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People Analytics

Daten sind das neue Gold des Informationszeitalters. Die Herausforderung der Vergangenheit war, an Daten zu kommen – die Herausforderung der Gegenwart  ist es, mit der Datenvielfalt sinnvoll und verantwortungsbewusst umzugehen. Nicht erst seit der DSGVO. Welcher Mindset herrscht in Ihrem Unternehmen?

INHALT

Seit rd. 20 Jahren begleite ich Unternehmen bei der Einführung und Durchführung von Mitarbeiterbefragungen.  Ich bin ein großer Fan und Befürworter evidenzbasierter Personalarbeit. Ich liebe Daten. Und dennoch sehe ich aktuell viele Entwicklungen, die ich auch kritisch beurteilen muss.

People Analytics braucht Empathie

Ich erkenne bei manchen Unternehmen zusehends die Gefahr, ZU SEHR auf Daten zu fokussieren. Diese Unternehmen scheinen zu vergessen, dass hinter jedem Dashboard, hinter jeder Visualisierung und jeder Statistik MENSCHEN stehen. In dem Ansinnen, Informationen zu erheben, Daten zu ordnen, bestimmte Kategorien zu bilden, Einstellungen und beschreiben und ggf. sogar Verhalten vorherzusagen, darf niemals eines vergessen werden: Die Datenquelle sind Menschen, nicht bloß Vollzeitäquivalente.

Was ich damit meine? Wir müssen auf den Umgang mit den Daten achten und wie wir diese nutzen. V.a. im Hinblick auf die Rück-Wirkung auf die Mitarbeitenden selbst.

  • Eine täglicher Pulse Check „Wie geht es dir heute?“ und das Management-Dashboard in Echtzeit trifft meist nicht den Bedarf der Belegschaft nach Dialog und Gehört-Werden.
  • Der Aufruf alles und jedes nach 5-Sternen zu bewerten kann vom Feedbackinstrument zum Bewertungsinstrument degenerieren und nicht mehr dem Ziel dienen zu lernen und besser zu werden.
  • Die kollektiv ausgewerteten Outlook-Daten und Microsoft Viva-Statistiken „wer kooperiert mit wem wie häufig“ oder „wie viel Zeit verbringt man in Meetings“ sind spannend, aber fördern wenig Vertrauen.
  • Die automatisierte Zeiterfassung, das Tracking von Software-Aktivitäten, Kamerauswertungen und Log-In/Log-Off der Schlüsselkarten erlauben  Bewegungsprofile die helfen können Logistik zu verbessern, oder gefühlt aber zur digitalen Fußfessel werden.

Eisbergspitze oder Trend

Vielleicht beschreibe ich Eisbergspitzen. Vielleicht beschreibe ich das schlechtest-mögliche Szenario. Und es gibt (zumindest in der EU) noch starke Grenzen durch DSGVO und Betriebsratsrechte. Zumindest was klassische IT-gestützte Themen anbelangt. Aber bei der Nutzung und den Spielarten von internen Befragungssystemen sehe ich schon ein degenerieren von Qualität und ein überhandnehmen von Quantität.

Um einen Harvard Business Review Artikel („Are People Analytics Dehumanizing Your Employees?“) von David De Cremer und Jakob Stollberger zu zitieren:

Once upon a time, organizations were made up of people. Today they consist of data. […] Introducing and reinforcing a mindset where people are reduced to their data can create a work culture that may harm performance and employee experience more than anticipated. Therefore, organizations adopting [people analytics] must not turn HR departments into IT departments focused on monitoring and optimizing workers‘ efficiency but must ensure they safeguard employee interests in empowering ways.

Darum geht es mir. Um ein Plädoyer für den verantwortungsvollen Einsatz von People Analytics im allgemeinen und Befragungen im Speziellen. Ich rede von Befragungen im Sinne von Feedback und Dialog, nicht von Monitoring von Stimmungen oder dem Vorhersagen zukünftigen Verhaltens (bspw. Fluktuationwahrscheinlichkeiten).

Empathie in Mitarbeiterbefragungen

Was man tun kann um dies zu verhindern? Hier wären meine Top-Empfehlungen – zumindest wenn es um Befragungen im Rahmen von People Analytics geht:

  1. Im Falle von Befragungen darf die Messgeschwindigkeit die Umsetzungsgeschwindigkeit nicht übersteigen. Widerstehen Sie der Versuchung zu glauben durch hochfrequente Befragungen ein Allheilmittel zu finden. Je mehr Sie messen umso schwieriger wird es auch laufend zu reagieren. Oft unterstellt man anonymen Befragungen die Schwierigkeit durch die Anonymität adäquat reagieren zu können. Dieses Problem würde bei hochfrequenten Befragungen noch weiter unterstützt da Echtzeit-Reaktion fast unmöglich ist.
  2. Führen Sie keine für Mitarbeiter intransparente Dashboards, Live-Statistiken und Indexwerte ein. Eine Befragung lebt von Vertrauen der Befragten in die Befragung selbst. Je weniger ich dem Prozess und den Prozessbausteinen vertraue, umso weniger Beteiligung wird stattfinden. Niemand braucht schon während einer Befragung ein inhaltliches Live-Stimmungsbild, wie sich mit jeder neuen Frage der Pool an Meinungen aufbaut. Wir sind nicht beim Eurovisions-Songcontest und einer Fernseh-Show.
  3. Jede Befragung wird im Lichte dessen ausgefüllt, was der Befragte glaubt, dass der Befragende mit den Ergebnissen tut. Ist das Ansinnen Dialog, so kann auch die Befragung Offenheit entwickeln und ehrliche Meinungen abbilden. Ist das Ansinnen Monitoring, so kann auch die Befragung erwünschte Antworten produzieren und eine Scheinwelt beginnen abzudecken. Eine oft vernachlässigte Gefahr.
  4. Sprachen Sie bei Befragungen nicht davon wie „Menschen sind“, sondern was „Menschen erleben“. Eine Befragung erhebt die Employee Experience, die Sichtweise der Mitarbeiter von dem, was sie in einer Organisation erleben. Begehen Sie nicht den Fehler Menschen als bspw. Nicht motiviert zu klassifizieren, nur weil diese bspw. Das Unternehmen derzeit nicht als Arbeitgeber weiterempfehlen. Vermeiden Sie es Typologisierungen zu erstellen und zu kommunizieren die die Belegschaft in die „Guten aka Motivierten“ und die „Schlechten aka Demotivierten“ teilen. Es sind nicht Unmotivierte, es sind maximal Menschen, die sich derzeit nicht motiviert fühlen. Und dies kann sich jederzeit ändern.
  5. Überdenken Sie ob Befragungen im Unternehmen zu Online-Chatforen werden, in denen man Antworten anschließend noch in Threats diskutieren oder anonymen hinterfragen soll. Aus meiner Sicht sollen Befragungen Dialog in Unternehmen auslösen, nicht ersetzen. Eine Befragung ist ein Hilfsmittel, ein Stimulus. Und soll nicht alles und jedes in eine Online-Applikation packen. Planen Sie daher immer einen Follow-Up auf Befragungen ein, der nicht nur online passieren soll.

Befragungen sind keine reinen Datenerhebungs-Instrumente für People Analytics. Befragungen folgen eher der Logik von systemischer Organisationsentwicklung, in der Betroffene zu Beteiligten gemacht werden.

Es soll um den Menschen gehen

Am Ende geht es darum Mitarbeitern ein Bild zu vermitteln, dass es Unternehmen bei People Analytics um mehr geht als reine Effizienzoptimierung oder Identifikation von Minderleistung. Unternehmen müssen der Belegschaft ein Bild davon vermitteln wo der Nutzen FÜR die Belegschaft liegen kann. Durch Transparenz, Dialog auf Augenhöhe und Wertschätzung.  Dazu braucht es mehr als ein Verfahrensverzeichnis und eine Betriebsvereinbarung. Es braucht Fingerspitzengefühl. Ansonsten besteht die Gefahr die brillanteste analytische Initiative in einen „Empathie-Gap“ zu führen, bei dem die Menschen nicht mehr mit wollen.

People Analytics – Sinnvoll wenn achtsam

Mag. Gerd Beidernikl | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. Gerd Beidernikl ist geschäftsführender Gesellschafter von vieconsult, der Vienna Corporate Research and Development GmbH und Lehrvortragender für Organisationssoziologie.

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