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Das STOP-Prinzip gegen Stressfaktoren im Büro

12Nov2019
5 min
stop-prinzip

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Wie soll eine Organisation mit Gefahren umgehen? Welche Maßnahmen sind hilfreich und gesetzeskonform? Das STOP-Prinzip als Grundregel hilft!

Sie kennen Ihre Firma in- und auswendig. Sie wissen, wo die täglichen Stressfaktoren liegen. Vielleicht ist es der schleppende Informationsfluss, die fehlende Feedbackkultur seitens der Führungskräfte oder die mühsamen Machtspielchen, die hinter den Kulissen ablaufen.

Machen wir mal ein Beispiel zum STOP-Prinzip

In einer Ambulanz für physikalische Therapien arbeiten Ärzten, Physiotherapeuten und andere Dienstleister. Alle Patienten werden zunächst von den Ärzten begutachtet, damit die passende Therapieform und -intensität bestimmt werden kann. Anschließend erfolgt die Therapie, wie Heilmassage, Krankengymnastik oder auch Elektrotherapie. Aufgrund des großen Erfolgs gibt es bei den Ärzten sechs Wochen Wartezeit. Die Patienten haben dafür wenig Verständnis. In der Regel bauen sich in den sechs Wochen hohe Erwartungen auf. Die Patienten sind sehr fordernd, haben genaue Vorstellungen von der Wunschtherapie und wollen oft lange über ihre Krankengeschichte sprechen. Die Ärzte hingegen haben nur wenige Minuten Zeit, die Patienten zu begrüßen, sich einen Überblick über die Krankengeschichte zu verschaffen, die betroffenen Körperstellen zu untersuchen, sich für eine Therapie zu entscheiden und die Dokumentation anzufertigen.

Aber was wären hilfreiche Maßnahmen?

Wie soll eine Organisation mit technischen, medizinischen oder psychischen Gefahren umgehen? Jeder und jede hat das Recht so gesund nach Hause zu gehen, wie er und sie in die Arbeit gekommen sind. Arbeit soll und darf nicht krank machen. Deshalb sind Arbeitgeber für die Gesundheit von Beschäftigten verantwortlich, müssen Gefahren evaluieren, Verantwortliche für Maßnahmen festlegen, Notausgänge kennzeichnen, Schutzausrüstung zur Verfügung stellen und vieles mehr (siehe u.a. ⇒ ArbeitnehmerInnenschutzgesetz).

Die Prävention kennt hier das STOP-Prinzip, welches hilft, passende Maßnahmen zu finden. Aber was kann man tun, bei psychischen Gefahren? Bei Stressfaktoren wie Zeitdruck, mühsame Patienten oder schlechter Zusammenarbeit?

Auch hier kann das STOP-Prinzip helfen! Hier erläutere ich dieses Rahmenmodell anhand von zwei sehr unterschiedlichen Gefahren: Chemikalien und aggressiven Patienten. Beides kann für die Gesundheit von Beschäftigten sehr gefährlich werden! Aber oft fällt es Arbeitgebern leichter Maßnahmen bei Chemikalien zu treffen. Hier daher eine kleine Analogie:

1. Substitution

Wir sollten zunächst mit der Quelle der Gefahr starten. Das schreibt uns auch das Gesetz vor. Bei giftigen Chemikalien wird daher zunächst geschaut, ob diese durch ungefährliche Arbeitsstoffe ersetzt werden können.
Aggressive Patienten würden wir häufig auch gerne ersetzen durch höfliche Personen, aber dies bleibt ein frommer Wunsch. Aber man kann analysieren, was häufige Gründe für Beschwerden oder Gewaltursachen sind und entsprechend Abläufe verändern.

2. Technische Maßnahmen

Wenn es nicht möglich ist, die Quelle der Gefahr vollständig zu beseitigen oder zu „entschärfen“, dann werden technische Maßnahmen überlegt. Bei Chemikalien wird geschaut, welche Tätigkeiten Maschinen übernehmen könnten oder wie Absaugungen angebracht werden können um die Konzentration in der Luft zu verringern. Es werden also Schutzeinrichtungen angebracht um die Gefahren „einzusperren“.

Bei aggressiven Patienten können Glastrennwände bei Schalterarbeitplätzen helfen oder Tische zwischen den Personen um eine räumliche Barriere zu schaffen. Auch Alarmsysteme zählen zu technischen Hilfen, wie ein stiller Alarm, welcher durch einen Knopfdruck unter dem Tisch ausgelöst werden kann. Freie Fluchtwege für die Beschäftigten sollten bereits bei der Einrichtung von Arbeitsplätzen bedacht werden.

3. Organisatorische Maßnahmen

Als nächstes geht es darum die Arbeitsorganisation zu optimieren um den Menschen so oft wie möglich von der Gefahr zu trennen. Bei gefährlichen Chemikalien sollte die Arbeitszeit mit dem Arbeitsstoff so kurz wie möglich sein. Dadurch senkt sich die Beanspruchung der einzelnen Mitarbeiter.

Beim Stressfaktor Aggression sollte Alleinarbeit vermieden werden oder zumindest Kollegen in Rufweite vorhanden sein. Ganz wichtig ist auch ein verbindlicher Ablauf, wenn Patienten gegen die Hausordnung verstoßen oder beleidigend werden. Auch könnten Zutrittskontrollen eingeführt werden, wenn es um aggressive Bürger oder Kunden geht.

4. Personenbezogene Maßnahmen

Erst zu guter Letzt denken wir an Lösungen wie persönliche Schutzausrüstung, Unterweisung, Trainings oder auch Coaching. Das alles sind personenbezogene, oft verhaltensbezogene Maßnahme, welche nachrangig einzusetzen sind gegenüber Verhältnismaßnahmen (wie Substitution, technische Maßnahmen oder organisatorische Maßnahmen).

Bei aggressiven Patienten werden häufig Deeskalationstrainings und Selbstverteidigungstrainings angeboten. Natürlich kann dies einzelnen Mitarbeitern helfen sich sicher und wohler zu fühlen. Dies sollte jedoch nie die erste und einzige Maßnahme sein! Denn es ist keine dauerhafte Lösung. Wenn die Mitarbeiter die Organisation verlassen (egal aus welchen Gründen), dann ist dieses Wissen auch weg. Und der Einsatz des Wissens ist stark davon abhängig, welche Persönlichkeit und welche Vorerfahrung die Mitarbeiter mitbringen.

Neue, weibliche, körperlich kleine Mitarbeiter werden auch nach einem solchen Training wahrscheinlich anders auftreten als groß gewachsene Mitarbeiter, die bereits seit 20 Jahren diesen Job machen. Und diese werden sich vielleicht trauen das Wissen stärker einzusetzen.

Wichtig ist für die Prävention, auch bei psychischen Stressfaktoren, auf kollektiv wirksame Maßnahmen zu setzen. Auf Deutsch: Am besten Lösungen sind diejenigen, die allen Mitarbeitern helfen und nicht nur Einzelpersonen.

Diese Hierarchie von Maßnahmen gegen körperliche Gefahren und psychische Stressfaktoren stellt sicher, dass der Arbeitgeber an der Quelle ansetzt und seine Verantwortung wahrnimmt. Diese sollte nicht auf die Mitarbeiter abgeschoben werden mit der Aussage: „Dann pass eben besser auf!“. Schulungen allein oder Verhaltenshinweise sind keine ausreichenden Maßnahmen!

Eine praktische Lösung…

Kommen wir noch kurz zurück zu dem Beispiel vom Beginn:

Als Lösung für diese schwierige Situation ist eine Personalaufstockung die erste Wahl. Jedoch ist dies mit erheblichem finanziellem Aufwand verbunden, welcher sich nur bei gleichzeitiger Aufstockung der Therapeuten wirtschaftlich rechnen würde.

Um jedoch den emotionalen Druck für die Ärzte zu reduzieren, werden täglich durch das Sekretariat Zeiträume für Akutpatienten und Kinder reserviert. Diese warten zu lassen, wäre in vielen Fällen medizinisch unverantwortlich. Durch diese Maßnahme konnte die Wartezeit für diese besondere Patientengruppe auf drei bis fünf Tage reduziert werden, was sowohl für die Patienten als auch die Ärzte eine große Erleichterung brachte. Die Ärzte stehen in engem Austausch mit dem Sekretariat, um zu klären, welche Kriterien Patienten erfüllen müssen, um so einen schnellen Termin zu erhalten.


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