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Kulturelle Vielfalt im Unternehmen als Strategie | Synergien mit Mut & Methode

15Mai2025
5 min
Kulturelle Synergien

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Interkulturelle Teams ergeben wunderbare Synergien. Heißt es. Doch das geschieht nicht automatisch. Wie entstehen diese Synergien und worin liegt ihr Mehrwert?

Autorin: Dr. Karin Schreiner ist interkulturelle Consultant und Coach (www.iknet.at)

Kulturelle Unterschiede als Ressource zu nutzen, kann zur Entwicklung von kulturellen Synergien führen. Das beleuchtet dieser Beitrag und geht auf die Hintergründe ein.

Praxis-Blick

Ein Beispiel aus der interkulturellen Unternehmenspraxis zur Veranschaulichung:

In der Zusammenarbeit eines österreichischen und indischen Teams in einem global agierenden Unternehmen kam es immer wieder zu Missverständnissen in der Kommunikation. Die indischen Kollegen gaben in den Augen der Österreicher immer wieder Versprechen ab, die nicht eingehalten wurden, wodurch langfristig geplante Zeitpläne bei der Lieferung durcheinandergerieten.

Es war nötig, in der Zusammenarbeit Kommunikationsmuster zu etablieren, die für beide Seiten akzeptabel waren und eine kultursensible Lösung darstellten: Eine Brücke zu bilden zwischen unterschiedlichen Vorstellungen im Umgang mit Terminen.

Beim Abwägen der kulturell unterschiedlichen Vorstellungen von vereinbarten Terminen, verbindlichen Zusagen und beweglichen Zeitrahmen versuchten beide Seiten, sich auf ein neues Terrain zu wagen: Die Österreicher erklärten sich bereit, ihr Verständnis von Terminzusage auszuweiten; das indische Team sagte zu, sich an den vereinbarten Zeitraum zu halten und innerhalb dessen zu liefern. Für beide Seiten war es nicht leicht, vom etablierten kulturellen Muster abzuweichen. Beide Seiten verließen ihre Komfortzone und sahen in diesem Zugang eine neue Handlungsoption, die ihnen diese interkulturelle Zusammenarbeit ermöglichte.

Was sind kulturelle Synergien?

Die Bedeutung von Synergien wird häufig im interkulturellen Kontext erwähnt. Unter Synergie wird das Zusammenführen unterschiedlicher Aspekte und Blickwinkel verstanden, mit dem Ziel, sich für Aufgaben- oder Problemlösungen von diesen unterschiedlichen Perspektiven inspirieren zu lassen und zu einem neuartigen oder innovativen Ergebnis zu kommen.

Nach dem Motto „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (Aristoteles) bietet ein synergetischer Zugang einen Blickwinkel, der Vielfalt fokussiert und daraus ein optimales Ergebnis generiert. Wesentlich dabei ist die Einstellung, dass sich verschiedene Zugänge, Konzepte und Prozesse gegenseitig ergänzen können.

Voraussetzungen

… um Synergien zu ermöglichen

Voraussetzung ist, dass bei einer Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team alle unterschiedlichen Zugänge von allen Beteiligten als gleichwertig angesehen werden.

Teamleitende und deren Teammitglieder, die synergetische Ansätze verfolgen, gehen davon aus, dass die unterschiedlichen Arten und Weisen, wie alle Beteiligten an eine Sache herangehen oder ein Problem lösen, verschieden sind, aber keine besser ist als die andere.

Das Zusammenführen mehrerer Arten und Weisen, um ein Problem zu lösen oder einen Prozess zu gestalten, bezeichnet einen synergetischen Vorgang. Ziel ist es, einen optimalen Weg für die Zielerreichung zu finden.

Schaffen von kulturellen Synergien

Der synergetische Ansatz geht davon aus, dass im interkulturellen Kontext auf der Grundlage kultureller Unterschiede optimale Lösungen ausgehandelt werden können.

Um zu einer synergetischen Lösung zu kommen, schlägt die amerikanische Interkulturalistin Nancy Adler vier Schritte vor:

  1. Beschreibung der Situation anhand der kulturell unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten;
  2. Interpretation der kulturellen Hintergründe mithilfe der kulturell unterschiedlichen Positionen der Beteiligten;
  3. Kulturelle Kreativität, indem kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beteiligten identifiziert werden, um in einem nächsten Schritt eine Kombination unterschiedlicher Zugänge wie z. B. Arbeitsweisen oder Umgang mit Terminen zu kreieren;
  4. Herstellen kultureller Synergie, indem synergetisch Vorgangsweisen definiert werden unter Berücksichtigung der kulturellen Positionen aller Beteiligten.

Dabei ist ein hohes kulturelles Bewusstsein aller Beteiligten sowie die Kompetenz zur Metakommunikation (das bedeutet die Fähigkeit, über Kommunikation zu kommunizieren) entscheidend, um zu einer optimalen Lösung zu kommen. Kulturelle Unterschiede werden bei diesem Prozess nicht als Hindernis betrachtet, das es zu überwinden gilt, sondern als Ressource.

Synergetische interkulturelle Zusammenarbeit

Das Schaffen von Synergien gründet auf einem pluralistischen Ansatz. Es werden für eine Lösung mehrfache Blickwinkel in Betracht gezogen und eingesetzt.

Der synergetische Ansatz bietet eine hervorragende Basis für eine interkulturelle Zusammenarbeit in kulturell diversen Teams. Indem die unterschiedlichen Positionen der Teammitglieder berücksichtigt werden, werden vielfältige Handlungsoptionen sichtbar. Das Team nutzt so seine Vielfältigkeit als Vorteil.

Da alle bei diesem Prozess involviert sind, haben sie das Gefühl, ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses zu sein.

Der synergetische Ansatz wurde von anderen Interkulturalisten auch aufgegriffen wie z. B. von der koreanisch-amerikanischen Interkulturalistin Young Yun Kim. Sie spricht von einer interkulturellen Persönlichkeit (intercultural personhood) und meint damit, dass Personen, die fundierte interkulturelle Kompetenzen entwickelt haben und quasi Interkulturalität leben, scheinbar widersprüchliche kulturelle Aspekte zu etwas Neuem verbinden oder unorthodoxe Lösungen finden können.

Der Vorteil von bikulturellen Personen

… bei der Schaffung von Synergien

Bei diesem synergetischen Ansatz können bikulturelle Personen wichtige Brückenbildner sein. Denn sie verfügen über fundiertes Wissen über ihre Kulturen und ein besonders hohes kulturelles Bewusstsein. Das macht es ihnen leicht, kulturelle Unterschiede generell wahrzunehmen.

Bikulturelle Personen leben mit kultureller Pluralität und sind es gewöhnt, zwischen kulturell unterschiedlichen Perspektiven hin und her zu switchen. Sie nutzen ihre unterschiedlichen Kulturen oder kulturellen Referenzrahmen, um ein Problem oder eine Aufgabe aus unterschiedlichen Perspektiven zu lösen. Und sie wählen die beste für die jeweilige Situation.

Sie sind daher prädestiniert, Synergien zu schaffen. Daher können bikulturelle Personen im beruflichen Kontext bei der Schaffung von Synergien (z. B. nach Nancy Adler) eine wichtige kulturvermittelnde Rolle spielen. Sie verstehen nicht nur die Hintergründe kultureller Unterschiede, sondern sie nehmen kulturelle Unterschiede auch dort wahr, wo monokulturelle Personen möglicherweise keine sehen, und sie so genannte blinde Flecken haben. Das bedeutet, bestimmte Vorgehensweisen oder Annahmen sind so selbstverständlich, dass sie auch in einem internationalen Kontext nicht hinterfragt werden.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der synergetische Ansatz zur optimalen Zusammenarbeit eines multikulturellen Teams neue Wege eröffnet, zu innovativen Zugängen führt und die Beteiligten zu wirklich interkulturellem Handeln führt.

Kulturelle Vielfalt im Unternehmen als Strategie: Synergien mit Mut & Methode

Quellen

  • Adler Nancy, International Dimensions of Organizational Behavior. South Western 2002 (4th edition)
  • Barmeyer Christoph, Busch Dominik (Hg.), Meilensteine der Interkulturalitätsforschung: Biographien, Konzepte, Positionen. Springer Verlag 2023
  • Brannen Mary Yoko, Culture in Context. New Theorizing for Today’s complex cultural organizations. In: Nakata (ed.), Beyond Hofstede. Palgrave Macmillan 2009
  • Kim Young Yun, Intercultural personhood: Globalization and a way of being, International Journal of Intercultural Relations 32 (2008) 359–368

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