Flexibilität ist nicht nur eine Frage von Arbeitszeit und -ort, sondern eine grundsätzliche Haltung gegenüber den individuellen Lebensrealitäten der Mitarbeitenden und dem Umgang damit. Flexibilität wird so zu einem zentralen Erfolgsfaktor für die Mitarbeiterbindung.
Flexibilität am Arbeitsplatz – ein Schlagwort, das heute beinahe schon inflationär gebraucht wird. Unternehmen schmücken sich gerne mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, die sich bei näherem Hinsehen häufig auf „Gleitzeit“ mit unflexiblen Kernzeiten oder Homeoffice-Regelungen beschränken, die weder großzügig noch flexibel sind. Doch echte Flexibilität geht weit darüber hinaus.
Flexibilität beginnt im Kopf
Viele Unternehmen begreifen Flexibilität noch als ein Entgegenkommen gegenüber ihren Mitarbeitenden – als ein großzügiges Zugeständnis. Dieser Blickwinkel greift zu kurz. Wer Flexibilität wirklich lebt, versteht sie als beidseitigen Prozess: Es geht um das Austarieren von Unternehmenszielen und individuellen Bedürfnissen, denn am Ende geht es um Leistung und Erfolg – und zwar nachhaltig, langfristig.
Flexibilität ist keine Einbahnstraße und bedeutet, den Rahmen so zu gestalten, dass vielfältige Lebensmodelle – von Berufseinsteigenden, die parallel ein Studium absolvieren, über junge Eltern und Angehörige pflegebedürftiger Menschen bis hin zu erfahrenen Menschen im späteren Berufsleben, die nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen oder können – integriert und produktiv genutzt werden können.
Wichtig ist dabei auch, gängige Klischees zu hinterfragen: Weder die Gen Z noch die Ü50-Generation „will nicht mehr arbeiten“, wie oft behauptet wird. Noch nie war die Beschäftigungsquote bei jungen Menschen so hoch wie derzeit. Vielmehr bringen beide Gruppen ganz eigene Erwartungen, Werte und Erfahrungen in die Arbeitswelt ein. Wer ihnen echte Verantwortung überträgt und flexible Rahmenbedingungen schafft, erschließt Potenziale, die weit über klassische Karrieremuster hinausgehen – sei es durch frische Perspektiven junger Talente oder die umfassende Expertise erfahrener Mitarbeitender.
Hier beginnt die Herausforderung: Echte Flexibilität verlangt ein Umdenken auf allen Ebenen. Führungskräfte müssen lernen, Ergebnisse über Präsenzzeiten zu stellen. Mitarbeitende wiederum brauchen klare Ziele, Verantwortung ihren eigenen Weg gehen zu dürfen und den Mut, ihre Bedürfnisse klar zu kommunizieren.
Mehrdimensionale Ansätze statt eindimensionaler Lösungen
Gleitzeitregelungen sind ein guter Anfang, greifen aber oft zu kurz. Wer echte Flexibilität etablieren möchte, sollte über mehrere Dimensionen nachdenken:
- Zeitliche Flexibilität: Nicht nur Arbeitsbeginn und -ende variabel gestalten, sondern grundsätzlich, soweit es der rechtliche Rahmen und der Arbeitsinhalt zulassen, die Lage der Arbeitszeit nach individueller Leistungsfähigkeit festlegen lassen. Auch Modelle wie Teilzeit, Jobsharing oder projektbezogene Arbeitszeiten sollten nicht nur ermöglicht, sondern gezielt gefördert werden.
- Örtliche Flexibilität: Hybride Arbeitsmodelle und Remote Work sind gekommen, um zu bleiben – verbunden mit der nötigen Infrastruktur und Vertrauenskultur. Natürlich sollte dabei darauf geachtet werden, dass es noch ein soziales Miteinander gibt, doch auch hierfür gibt es mehr als verpflichtende Anwesenheitstage.
- Karriereflexibilität und Lebensphasenorientierung: Karrieremodelle sollten Zickzackbewegungen zulassen – Phasen intensiver Karriereförderung, Zeiten reduzierter Verantwortung oder bewusster Umstiege zwischen Bereichen müssen möglich sein. Wir sind keine Roboter. Unser Leben ist Veränderung. Arbeitsmodelle sollten an diese Veränderungen anpassbar sein. Zum Beispiel durch einen Wechsel von einer Managementkarriere in eine Expertenkarriere oder umgekehrt. Auch der mehrmalige Wechsel des Arbeitszeitausmaßes kann ein Ansatz sein.
Ein Blick in die Praxis
Bei uns ist das bereits gelebte Praxis. So setzen wir beispielsweise auf Nachfolge-Twinning: Erfahrene Mitarbeitende teilen sich in Übergangsphasen von bis zu eineinhalb Jahren Führungsaufgaben oder inhaltliche Verantwortung mit jüngeren Kolleginnen. Auf diese Weise bleibt wertvolles Wissen erhalten und der Einstieg in neue Rollen wird sanft ermöglicht. Dabei wird meist das Arbeitszeitausmaß nach Bedarf angepasst.
Auch das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestalten wir aktiv: So übernahmen beispielsweise zwei Mitarbeiterinnen während ihrer Elternteilzeit im Jobsharing-Modell gemeinsam die Verantwortung für eine Position. Dieses Modell ermöglichte es beiden, berufliche Weiterentwicklung und familiäre Verpflichtungen optimal zu verbinden. Nachdem sich ihre privaten und beruflichen Rahmenbedingungen verändert hatten, wurde das Modell wieder aufgelöst und durch individuell passende neue Arbeitszeitmodelle ersetzt. Ein gutes Beispiel dafür, dass Flexibilität bedeutet, Modelle nach Bedarf anzupassen: situativ sinnvoll, offen für Anpassung, sobald sich Lebensumstände ändern. Darüber hinaus ist die familiäre Verantwortungsübernahme von Vätern, sei es kurzfristig in der Alltagsorganisation oder längerfristig in einem Teilzeitarbeitszeitmodell, wie auch die von Müttern, gelebte Selbstverständlichkeit.
Flexibilität aktiv gelebt, gilt bei uns aber in vielerlei Hinsicht: So führt etwa einer unserer IT-Mitarbeiter zusammen mit seiner Frau ein Gasthaus, weshalb er in einem flexiblen Teilzeitmodell für uns arbeitet. Oder ein langjähriger IT-Mitarbeitender, der gleichzeitig auch Bürgermeister einer Gemeinde ist. Ihm hilft vor allem ein hohes Maß an örtlicher Flexibilität. So gelingt es, engagierte Mitarbeitende in unterschiedlichen Lebenssituationen langfristig zu halten.
Warum echte Flexibilität sich auszahlt
Flexible Organisationen profitieren doppelt: Sie gewinnen leichter Talente – insbesondere jene Menschen, die Freiheit und Selbstbestimmung hoch priorisieren – und sie erhöhen die Bindung ihrer bestehenden Mitarbeitenden. Auch Studien zeigen, dass flexible Arbeitsumfelder sowohl Engagement als auch Produktivität steigern. Zudem stärkt Flexibilität die Resilienz eines Unternehmens: Wer es gewohnt ist, flexibel zu arbeiten, reagiert schneller und souveräner auf externe Veränderungen.
Natürlich kostet echte Flexibilität Energie: Sie erfordert Dialog, Vertrauen und eine Kultur, in der Verantwortung nicht delegiert, sondern geteilt wird. Aber die Investition lohnt sich – nicht nur im Kampf um Fachkräfte, sondern für eine nachhaltige Unternehmenszukunft. Flexibilität zahlt sich aus, für Mitarbeitende und Unternehmen. Das bestätigt unter anderem eine durchschnittliche Verweildauer von über 10 Jahren in unserer IT & Security.
Fazit: Flexibilität als strategisches Prinzip
Echte Flexibilität ist mehr als ein Benefit auf der Karriereseite. Sie ist ein strategisches Prinzip moderner Arbeitsorganisation – und sie beginnt im Kopf der Führungskräfte. Es geht darum, den Menschen in seiner Lebenswirklichkeit ernst zu nehmen und Arbeitsumgebungen zu gestalten, die Individualität ermöglichen, ohne dabei den Unternehmenserfolg aus den Augen zu verlieren.
Wer sich heute auf den Weg macht, Flexibilität ganzheitlich zu denken und umzusetzen, wird morgen jene Arbeitswelt gestalten, in der alle, die das auch wirklich wollen, ihr Bestes entfalten können – Unternehmen wie Mitarbeitende gleichermaßen.
Echte Flexibilität | Viel mehr als nur Gleitzeit