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Interkulturelle Kommunikation | Eigenheiten in Österreich (vor dem Hintergrund von Studien & Statistiken)

Interkulturelle Kompetenz, interkulturelles Lernen

Interkulturelle Kommunikation: Die interkulturelle Kompetenz in Wien ist hoch. Nehmen wir das mal als gegeben an. Heute will ich mich (und uns) mal an der eigenen Nase nehmen: wie ticken Österreicher & weshalb glauben wir interkulturelle Kompenz zu besitzen & wie sehen die interkulturellen Eigenheiten der Österreicher selbst aus & gibt es Studien und Statistiken dazu?

Experten-Interview

Internationale Unternehmen sind in Wien Alltag, ebenso wie die die Zusammenarbeit unterschiedlicher Nationen und Kulturen, Englisch zumindest als oft verwendete Sprache. Kein Wunder, dass sich so viel Kompetenz über interkulturelle Kommunikation in Wien sammelte, es finden sich ja ausreichend internationale Konzerne hier und für viele Unternehmen fungiert Wien als westlicher Angelpunkt zu Ost-Europa. In Wien ist es ein Leichtes, interkulturelle Kompetenz zu erwerben und sie auszuleben.

Was sagt das Fremdbild zur österreichischen interkulturellen Kommunikation, zur großen interkulturellen Kompetenz? Wie sieht die Situation für jene aus, die bspw. als Expatriates nach Wien kommen? Ohne schubladisieren zu wollen: welche kulturellen Eigenheiten hat „der Österreicher“ zu bieten? Was sagen internationale Studien & Statistiken zum interkulturellen Leben in Österreich?

Interkulturelle Kommunikation: Wie würden Sie die kulturellen Eigenheiten definieren, die internationale Mitarbeiter in Österreich vorfinden?

Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Nicht alle Menschen in Österreich sind gleich. Und trotzdem gibt es – wie in jeder Kultur – gewisse Wertehaltungen im Arbeitsleben, nach denen die meisten Menschen sich mehr oder weniger stark verhalten. Meine internationalen Trainees berichten mir immer wieder von folgenden Wertehaltungen, die ihnen bei den Menschen in Österreich besonders auffallen. Dabei kommt es immer darauf an, aus welcher Kultur sie stammen, denn erkennen kann man Unterschiede immer nur im Kontrast. Für einen Deutschen sind die Österreicher vielleicht indirekt, für einen Chinesen sind sie direkt. Den Deutschen etwa fallen besonders diese Unterschiede auf bzgl. interkulturelle Kommunikation:

  • Die österreichische Beziehungsorientierung im Arbeitsleben
  • Die indirekte Kommunikation: Negatives Feedback wird eher zwischen den Zeilen kommuniziert.
  • Harmoniestreben und Konfliktvermeidung
  • Eine gewisse Flexibilität im Umgang mit Regeln und Zeit
  • Die Bedeutung von Titeln bei gleichzeitiger geringer Machtdistanz
  • Und besonders für Menschen aus Deutschland: verfreundete Nachbarschaft, die gemeinsame Geschichte und ihre Folgen auf die gegenseitige Wahrnehmung.

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How): Kulturelle Eigenheiten österreichischer Mitarbeiter liegen in folgenden Aspekten: zunächst die Tendenz, wichtige Themen auf informeller Ebene untereinander zu besprechen, das heißt in informellen Meetings, in der Kaffeeküche oder beim Mittagessen. Für internationale Manager, die ins Unternehmen kommen (oft in Führungspositionen) ist es daher wichtig, auf dieser Ebene zu den Mitarbeitern Zugang zu finden. Das bedeutet diese Situationen wahrzunehmen und sich einzumischen, selbst wenn die Kollegen unter sich häufig Deutsch sprechen.
In Österreich ist es wichtig, in seiner Abteilung oder im Department niemanden zu übergehen. Entscheidungen werden zwar vom Manager bzw. der Führungsperson getroffen, müssen aber mit allen Beteiligten abgesprochen werden. Daher ist es wichtig, alle im Vorfeld zu informieren und in den Entscheidungsprozess miteinzubeziehen. Nichts ist gefährlicher als dabei wichtige Personen auf Schnittstellen zu übergehen, die einem dann das Leben durch passiven Widerstand schwer machen können. Diese Erwartungshaltung hat mit der Harmonie-Orientierung in Österreich zu tun.
Manager aus anderen Ländern werden mit einer gewissen Formalität in Interaktionen in Österreich konfrontiert, die ihnen oft fremd ist. Dazu gehört, dass akademische Titel in Ost-Österreich, das heißt vor allem in Wien, in der höflichen Anrede üblicherweise verwendet werden. Damit wird der soziale Status angezeigt, der durch ein akademisches Studium höher eingestuft wird und der betreffenden Person daher mehr Respekt entgegengebracht wird. Dahinter liegt die Wertschätzung dieser Person auf Grund ihres sozialen Status, aber auch eine Hierarchieorientierung. Diese Haltung ist immer gegenüber Personen aus anderen Ländern erklärungsbedürftig. In international tätigen Unternehmen fällt diese formelle Anrede meistens weg, wenn die Unternehmenssprache Englisch ist. Dennoch ist es wichtig, über diese formelle Umgangsform Bescheid zu wissen.
Trotz Hierarchieorientierung auf formeller Ebene trifft man in österreichischen Unternehmen auf flache Hierarchien. Mitarbeiter, die fachlich eine hohe Expertise aufweisen (dazu gehörten auch Facharbeiter), gelten als Experten und genießen hohes Ansehen und Wertschätzung. Daher besteht zwischen ihnen und ihren Vorgesetzten meistens ein gutes und auf Wertschätzung beruhendes Verhältnis. Diese Mitarbeiter arbeiten selbstverantwortlich und in ihrem Team. Sie sind gewohnt, in ihrem Arbeitsumfeld Entscheidungen zu treffen, die nur grob mit dem Vorgesetzten abgesprochen werden. Sie zu kontrollieren wäre für sie sehr demotivierend, da es als Vertrauensbruch angesehen wird. Gute Arbeit wird somit über gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung geliefert. Kontrolle hat hier keinen Platz. Manager aus anderen Ländern, die aus Unternehmen mit sehr steilen Hierarchien kommen, sollten sich über die flachen Hierarchien in diesem Kontext bewusst sein.

Petra Boteková (ICUnet.AG): Das hängt natürlich ganz stark von dem Ursprungsland des Mitarbeiters ab. Die Österreicher sind tendenziell beziehungsorientiert und indirekter in der Kommunikation. Ganz konkret bedeutet das, dass Unangenehmes oder Negatives nicht angesprochen wird und dadurch oft Konflikte vermieden werden und auf ein gutes Miteinander im Geschäftsleben genauso wie im Privatleben viel Wert gelegt wird. Somit tut sich z.B. der Deutsche öfters viel schwerer, da er genau andersrum tickt und noch dazu durch die gleiche Sprache und geografische Nähe keine bemerkbaren Kulturunterschiede erwartet. Auf der anderen Seite sind im Hinblick auf diese zwei kulturellen Dimensionen 80% der Länder auf der Welt den Österreichern ähnlich, allerdings können dann wiederum die Lebensgewohnheiten überraschen – wie z.B. dass am Sonntag alle Geschäfte zu haben, was man aus dem eigenen Land nicht kennt.

Chris Fuchs (KICK OFF): Internationale Mitarbeiter finden in Österreich Manager vor, die grundsätzlich vorsichtig und problemorientiert an Situationen herangehen. Schnelle Entscheidungen werden – ohne genügend Fakten zu haben – kaum gefällt. Der zentrale Wert ist „Sicherheit“.
Des Weiteren  sind österreichische Manager gegenüber neuen Konzepten bzw. Ideen, die emotional und überpositiv präsentiert werden, sehr kritisch eingestellt. Es herrscht die Tendenz vor, die Idee „zu zerlegen“, wenn diese als herausragend dargestellt wird.
In interkulturellen Teams agieren österreichische Manager sehr diplomatisch und pflegen einen zurückhaltenden Umgang, was durchaus positiv zu bewerten ist.

Weshalb ist bspw für Deutsche ein ein Österreich-Training sinnvoll (und umgekehrt)? Wir sprechen doch die gleiche Sprache.

Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Sprache ist nicht gleich Kultur. Kultur sind Wertehaltungen die sich in Verhaltensweisen äußern. Und genau diese Verhaltensweisen führen zu interkulturellen Missverständnissen. Etwa, wenn der Deutsche ein sehr direktes und sachliches Feedback gibt, dass der Österreicher als enorm unhöflich erlebt. Der Deutsche hatte aber überhaupt nicht die Absicht unhöflich zu sein. Er hingegen versteht die österreichische Indirektheit nicht und wundert sich, „was der eigentlich sagen will“ oder „dass der irgendwie hinterlistig ist, weil er ja nicht sagt, was er denkt“. Ein interkulturelles Missverständnis. Denn weder ist der Deutsche unhöflich, noch der Österreicher hinterlistig. Sie verhalten sich lediglich so, wie sie es in ihrer Kultur gelernt haben und nehmen dieses Verhalten als das Richtige und ihre Wahrnehmung als die stimmende Realität an. Fatal. Und gleichzeitig sehr menschlich. Wir alle machen das. Ständig. Deshalb sind auch Interkulturelle Trainings so wichtig, die weniger to do Listen über fremden Kulturen  – also Stereotype – vermitteln, sondern die sowohl auf der kognitiven, affektiven und der Verhaltensebene ansetzen.

Welche Themen werden von den Unternehmen im Global Mobility Bereich oft unterschätzt?

Petra Boteková (ICUnet.AG): Insbesondere das Thema der mitbegleitenden Familie. Mehrere Studien haben bereits bewiesen, dass die Unzufriedenheit des Partners einer der häufigsten Gründe für das Scheitern einer Entsendung ist. Ist der Partner unglücklich, wirkt sich das direkt auf das Wohlbefinden des Entsandten aus. Somit kann daran die Produktivität des Expatriates leiden oder die Entsendung kann sogar vorzeitig abgebrochen werden. Dabei lässt sich das durch unterstützende Maßnahmen ganz einfach vermeiden. Vor allem für Partner, die im Heimatland eine Karriere verfolgt haben, kann im Entsendeland nach Möglichkeiten gesucht werden den Karriereweg fortzusetzen bzw. nach anderen Tätigkeiten wie Weiterbildungen oder ehrenamtliches Engagement. Die Wichtigkeit dieses Entsendeaspektes haben allerdings bisher nur die wenigsten Unternehmen in Österreich erkannt, wobei es bereits seit Jahren ein Standard vor allem in den USA ist.

Ethnische und Gender Vielfalt in internationalen Teams in österreichischen Unternehmen?

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How): Ein Aspekt, der möglicherweise für internationale Manager aus anderen Ländern auffällt ist, dass sie in vielen Unternehmen auf höherer Managementebene und auf Führungsebene keine Vielfalt vorfinden, sondern diese Posten häufig mit männlichen Österreichern besetzt sind. Frauen oder Mitarbeiter mit Migrationshintergrund fehlen oft in diesen Positionen. Vor allem für weibliche Führungskräfte aus anderen Ländern kann diese Tatsache Erstaunen hervorrufen. Für österreichische männliche Manager wiederum die Tatsache, plötzlich eine weibliche Vorgesetzte zu haben. Das gleiche gilt für Personen mit unterschiedlichem ethnischem Hintergrund. Diversity-Trainings wären in diesem Kontext eine große Hilfe, um im Unternehmen das Bewusstsein für eine ethnische und gender-diverse Belegschaft zu stärken.

Vertrauensbildung im internationalen Kontext in österreichischen Unternehmen?

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How): Für Manager aus anderen Ländern ist die Vertrauensbildung immer eine der größten Herausforderungen. In Österreich muss eine Führungskraft zunächst ihre Expertise beweisen und rasch lernen, wie die regulären Abläufe im Unternehmen verlaufen. Das heißt es ist wichtig, sich gut auf offizieller und formeller Ebene bewegen zu können, Regeln und Vorgangsweisen anzuerkennen, um dann eventuell langsam Änderungen vorzunehmen. Aber die Akzeptanz des Bestehenden muss zunächst gegeben sein, damit die Person überhaupt akzeptiert wird und in die Innengruppe aufgenommen wird. Dahinter liegt eine kollektivistische Orientierung, auf deren Basis dann individuelle Abweichungen von den Regeln akzeptiert werden.

Wie ist die Feedback-Kultur in österreichischen Unternehmen bzw. der österreichischen Führungskräfte beschaffen?

Chris Fuchs (KICK OFF): Nur 33% der deutschsprachigen Manager fordern und fördern die Talente ihrer Mitarbeiter. Es herrscht die Tendenz vor, über Schwächen zu urteilen als über Stärken zu führen. Feedback geben stellt ein Lernfeld für den Großteil der österreichischen Manager dar. Speziell in interkulturellen Teams ist Feedback ein leistungssteigerndes Führungstool. Internationale Studien zeigen, dass positives Feedback bzw. Lob bis zu 36% leistungssteigernd wirkt. Bei vielen österreichischen Managern ist noch der Glaube verankert, dass Lob zur Stagnation führt.

In wie fern wird interkulturelle Kompetenz in Wien generell / in internationalen Unternehmen gelebt? Haben Sie internationale Vergleiche / Studien / Statistiken?

Petra Boteková (ICUnet.AG): Wien ist schon seit vielen Jahren die Global Mobility Metropole. Das Ergebnis der Internationalität in Wien sind rund 25.000 Entsandte, die zur Zeit in der Hauptstadt leben und arbeiten. Überdies verfügt Wien über eine historische Ost-Kompetenz mit rund 200 multinationalen Konzernen, die Wien als Standort für ihre Osteuropa-Tätigkeiten gewählt haben. Somit ist es kein Wunder, dass auch die interkulturelle Kompetenz in Wien deutlich stärker gelebt wird. Unserer Erfahrung als interkulturelles Beratungshaus nach, haben die in Wien ansässigen großen internationalen Unternehmen die Wichtigkeit bereits vor Jahren erkannt. Im Vergleich dazu wird in den anderen Bundesländern das Thema der Interkulturalität erst jetzt zum Begriff. Auf interkulturelle Qualifizierungsmaßnahmen wird erst zurückgegriffen, wenn Herausforderungen auftreten. Interkulturelle Trainings werden immer noch als „Luxusware“ gesehen. Die große Anzahl der Expatriates in Wien hat dagegen dafür gesorgt, dass das Thema hier viel präsenter ist.

Chris Fuchs (KICK OFF): In Relation zu internationalen Unternehmen in anderen Kontinenten beschäftigen sich österreichische Unternehmen relativ viel mit dem Thema der interkulturellen Kompetenz bzw. sind darauf fokussiert. Im Vergleich mit den westeuropäischen Ländern liegt Österreich im oberen Durchschnitt und im Vergleich zu  Osteuropa wird dieses Thema in Österreich wesentlich pro-aktiver gelebt.

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How): In Österreich sind mittelständische Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft. Diese haben oft langjährige Erfahrungen im internationalen Umfeld und sind oft äußerst kompetent in interkulturellen Fragen. Die österreichische Harmonie-Orientierung kommt dem erforderlichen Anpassungsprozess, der im internationalen Umfeld nötig ist, sehr entgegen. Daher kann gesagt werden, dass interkulturelle Kompetenz in Österreich kein Fremdwort ist. Junge Unternehmen haben den Vorteil, dass die Mitarbeiter häufig während ihres Studiums die Grundzüge interkulturellen Managements gelernt haben.

Danke für das spannende Interview zu interkulturelle Kommunikation & interkulturelle Kompetenz aus sehr österreichischer Sicht!

# interkulturelle Kommunikation


Die Gesprächspartner zu „interkulturelle Kommunikation“

Interkulturelle Kommunikation | Eigenheiten in Österreich (vor dem Hintergrund von Studien & Statistiken)

Karin Schreiner, Interkulturelle Kommunikation, interkulturelle Kompetenz

Dr. Karin Schreiner
Inhaberin

Intercultural Know How – Training & Consulting


interkulturelle Kompetenz, interkulturelle KommunikationDr. Iris Wangermann
Geschäftsführerin / Trainerin

Dr. Iris Wangermann – Interkulturelles Training & Beratung


botekova-petra-icunet-150Petra Boteková
Managing Director CEE

ICUnet.AG


fuchs-chris-kickoff-150Chris Fuchs
Geschäftsführer

KICK OFF Management Consulting GmbH


Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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