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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Einen wahren Flächenbrand löste der Skandal um die sexuellen Belästigungen von Harvey Weinstein weltweit aus. # metoo wurde zu einem Symbol des Kampfes gegen jede Form der sexuellen Belästigung und hat bis zu uns, etwa zuletzt über die Vorwürfe gegen den Österreichischen Skiverband, seine Kreise gezogen.

Und gerade letzterer Fall und der offenkundig unprofessionelle Umgang der mit zu viel Macht aufgepumpten Funktionäre zeigt, wie wenig sich die Öffentlichkeit, aber auch Unternehmen über die Problematik bewusst waren und sind. Doch das ändert sich seit # metoo spürbar und veranlasst auch immer mehr Betriebe, sich dem Thema Sexismus und sexueller Belästigung anzunehmen. Zu Recht, denn viel zu lange wurden diese Probleme ignoriert.

Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind weit verbreitet | # metoo

Dass man Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz klein halten möchte, ist ein Phänomen, das aus vielen Teilen der Erde bekannt ist. Je traditioneller, je patriachalischer eine Gesellschaft ist, desto größer die Scham der Opfer und die Furcht vor Repressalien, die dazu führen, dass man über die Vorkommnisse nicht spricht. Die jetzt erst bekanntwerdenden Details über „Initiationsriten“ wie das „Pastern“ in Sportschulen zeigen das Phänomen deutlich.

Dabei sind Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz weiter verbreitet als man annehmen möchte. Der Büroartikelhändler Viking etwa hat im Oktober 2017 unter 1.000 deutschen Arbeitnehmerinnen deren Erlebnisse mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erhoben. 38% gaben dabei an, derartiges bereits erlebt zu haben. Neben der Ungleichbehandlung beim Gehalt, die 17 % bereits erlebt haben, waren es bei mehr als jeder achten Befragten sexistische Witze und Kommentare. Zum Beispiel über die Kleidung, Hormone, Menstruation oder Schwangerschaft. 4% gaben an, schon einmal gebeten worden zu sein, einen Kunden, Manager oder eine andere Person an einen männlichen Kollegen zu verweisen.

In einer Befragung von 211 Frauen des Linzer Market Institutes im nov2017 gaben 43% der Frauen an, schon einmal Ziel sexueller Belästigung gewesen zu sein. Bei den Befragten 198 Männern waren es 16%.

Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ignorieren

Die Vorkommnisse der letzten Monate und die metoo -Kampagne haben auch in Unternehmen dazu geführt, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Denn viel zu lange wurde sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ignoriert, teils aber auch komplett falsch verortet. Als ich unlängst in einem Diversity Workshop für Top-Führungskräfte von einem Teilnehmer beim Thema Sexuelle Orientierung darauf angesprochen wurde, „man müsse schon aufpassen, wenn man einen Lüstling unter den Beschäftigten habe“. (Anm: gemeint war hier ein homosexueller Mitarbeiter). Da konnte ich es mir nicht verkneifen, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die Lüstlinge wohl eher unter den männlichen, weißen, mittelalten Führungskräften zu finden seien. Ein betretenes Schweigen war die Folge. Aber man kann an solchen Beispielen gut erkennen, dass die Sensibilität unter (mit Macht ausgestatteten) Männern in Bezug auf Sexismus und sexuelle Belästigung eine Geringe ist.

Das ist insofern bedenklich, als dass nur ein hohes Bewusstsein über die Verwerflichkeit dazu führt, dass derartiges Verhalten unterbunden wird und Opfer es wagen, sich zu melden. In Schweden etwa werden rund 60 Vergewaltigungen je 100.000 Einwohner melden. In Österreich nur etwa zehn. Der Grund dafür liegt darin, dass man in Schweden sexuelle Belästigung und Vergewaltigung schon deutlich länger öffentlich besprechen kann. Und man kann darüber noch viel strenger diskutieren als hier zu Lande. Dies lässt sich unmittelbar auf Unternehmen umlegen. Nur dort, wo Unternehmen strikt und konsequent gegen Sexismus und Belästigung vorgehen und Opfern Angebote zur Meldung machen, mit denen ernsthaft und professionell umgegangen wird, können die Taten und Täter zurückgedrängt werden.

Unternehmen können viel gegen Sexismus und sexuelle Belästigung tun

Unternehmen, die sich dem Thema stellen wollen, haben viele Möglichkeiten, aktiv zu werden.

Klares Bekenntnis gegen Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

An erster Stelle steht das unmissverständliche Bekenntnis, als Unternehmen und Unternehmensleitung keine Form von Sexismus und Belästigung zu tolerieren. Aber ein Bekenntnis alleine reicht nicht aus. Es muss Teil der Kultur werden, dass derartiges Verhalten intolerabel ist. Erst wenn Führungskräfte sich gegenseitig aktiv darauf ansprechen, wenn ihnen unpassendes Verhalten auffällt und die oberste Leitung dies auch tut, zeigt das Bekenntnis echte Wirkung.

Verhaltenskodex / Code of Conduct

Ein Verhaltenskodex für Führungskräfte und Beschäftigte sollte ebenfalls unmissverständlich zum Thema Belästigung Stellung nehmen und anhand verhaltensorientierter Beispiele erläutern, welche Verhaltensweisen gemeint sind und vermieden werden sollen.

Meldemöglichkeit und professioneller Prozess danach

Im Unternehmen soll man eine Meldemöglichkeit schaffen, an die sich Opfer wenden können. Und auch Zeugen von Sexismus und sexueller Belästigung. Wesentlich für diese unabhängige Stelle ist ein klarer und professioneller Prozess, wie mit gemeldeten Vorfällen umgegangen wird. Nicht nur muss man diese dokumentieren, sondern auch nachvollziehbar bearbeiten. Natürlich unter Berücksichtigung der Privatsphäre der Opfer. Zudem sollten Opfer wie auch Zeugen Beratung über die möglichen Schritte erhalten.

Ungleichbehandlung aktiv bekämpfen

Alle Aktivitäten werden vermutlich nicht fruchten, wenn Unternehmen nicht gleichzeitig auch Ungleichbehandlung und vor allem strukturelle Ungleichbehandlung systematisch bekämpfen. Solange es toleriert wird, dass Beschäftigte unterschiedlichen Geschlechts unterschiedliche Chancen haben, verfestigt sich damit auch eine subtile Form des Sexismus in der Organisation. Weshalb führen Frauen in unserem Unternehmen die „niedrigeren“ Funktionen aus? Weshalb sind sie in anderen Verwendungsgruppen eingestuft? Wie sehr lassen wir es zu, dass Führungskräfte immer noch mögliche Schwangerschaften als Grund für eine Ablehnung überhaupt – wenn auch nur intern – aussprechen dürfen? Das sind nur einige der Fragen, die man stellen soll.

Führungskräfte an ihrem Umgang messen

You get what you measure. Diesem Spruch folgend ist es wesentlich, dass ein professioneller Umgang, das erlebbare Streben nach Gleichbehandlung, und die Zufriedenheit der Belegschaft auch Messgrößen sind, nach denen man die Führungsleistung bewerten wird. Viel zu selten finden sich ernst gemeinte Messgrößen dieser Art in den Zielvereinbarungen von Führungskräften.

Thema Diskriminierung und Belästigung abfragen

Auch Fragen zu Diskriminierung und Belästigung in anonymen Mitarbeiterbefragungen geben dem Thema Raum und ermöglichen, wichtige Rückschlüsse ziehen zu können. Fragen wie „Ich wurde bereits mindestens einmal im Laufe meiner Laufbahn im Unternehmen aufgrund meines Geschlechts (bzw. Alters, sexueller Orientierung, usw.) diskriminiert.“ zeigen, dass man es mit dem Kampf gegen Diskriminierung und Belästigung ernst nimmt und können wichtige Hinweise auf notwendigen Handlungsbedarf geben.

Schulungen und Information

Wesentlich sind auch Schulungen der Führungskräfte und regelmäßige Information der Belegschaft. Zu glauben, dass es keine Vorfälle gibt, nur weil keine gemeldet werden, ist kurzsichtig. Und man meldet diese dann, wenn Belegschaft und Führungskräfte entsprechend sensibel sind.

Auch wenn die Debatte manchen übertrieben vorkommen mag, so ist sie doch wichtig und macht auf ein viel zu oft ignoriertes Problem aufmerksam, dem sich verantwortungsvolle Unternehmen stellen sollten. Und sie möge bitte noch so lange andauern, bis keine Präsidenten mehr ins Amt gewählt werden, die sich öffentlich der sexuellen Belästigung schuldig sprechen, Parteiprogramme, die ein Geschlecht offenkundig diskriminieren, nicht mehr ungesühnt publiziert werden und Spitzenvertreter großer Organisationen selbständig den Spiegel in die Hand nehmen und sich bewusst werden, wo sie Teil des Problems sind. Es gibt noch viel zu tun bis # metoo Vergangenheit ist.


Weitere Informationen zu # metoo & sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

# metoo | Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Zeit zu Reagieren

Mag. (FH) Peter Rieder | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. (FH) Peter Rieder ist Gründer der Arbeitswelten Consulting sowie geschäftsführender Gesellschafter des Diversity Think Tank Austria und begleitet Unternehmen in den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Audit berufundfamilie), Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement.

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