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Die Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen wird von einigen Unternehmen als einmalige Übung gesehen. Doch das Gesetz verlangt Konsequenz und Nachhaltigkeit. Was heißt das in der Umsetzung?

Oft werden für die psychische Evaluierung nur Fragebögen verteilt, danach statistisch ausgewertet und bei den Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten abgelegt.

Doch damit ist eine gesetzeskonforme Evaluierung psychischer Belastungen noch nicht erledigt. Für die Evaluierung psychischer Belastungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz bedarf es mehrerer Schritte. Sehen wir uns das systematisch an.

HRweb

„Wir sind fertig mit der Erhebung. Was jetzt?“

Die Antwort auf die Frage hängt ein wenig von der Erhebungsmethode ab. Wie Sie sicherlich wissen, gibt es mehrere Varianten psychische Arbeitsbedingungen zu erheben. (siehe HRweb-Artikel: Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz … in KMU & Kleinstunternehmen)

Vor allem bei Fragebogenergebnissen muss zunächst beurteilt werden, welche Ergebnisse kritisch sind, also eine Gefahr darstellen. Es wird sicherlich auch Arbeitsbedingungen geben, welche zur nicht super sind, aber keine Fehlbelastung auslösen können und damit zu akzeptieren sind.

Nach eine schriftlichen Befragung haben Sie ja vor allem statistische Ergebnisse. Sind hier die Arbeitsbedingungen, die dahinter stecken bekannt oder können Sie sich manche Ergebnisse nicht ganz erklären? Dann ist wahrscheinlich ein Gespräch mit den Mitarbeitern oder ein Workshop ratsam. (Details siehe HRweb-Artikel: Gruppendiskussionen moderieren – Belastungen lösungsorientiert ermitteln bzw. Gesetzeskonforme Verbesserungsvorschläge durch Gruppendiskussionen erarbeiten)

Nach jedem Einsatz eines Messverfahrens (Beobachtungsinterview, Gruppendiskussion oder Fragebögen) ist es essentiell den direkten Führungskraft und weiteren Stakeholdern im Unternehmen Rückmeldung zu geben über die Ergebnisse in ihrem Bereich und über die weitere Vorgehensweise.

Wenn Sie bereits Maßnahmen(-vorschläge) am Tisch haben, fixieren Sie welche Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden und wer zuständig ist. (siehe dazu: Belastungen am Arbeitsplatz | Konkrete Schritte statt vager Ziele )

Idealweise haben Sie jemandem im Unternehmen, der regelmäßig an die Umsetzung erinnert. Wenn Sie eine Steuergruppe zur Evaluierung psychischer Belastungen eingerichtet haben, planen Sie hier auch regelmäßige Treffen ein nach der Ergebnispräsentation um die Umsetzung der Maßnahmen im Auge zu behalten.

HRweb

„Wir haben die meisten Maßnahmen umgesetzt. Ist die Evaluierung jetzt vorbei?“

Wichtig ist zunächst die Information der Betroffenen (Mitarbeiter, Führungskräfte) zur Umsetzung  der Maßnahmen. Zeigen Sie klar auf, welche Maßnahmen Sie aufgrund der Evaluierung getroffen haben und wertschätzen Sie auch, wenn es gute Lösungsideen von den Mitarbeitern gab, die umgesetzt werden konnten.

„Arbeitgeber sind verpflichtet, für eine ausreichende Information der Arbeitnehmer über die Gefahren für Sicherheit und Gesundheit sowie über die Maßnahmen zur Gefahrenverhütung zu sorgen. Diese Information muss die Arbeitnehmer in die Lage versetzen, durch eine angemessene Mitwirkung zu überprüfen, ob die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden.“ (§ 12. (1) ASchG)

Auch wichtig: Informieren Sie die Mitarbeiter auch darüber, was nicht (!) umgesetzt werden konnte und weshalb.

„Alle wissen Bescheid. Sind wir endlich fertig?“

Wenn Sie die Maßnahmen umgesetzt haben und alle relevanten Personen darüber informiert haben, haben Sie erst Mal Zeit. Um die Maßnahmen vielleicht regelmäßig durchzuführen (wie regelmäßige Teambesprechungen). Oder um die Maßnahmen wirken zu lassen.

Je nach Maßnahme kann es unterschiedlich lange dauern, bis die Veränderung wirkt.

Beispiel 1: Der Drucker wurde aus dem Sekretariat entfernt und in den Vorraum übersiedelt, weil dort immer die anderen Kollegen zu tratschten begannen. Diese Maßnahme wirkt schnell. Ab dem Tag der Übersiedelung kann man im Sekretariat ungestörter arbeiten.

Beispiel 2: Die Mitarbeiter wünschen sich regelmäßiger Rückmeldung zu ihrer Tätigkeit. Es sollen in Zukunft, neben den jährlichen Mitarbeiter-Gesprächen, auch Reflexionsrunden nach Projektabschlüssen geben und wöchentliche Besprechungen der Kundenfeedbacks. Diese Maßnahme kann realistischerweise erst nach einigen Monaten bewertet werden, wenn mehrere Projekt abgeschlossen wurden und man abschätzen kann ob die Veränderungen dauerhaft umgesetzt wurden.

Empfehlung: Geben Sie der Gesamtorganisation ca. 1 Jahr Zeit um die Maßnahmen wirken zu lassen. Dann muss die Effektivität überprüft werden.

„Die festgelegten Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen, dabei ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzustreben.“ (§ 4 (4) ASchG)

Es geht letztendlich darum: Hat es wirklich geholfen? Hat sich etwas verändert?

Für die Evaluation einer Maßnahme kann das Modell von Kirkpatrick und Philips herangezogen werden. Es besagt, dass es verschiedenen Ebenen von Wirksamkeit gibt.

HRweb

In Bezug auf unser Thema hier kann dies so interpretiert werden:

  1. Reaktion – „Wie reagierten Mitarbeiter und Führungskräfte auf die Informationen?“
  2. Lernen – „Wissen sie mehr als vorher über die vorhandenen Belastungen?“
  3. Verhalten – „Wurden die Maßnahmen umgesetzt? Wurde Verhalten verändert?“
  4. Ergebnisse – „Gibt es einen Einfluss der Veränderungen/Maßnahmen auf die Effizienz/ Produktivität?“
  5. Return on Investment „Haben sich die Maßnahmen monetär ‚ausgezahlt‘?“

Wie kann man nun die Wirksamkeit von Maßnahmen bzw. veränderten Arbeitsbedingungen feststellen? Dazu gibt es viele verschiedene Wege und keine genaue gesetzliche Vorschrift. Hier mehrere Varianten:

  1. Gibt es messbaren Output bzw. eine konkrete, abhängige Variable? Dann messen Sie hier im Vergleich, ob es nun mehr bzw. weniger gibt.

Beispiele: weniger Fehler, weniger Ausschussware, weniger telefonische Rückfragen, mehr erzeugte Produkte bei gleichem Personaleinsatz …

  1. Sie können das Messverfahren der Erstevaluierung wiederholen und die Ergebnisse vergleichen.

Beispiel: Wiederholung der schriftlichen Befragung und statistischer Vergleich der Ergebnisse

  1. Systematische Befragung der betroffenen MitarbeiterInnen durch eine externe Person

Beispiele: Kurzinterviews durch Arbeitspsychologin, Begehung durch Arbeitsmedizin, Gespräche durch Betriebsrat/ Personalvertretung

  1. Kurz-Workshops zur Re-Evaluierung in welchem die Mitarbeiter den Stand der Umsetzung und den Grad der Wirksamkeit einschätzen

Wählen Sie überlegt aus, welche Form der Überprüfung in Ihrem Unternehmen Sinn macht und welche Ressourcen Sie dafür zur Verfügung haben.

„Müssen wir das jetzt jedes Jahr machen?“

Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, in welchem zeitlichen Rhythmus die Ergebung wiederholt werden muss. Vielmehr bleibt der Gesetzgeber vage.

„Die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ist erforderlichenfalls zu überprüfen und sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.“ (§ 4 (4) ASchG)

Welche Anlassfälle gibt es um die Evaluierung, zumindest in bestimmten Abteilungen, wiederholen zu müssen?

„Eine Überprüfung und erforderlichenfalls eine Anpassung im Sinne des Abs. 4 hat insbesondere zu erfolgen:

1. nach Unfällen,

2. bei Auftreten von Erkrankungen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sie arbeitsbedingt sind,

2a. nach Zwischenfällen mit erhöhter arbeitsbedingter psychischer Fehlbeanspruchung,

3. bei sonstigen Umständen oder Ereignissen, die auf eine Gefahr für Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer schließen lassen,

4. bei Einführung neuer Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe oder Arbeitsverfahren,

5. bei neuen Erkenntnissen im Sinne des § 3 Abs. 2 und

6. auf begründetes Verlangen des Arbeitsinspektorates.“ (§ 4 (5) ASchG)

Im Falle der Evaluierung psychischer Belastungen sind hier vor allem folgende Punkte Warnsignale:

  • Fälle von Burnout o.ä. psychischen Erkrankungen, die ev. arbeitsbedingt sind
  • Häufung von Konflikten oder Beschwerden
  • Gewaltübergriffe oder tödliche Arbeitsunfälle
  • Hohe Fluktuation, v.a. Wechsel der Führungskräfte
  • Change-Prozesse, Umstrukturierungen, Eröffnung neuer Standorte

Viel Erfolg bei der Umsetzung!

Psych. Belastungen am Arbeitsplatz | Wann ist die Pflicht erfüllt?

Mag. Veronika Jakl | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. Veronika Jakl ist Arbeits- und Personalpsychologin. Sie begleitet mit Ihrem Team Organisationen bei Veränderungen und führt Evaluierungen psychischer Belastungen durch. Führungskräfte und HR-Mitarbeiter trainiert sie in Kommunikation und Führungsfragen. Sie ist Vorstandsvorsitzende des Fachforums für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie.

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