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Spätestens jetzt werden die Weichen für die Post-COVID Zeit arbeitstechnisch endgültig gestellt. Spätestens jetzt. Ist ein aktiv gestalteter Reboarding Prozess das Richtige? Ich habe so meine Zweifel.

 

 

Die derzeitige Phase rund um die auslaufenden kollektiven Schutzmaßnahmen aus den letzten Pandemie-Monaten ist in vielerlei Hinsicht herausfordern. Von makroökonomischen Fragen des globalen und nationalen Umgangs mit den Langzeiteffekten bis hin zur Mikroebene des eigenen Unternehmens. Das spannende an der aktuellen Phase: Die Realität in Unternehmen gehen so stark auseinander.

Jeder anders

Während die Bauwirtschaft gerade einen Boom erlebt, viele Produktionsbetriebe schrittweise auf Normalbetrieb hochgefahren werden und Tourismus wie Gastronomie aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurden, gehen gerade im Angestelltenbereich die Realitäten stark auseinander. Während manchen Firmen noch zu 100% in Homeoffice sind, sind andere schon wieder zu 100% im Normalbetrieb. Und viele versuchen sich mit Schicht- und Rotationsmodellen und damit Belegungsquoten. Man sucht vergebens den gemeinsamen Nenner.

Reboarding – passend oder unpassend?

Oft liest man derzeit, dass man in dieser Phase – analog zum Reboarding nach langen Krankenständen – mit Mitarbeitern aktiv einen COVID-Reboarding Prozess starten sollte. Im Sinne einer angenehmen und wertschätzenden Rückkehr ins Büro. Aus meiner Sicht greift der Gedanke an mehreren Stellen zu kurz oder sogar fehl:

  • Reboarding sendet falsche Botschaft
    Reboarding meint üblicherweise die Wiedereingliederung nach langem Nicht-Kontakt. Ich hoffe alle die Heimarbeiter da draußen waren mit ihren Firmen durchaus im Kontakt – wenn auch nicht physisch vor Ort. Meiner Ansicht nach muss die Phase der „Rückkehr vor Ort“ natürlich sorgsam gestaltet sein, aber Reboarding als Begriff dramatisiert aus meiner Sicht die Realität. Sehr wohl ist Reboarding in anderen Betrieben nach vielleicht 14 Monaten Kurzarbeit oder in der Gastronomie nach Monaten der Schließung angebracht.
  • Reboarding ist keine alleinige 1:1 Aufgabe
    Oft entsteht der Eindruck, dass es um das individuelle Reboarding aller Einzelmitarbeiter geht. Ja und nein. Aus meiner Sicht ist es noch viel wichtiger auf der kollektiven Ebene zu arbeiten und sich die Frage zu stellen, wie Teams, Abteilungen und ganze Unternehmenseinheiten in Zukunft leben und arbeiten wollen. Reboarding betont die Einzelebene und vernachlässigt die Change Management Komponente zu stark. Es geht nicht nur darum auf einer Einzelebene Veränderungen zu besprechen, sondern als Team und Firma zu steuern.

Rückkehr in Etappen

Worin liegen nun die Hausaufgaben von Unternehmen, um die Rückkehrphase erfolgreich zu gestalten? Aus meiner Ansicht sind dies wohl die folgenden Schlüsselaufgaben:

1. Saftey first.

Ja, auch weiterhin muss der Gesundheitsschutz nach Punkt und Beistrich erfüllt werden. Es gilt Sicherheit zu geben und Paranoia zu vermeiden. Es gilt die unterschiedlichen Schutzbedürfnisse zu berücksichtigen. Auch gilt es Konzepte für die Zukunft zu entwickeln und aus dem Extremfall COVID19 auch für andere Situationen zu lernen. Und wir alle hoffen wohl auch, dass Präsentismus im Sinne von kranke Kollegen kommen ins Büro in der nächsten normalen Erkältungssituation auch etwas gemildert ausfällt.

2. Strategie, Struktur, Kultur – Evolution oder Revolution

Meist gibt es „Common Sense“, dass die letzten 16 Monate Pandemie die Arbeitswelt graduell für immer verändert haben. Die Zeit der Präsenzpflicht geht seinem Ende zu. Das neue Normal wird wohl eine Mischung aus Büro- und Heimarbeit sein. Wie der gelungene Mix in einem Unternehmen aussehen kann, muss wohl jeder Betrieb für sich und mit der Belegschaft gemeinsam herausfinden. Ebenso die Auswirkungen auf die HR-Strategie, die Aufbau- und Ablauforganisation, die dazu nötige Infrastruktur sowie eine die Möglichkeiten positiv nutzende Unternehmenskultur. Homeoffice wird kein „Goodie“ mehr sein und das Büro vermutlich stärker Ort der Begegnung und des Austauschs, nicht nur des nebeneinander Arbeitens. Und diese Veränderung bewusst zu gestalten ist für mich die wirkliche Herausforderung der Rückkehr. Für machen Unternehmen ist der Wandel radikal, für andere nur graduell.

3. Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren + zuhören!

Wer die Rückkehr-Phase nicht nur als „Rückkehr“ begreift, sondern als Neustart oder Übergangsphase, der wird auch den Bedarf an begleitender Kommunikation nicht unterschätzen. Es gilt diese Phase eher nach Prinzipien des Change Managements zu gestalten und Betroffene zu Beteiligten zu machen. Dabei gilt es nicht nur den strukturell-organisatorischen Themen zu managen, sondern auch den emotional-menschlichen Übergang zu gestalten. Und dabei achtsam zu sein, dass ggf. genauso viele Menschen derzeit einen Verlust empfinden, vermehrt im Büro sein zu müssen wie Menschen einen Gewinn empfinden, wieder mehr im Büro sein zu dürfen.

Aus meiner Sicht bringt die ausklingende COVID19 Phase damit einen breiten Teamentwicklungsbedarf in Unternehmen um die Post-Pandemie-Phase gezielt zu gestalten. Es geht nicht um simples „Reboarding“, es geht um „Neuerfinden“. Es geht nicht um Eingliederung und Reset der Vor-COVID19 Welt. Und es geht um einen bewussten Übergang.

Der Kardinalsfehler

Den größten Fehler, den ich derzeit bei Unternehmen erlebe, ist COVID19 für beendet zu sehen und damit zu übersehen, dass COVID19 nicht gleichzusetzen ist mit der Veränderung, die COVID19 in die Arbeitswelt gebracht hat. Damit meine ich: Bedürfnisse und Bedarfe haben sich verändert, Freiheiten wurden geschätzt, neue Belastungen wurden erlebt – es ist eine kollektive Bewusstseinsveränderung, die man für das eigene Unternehmen nutzen sollte. Denn nach der Krise ist vor irgendeiner anderen Krise.

Reboarding nach COVID19 – ein passender Begriff & ein gutes Konzept?

Mag. Gerd Beidernikl | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. Gerd Beidernikl ist geschäftsführender Gesellschafter von vieconsult, der Vienna Corporate Research and Development GmbH und Lehrvortragender für Organisationssoziologie.

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