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Flexible Arbeitszeit. Österreich lebt es eher als „Gleitzeit“ & Co.

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Neue Arbeitswelten sind gefragt, flexibelste Arbeitszeiten gefordert. Zumindest internationale Studien sagen, die Zukunft seien definitiv flexible Arbeitszeitmodelle. Österreich … hm … ist dieser Trend tatsächlich in Österreichs Unternehmen angekommen? Ich frage Personalberater, denn diese blicken in 2 Richtungen: in die Unternehmen und auch auf den Bewerbermarkt.

HRweb-Beitrag: „Neue Arbeitswelten, flexible Arbeitszeiten: was sagen internationale Studien & Infografiken?“

Wie steht es um die kreative, die tatsächlich flexible Flexibilität?

Ich frage mich: Inwieweit sind Unternehmen und Bewerber bereit, sich auf neue Rahmenbedingungen (z. B.: Führungskraft in Teilzeit, Home Office, Jobsharing,…) einzulassen, um ihrem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und/oder auf neue Bedingungen einzugehen? Und: wird es von Bewerbern aktiv eingefordert oder auch nur angesprochen?

Es geht um die Stichwörter flexible Arbeitszeitmodelle Österreich & generell flexible Arbeitszeit Österreich. Wie sieht es aus Unternehmens-seitig, Branchen-seitig und Bewerber-seitig?

flexible-arbeitszeit-österreich UNTERNEHMENS-SEITIG

Gibt es Unternehmen, die vermehrt bereit sind, sich auf flexiblere Arbeitsbedingungen & flexible Arbeitszeitmodelle (Österreich im Fokus) einzulassen bzw. offen sind und gerne Neues ausprobieren? Wenn ja, wie sehen diese aus?

Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk (Pavelka-Denk Personalberatung): Wir sehen hier ein sehr heterogenes Bild. Manche Unternehmen würden gerne flexible Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellen, trauen sich aber nicht. Die Organisation sei dafür nicht bereit und es wäre zu riskant Produktivitätsverluste zu erleiden. Andere sehen Flexibilität im Sinne von Home-Office-Möglichkeiten, Arbeiten mit Notebooks und freier Zeiteinteilung bis zu einem gewissen Grad als selbstverständlich.

Mag. Verena Irrschik (Karrieremanufaktur): Nein, leider sehen wir diese Entwicklung bei unseren Kunden noch nicht! Die einzigen „flexiblen Arbeitsbedingungen“ die fast alle unserer Kunden ihren Arbeitnehmern bieten sind Gleitzeitmodelle.

Mag. Birgit Witzelsberger (Deloitte Consulting): Ja, es gibt diese Unternehmen in Österreich und laut einer Deloitte Studie zu diesem Thema sind die Angebote seitens der Unternehmen in Hinblick auf zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten sogar bereits vielfältig und weit verbreitet. Oft sind es internationale Konzerne (Vorreiter waren und sind z.B. IBM und Microsoft), die ihren Mitarbeiter die Möglichkeit zu Home Office geben bzw. dieses sogar explizit propagieren oder in denen Desk Sharing oder die komplett freie Wahl des Arbeitsplatzes in den Büroräumlichkeiten verbreitet ist. Bezüglich Arbeitszeiten haben sich Gleitzeitregelungen mit Kernzeit weitgehend durchgesetzt und sind das häufigste Arbeitszeitmodell in Österreich (63%), an zweiter Stelle (27 %) folgt Gleitzeit ohne Kernzeit, gefolgt von Vertrauensarbeitszeit mit 23 %. In 89 % der Firmen sind Auszeiten wie Sabbaticals grundsätzlich möglich, verbreitet sind auch verschiedene Teilzeitmodelle, sogar Teilzeitmodelle bei Führungskräften sind nicht mehr ausgeschlossen, aber kommen eher selten vor; weiter verbreitet bei Führungskräften sind verkürzte Arbeitswochen, d.h. eine Aufteilung der Arbeitszeit auf z.B. 4 oder 4,5 Tage statt auf die üblichen 5 Tage/Woche. Dies findet man bei namhaften größeren national und international tätigen Unternehmen in Österreich. Wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden Umgang mit flexiblem Arbeiten ist vor allem eine Unternehmenskultur, die von Vertrauen und Ergebnisorientierung geprägt ist.

Welche Vorteile bringt es einem Unternehmen flexible Arbeitsbedingungen anzubieten?

Mag. Verena Irrschik (Karrieremanufaktur): Ich denke dass man durch flexible Arbeitsbedingen vor allem wertvolles weibliches Potential besser nutze könnte. Die Vereinbarkeit von Job und Familie wäre im Allgemeinen (egal ob für Frauen oder Männer) wesentlich einfacher und Mitarbeiter entspannter und motivierter. Aber auch ältere Arbeitnehmer könnten besser eingebunden werden. Etwa durch Jobsharing-Konzepte zwischen jungen und älteren Arbeitnehmern oder in Form von Altersteilzeit.

Mag. Birgit Witzelsberger (Deloitte Consulting): In einer Zeit, die permanent schneller, vernetzter und kurzlebiger wird, ist Flexibilität nicht wegzudenken, schon gar nicht im Arbeitsleben: flexible Arbeitszeit und mobiles Arbeiten sind in Österreich auf dem Vormarsch und mit Sicherheit ein Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. Arbeiten, wo und wann man will etabliert sich als Kriterium, das Bewerber wichtig ist. Flexible Arbeitsbedingungen anzubieten erweitert die Zielgruppe um all jene Bewerber, für die dieses Maß an Freiheit aber auch das entgegengebrachte Vertrauen des Unternehmens in die Arbeit der einzelnen Mitarbeiter einen Wert darstellt. Zudem ist es möglich, auf größere Arbeitsmärkte zurückzugreifen, da Wegzeiten nicht mehr zwingend täglich anfallen. Darüber hinaus erlaubt mobiles Arbeiten Teilzeitkräften in vielen Fällen, mehr Stunden zu arbeiten als bei fixen Anwesenheitszeiten, wodurch vorhandene Potenziale von Mitarbeitern besser genützt werden können. Flexible Arbeitgeber sind mit Sicherheit attraktivere Arbeitgeber und haben im Recruiting Vorteile. Zudem wird Mobile Working oder Smart Working zunehmend ein wichtiger Aspekt beim Employer Branding.

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Sehen Sie eine Tendenz in bestimmten Branchen zu vermehrter Flexibilität hinsichtlich der Arbeitsbedingungen?

Victoria Petsch, BSc (Markus Baldauf Headhunting & Executive Search): Wir haben jahrelang Erfahrung in den Brachen IT, Consulting, Technik, Finanz und Bank sowie Vertrieb und kennen die jeweiligen Anforderungen an Fachkräfte sehr gut. Vor allem im Consulting wird Flexibilität und hohes zeitliches Engagement vorausgesetzt. Dafür gibt es wiederrum für Consultants neben den Kundenterminen flexiblere Home Office Möglichkeiten. Unsere großen Kunden in der IT Branche bieten teilweise flexible Arbeitsbedingungen. Home Office wird in den Arbeitsalltag eingebaut und flexiblere Arbeitszeitmodelle stehen auf dem Tagesplan dieser Unternehmen. Diese Möglichkeiten für Mitarbeiter implementieren sich aber nur langsam in Unternehmen Österreichweit.

Mag. Nicole Fabbro (APS Austria Personalservice): Ganz klar ist hier die IT-Branche anzuführen. IT-Mitarbeiter sind in der Regel zeit- und ortsunabhängig. Hier bietet sich die flexible Arbeitszeitgestaltung in Form von Home-Office, Gleitzeitmodellen und Ähnlichem an.

Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk (Pavelka-Denk Personalberatung): Die Tendenzen gehen klar in Richtung Flexibilität am Arbeitsplatz im Sinne der “New World of Work”. Allerdings ist es für uns auch etwas gehyped. Unternehmensbereiche, die Anwesenheit, Zusammenarbeiten oder manuelle Tätigkeiten erfordern, brauchen eher klare Abgrenzungen im Arbeitsumfeld.

Mag. Birgit Witzelsberger (Deloitte Consulting): Wir haben die Erfahrung gemacht, dass v.a. Unternehmen in den Bereichen Dienstleistung, Finanzbereich, teilweise im öffentlichen Bereich und in der Industrie offen für flexible Arbeitsbedingungen sind.

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Inwieweit fragen Bewerber schon direkt flexible Arbeitsbedingungen nach? Gibt es Bewerber, für welche dies ein wichtiges Kriterium darstellt, wenn nicht sogar ein k.o.-Kriterium darstellt? Haben Sie konkrete Einzelbeispiele einerseits und sehen Sie bereits einen generellen Trend andererseits?

Mag. (FH) Hermann Pavelka-Denk (Pavelka-Denk Personalberatung): Bewerber fragen vermehrt nach flexiblen Arbeitsbedingungen, was nicht heißt, dass es nicht auch viele gibt, die ein vorgegebenes Korsett bevorzugen und sich da wohler fühlen. Flexible Arbeitsbedingungen können ein Selling Point für einen Job sein, muss aber nicht. Die Bandbreite der Wünsche hier, wem es wie gefällt wird breiter und somit auch für Unternehmen, Personalisten und Führungskräften komplexer in der Herausforderung zu bewältigen, welche die passenden Talente für deren machbaren Arbeitsbedingungen sind.

Victoria Petsch, BSc (Markus Baldauf Headhunting & Executive Search): Die Nachfrage und das Interesse nach flexiblen Arbeitsbedingungen bei Kandidaten sind hoch. Immer öfter wird speziell nach Home Office und Teilzeitmöglichkeiten gefragt. Bereits viele Männer gehen in Karenz und legen hier auf die Unterstützung ihres Arbeitgebers großen Wert. Der Wunsch, das Arbeits-, Familien- und Freizeitleben unter einen Hut zu bringen wird immer größer und die Prioritäten der Kandidaten veränderten sich in den letzten Jahren. Vor allem wenn eine junge Familie im Mittelpunkt steht, sind flexiblere Arbeitszeitmodelle ein guter Ausgleich.
Viele Kandidaten mit besonderen Wünschen nach flexiblen Arbeitsbedingungen tun sich schwer diese im Bewerbungs-Prozess konkret und klar zu äußern. Sie denken, dass die Anfrage nach flexibleren Modellen ein Knock-Out-Kriterium für viele Unternehmen darstellen könnte. Wir geben unseren Kandidaten immer den Tipp, so offen und eindeutig wie möglich zu kommunizieren. Am besten ist es, diese Wünsche im CV bzw. im Bewerbungsschreiben zu platzieren. Klare Verhältnisse und eindeutige Bedingungen sind hier die oberste Voraussetzung. Wir legen großen Wert auf kommunikative Zusammenarbeit und wünschen uns auch von Kandidaten frühzeitig bestimmte Wünsche mitgeteilt zu bekommen.

Mag. Verena Irrschik (Karrieremanufaktur): Flexible Arbeitsbedingungen werden vor allem von jungen Bewerbern (bis 25) nachgefragt und gewünscht. Für viele spielt das Thema Work-Life-Balance eine große Rolle. Die Kandidaten haben Hobbys (wie Sport, Reisen oder ähnliches) oder möchten einfach Zeit für Familie und Freunde haben. Dazu kommt, dass flexible Arbeitsbedingungen für viele Freiheit und eine wichtige Form der Selbstbestimmung bedeuten, die dieser Generation besonders wichtig sind.

Mag. Nicole Fabbro (APS Austria Personalservice): In den letzten Jahren hat sich die Frage nach einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung deutlich erhöht und stellt durchaus auch ein k.o.-Kriterium dar.
Ein gutes Beispiel sind hierbei Eltern mit Kindern: Viele Mütter und Väter begrüßen eine Gleitzeitregelung in ihrem Unternehmen um weder Arbeit noch Familie vernachlässigen zu müssen und die Möglichkeit zu haben sich die Zeit selbständig organisieren zu können.
Wir erleben es in unserer Branche nach wie oft sehr häufig, dass wir gute Bewerber, die auf eine flexible Arbeitszeitgestaltung angewiesen sind, nicht einstellen können, weil Unternehmen nach wie vor auf ihre fixen Arbeitszeitmodelle beharren. Hier ist mit Sicherheit noch ein Umdenkprozess notwendig.

Fazit

Flexible Arbeitgeber sind attraktivere Arbeitgeber mit Vorteilen im Recruiting, Employer Branding, Mitarbeiterzufriedenheit, etc. Die meisten Branchen sehen den Trend am Horizont, doch noch ist der Horizont ein wenig zu weit weg, um die Unternehmen tatsächlich flächendeckend zu überschwemmen. Tatsächliche Flexibilität scheint derzeit noch die Ausnahme darzustellen.

Und genau darin liegt der Vorteil jener Unternehmen, die bereits jetzt flexible Arbeitsbedingungen anbieten: sie können sich vom Mitbewerb abheben.

Nicht vergessen werden sollte in all dieser Flexibilitäts-Diskussion, dass nicht jeder Arbeitnehmer erpicht darauf ist, hoch-flexibel zu arbeiten. Viele arbeiten liebend gern an einem bestimmten Schreibtisch mit einem stabilen Team zu einer vorgegebenen Zeit. Doch genau darin liegt die Flexibilität: jene, die Stabilität bevorzugen, sollen diese auch künftig leben können (minus dem immer-anwesenden Team).

Ich persönlich bin gespannt auf die Weiterentwicklung!

 

Die Gesprächspartner

Flexible Arbeitszeit. Österreich lebt es eher als „Gleitzeit“ & Co.

 witzelsberger_birgit_deloitteMag. Birgit Witzelsberger
Senior Consultant

Deloitte Consulting GmbH


Autor Hermann Pavelka-DenkMag.(FH) Hermann Pavelka-Denk
Geschäftsführer

Pavelka-Denk Personalberatung

www.pavelka-denk.at


fabbro_nicole_apsMag. Nicole Fabbro
Leitung HR und Marketing, Prokuristin

APS Austria Personalservice GmbH & Co KG


HRwebMag. Verena Irrschik
Geschäftsführerin

Karrieremanufaktur


petsch_victoria_baldaufVictoria Petsch
Research Consultant

Markus Baldauf Headhunting & Executive Search


 

Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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