch oder Segen wird, hängt nicht vom Trend ab, sondern davon, wie klug wir damit umgehen. Für HR bedeutet das: nicht blockieren, sondern begleiten. Wer Polyworking versteht, gewinnt. Wer es ignoriert, verliert. Und wer heute noch über Polyworking staunt, wird morgen feststellen: Es ist längst Normalität.

Persönliche Überlegungen

Polyworking bedeutet nicht, 80 Stunden pro Woche zu arbeiten. Vielmehr geht es um die bewusste Gestaltung eines 40-Stunden-Modells. Verteilt auf unterschiedliche Jobs, die idealerweise verschiedene Interessen und Fähigkeiten abdecken und darüber hinaus die Möglichkeit bieten, sich weiterzuentwickeln. Das klingt im ersten Moment reizvoll: Mehr Vielfalt, mehr Selbstbestimmung, mehr Sinn.

Doch in der Praxis stellen sich Fragen: Wie leicht ist es, drei Teilzeitjobs zu finden, die nicht nur intellektuell fordern, sondern auch zeitlich, organisatorisch und kulturell zusammenpassen? Schon EIN anspruchsvoller Teilzeitjob mit Gestaltungsspielraum ist schwer genug zu finden. DREI davon, die sich ergänzen und nicht gegenseitig blockieren? Das wirkt ambitioniert.

Vieles am Polyworking-Modell scheint zudem eher auf selbstständige Tätigkeiten hinzudeuten. Mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung und Flexibilität. Doch wer macht sich in der Realität in drei komplett unterschiedlichen Sparten selbstständig? Auch das erscheint eher theoretisch als gelebter Alltag.

Polyworking bleibt ein spannender Trend. Mit dem Potenzial, neue Wege zu eröffnen. Aber ob sich das Konzept wirklich flächendeckend durchsetzt, bleibt fraglich. 

Let’s see!

Polyworking | Job-Hopping auf Speed oder Rettungsanker der neuen Arbeitswelt?

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