Inklusive Sprache ist kein Selbstzweck. Sie prägt unsere Unternehmenskultur und unser Miteinander. Dieser Sprachguide über Gendern lädt dazu ein, genauer hinzusehen: Was bedeutet es wirklich, inklusiv zu sprechen – gerade im HR-Kontext?
Inklusive Sprache in Unternehmen
In den letzten Jahren hat das Thema Gendern in der öffentlichen Debatte viel Aufmerksamkeit erhalten. Zwar durchaus zu Recht, wenngleich sich leider auch eine Empörungskultur etabliert hat, in der Menschen teils öffentlich dafür abgestraft werden, nicht korrekt zu gendern.
Und das oft obwohl sie noch gar nicht begriffen haben, etwas „falsch“ zu machen. Wir alle haben einen bestimmten Sprachgebrauch von klein auf gelernt, wie man Dinge benennt. Doch Sprache ist dynamisch und entwickelt sich. Genau wie die Awareness dafür, was wie gesagt werden sollte oder eben nicht.
Gerade HR hat hier eine besondere Verantwortung, zumal dieser Bereich nicht nur oft viel zur Kultur eines Hauses beiträgt, aber auch weil Inklusivität hier massiv beeinflusst wird. Wer aber inklusive Sprache auf das Gendersternchen oder die Doppelnennung von Geschlechtern reduziert, greift zu kurz. Inklusive Sprache bedeutet weit mehr: Sie ist ein Werkzeug, um Vielfalt sichtbar zu machen, Diskriminierung abzubauen und ein respektvolles Miteinander im Unternehmen zu fördern.
Was bedeutet inklusive Sprache wirklich?
Inklusive Sprache ist mehr als eine Ansammlung von Regeln. Sie ist ein Ausdruck von Haltung und Aufmerksamkeit. Ziel ist es, eine Kommunikation zu schaffen, die niemanden ausschließt – weder bewusst noch unbewusst. Dazu gehört:
1. Gendern – aber nicht nur
Natürlich ist geschlechtersensible Sprache ein wichtiger Bestandteil. Anstatt von „Mitarbeiter“ oder „Chef“ zu sprechen, sind Begriffe wie „Mitarbeitende“, „Teamleitung“ oder Doppelnennungen sinnvoll. Nachdem es viele Informationen zum Gendern gibt, lassen wir Details hier aus. Doch die Reduktion inklusiver Sprache auf Gendern greift zu kurz. Es geht auch um andere Formen der Zugehörigkeit und Diskriminierung.
2. Diskriminierende Begriffe vermeiden
Begriffe wie „Ausländer“, „die Behinderten“ oder „Farbige“ sind nicht nur sprachlich überholt, sondern transportieren eine Sichtweise, die Menschen auf einzelne Merkmale reduziert. Respektvoller ist eine personenzentrierte Sprache: „Menschen mit internationaler Geschichte/Menschen mit Migrationsbiografie“, „Menschen mit Behinderung“ oder – wo sinnvoll – die Selbstbezeichnung der betreffenden Person oder Gruppe, zB „Person of Color“.
3. Redewendungen mit problematischer Geschichte hinterfragen
Viele alltägliche Redewendungen tragen eine diskriminierende oder gewaltvolle Vergangenheit in sich. Beispiele:
- „Jemanden an den Pranger stellen“ – verweist auf mittelalterliche Strafpraktiken.
- „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ – negiert die Leidensgeschichten indigener Menschen
- „Durch den Rost fallen“ – geht auf NS-Geschichte zurück
Diese Redewendungen wirken oft unreflektiert, reproduzieren aber Stereotype oder diskriminierende Narrative. Besser ist es, auf neutrale Alternativen zurückzugreifen – etwa „öffentlich kritisieren“ statt „an den Pranger stellen“.
4. Archaische oder ausschließende Formulierungen überdenken
Auch Begriffe, die formal korrekt wirken, können ausgrenzend sein, wenn sie veraltet oder hierarchisch klingen. Dazu gehören:
- „Fräulein“ impliziert, dass der Familienstand einer Frau sprachlich relevant sei
- „Herr Doktor“ als Statussymbol
- „Heimat“ oder „Rasse“ – oft mit historisch-politischer Belastung
- „Blutiger Anfänger“ – brutale Sprache, besser „unerfahren“
- „Eine Idee abschießen“ – unnötig martialisch, besser „verwerfen“, „nicht berücksichtigen“
In der Unternehmenskommunikation ist eine moderne, klare und zugängliche Sprache zielführender.
5. Vielfältige Lebensrealitäten und Bildsprache einbeziehen
Sprache ist nicht nur das geschriebene oder gesprochene Wort – auch visuelle Kommunikation muss inklusiv gedacht werden. Denn Bilder sprechen oft lauter als Worte.
- Wer wird gezeigt? – Häufig sind Werbebilder und Karriereseiten noch von weißen, jungen, nichtbehinderten Personen dominiert. Werden Menschen mit sichtbaren Behinderungen, verschiedenen Hautfarben, Altersgruppen oder Kleidungsstilen gezeigt?
- Wie werden Menschen dargestellt? – In welchen Rollen erscheinen Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder queere Personen? Als Führungskräfte oder nur im Hintergrund?
Auch bei Texten gilt: Nicht jede Familie besteht aus „Mutter, Vater, Kind“, und nicht jeder Mensch feiert Weihnachten oder lebt in einer Zweierbeziehung. Inklusive Kommunikation repräsentiert Vielfalt, statt Normen unreflektiert zu wiederholen.
6. Einfache Sprache und Barrierefreiheit mitdenken
In Teams mit vielfältigen sprachlichen Hintergründen oder Mitarbeitenden mit kognitiven Einschränkungen kann einfache Sprache ein wichtiger Baustein für Teilhabe sein. Das bedeutet:
- Kurze Sätze und klare Strukturen (maximal 12 Worte, maximal ein Gliedsatz)
- Vermeidung unnötiger Fachbegriffe
- Verständliche Erklärungen für komplexe Themen
Gerade bei internen Informationen, Sicherheitsanweisungen oder Onboarding-Materialien lohnt sich der Blick durch die Barrierefreiheits-Brille.
Fazit: Sprache ist Haltung
Inklusive Sprache ist kein Modetrend und kein Zwang – sie ist ein Ausdruck von Respekt, Offenheit und Lernbereitschaft. Niemand wird alles sofort perfekt machen. Entscheidend ist die Bereitschaft, sich mit den eigenen Worten auseinanderzusetzen, blinde Flecken zu erkennen und aktiv daran zu arbeiten, Barrieren abzubauen.
Für Unternehmen, die Vielfalt als Stärke begreifen, ist inklusive Sprache ein mächtiges Instrument – nicht als Selbstzweck, sondern als Teil einer respektvollen Unternehmenskultur. Wer heute inklusiv kommuniziert, gestaltet aktiv die Arbeitswelt von morgen mit.
Tipp für die Praxis
Erstellen Sie ein internes Glossar oder eine Guideline für inklusive Sprache – mit Beispielen, Alternativen und Tipps zur Bildauswahl. Auch Workshops oder kleine Checklisten helfen, neue Perspektiven zu öffnen und Sprachgewohnheiten zu reflektieren.
Inklusive Sprache ist mehr als Gendern | Ein Sprachguide für HR
Lesen Sie auch den HRweb-Artikel: ⇒ He/him, she/her, they/them, xier – was es mit den Gender-Pronomen auf sich hat
Weitere Information
- Kostenloses E-Learning des Diversity Think Tank zu inklusiver Sprache unter www.diversitythinktank.at/diversity-tools