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Experten-Interview über die Basics interkultureller Kompetenz: von Definition über Zielgruppe bis zu Zeiten & Bereiche die besonders große Nachfrage bedeuten.

Um Fragen von Lesern zuvorzukommen, die lieber unsere fachlich tieferen Themen lesen:

Auch Grundlagen-Artikel sind wichtig, da wir – zusätzlich zu den sehr wissenden Lesern – auch eine Vielzahl an noch-nicht-wissenden oder am-Rande-interessierten Lesern haben. Nicht jeder hat alles bereits gehört, daher bieten wir auch gerne ganz grundlegende Information zu HR-Themen. So auch hier.

 

Was ist „interkulturelle Kompetenz“? Eine Definition.

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Interkulturelle Kompetenz ist ein Bündel sozialer und kommunikativer Fähigkeiten gekoppelt mit kulturellem Bewusstsein, wodurch ein kultureller Blickwinkel entwickelt wird, durch den wir Verhaltensweisen und Interaktionsformen in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext sehen und aus diesen heraus verstehen können.

Barbara Covarrubias Venegas (SIETAR Austria): Im antiken Griechenland am Tempel des Apollon in Delphi war deutlich folgender Spruch zu lesen: »Γνῶθι σαυτόν – Gnothi Seautón« – »Erkenne dich selbst«. Selbsterkenntnis, als Anfang jeden Lernens, kommt in den meisten großen Philosophien vor und wird oft  als Schlüsselkompetenz betrachtet. Auch für die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist diese Aussage prägend. Ohne Selbst-Reflexivität ist interkulturelles Lernen und die Entwicklung von interkultureller Kompetenz kaum möglich. Prof. Alexander Thomas beschreibt interkulturelle Kompetenz als »Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen«.

Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Zu den Interkulturellen oder Vielfalts-Kompetenzen zähle ich

  • Umgang mit unterschiedlichen Wahrnehmungen (Kann ich erkennen, dass es unterschiedliche Wahrheiten und nicht „die“ objektive Realität gibt? Bin ich guten Willens und in der Lage, mich in die Perspektive des Anderen zu versetzen?).
  • Ambiguitätstoleranz (Wenn ich mich die Perspektive des Anderen versetzt habe: kann ich diese Unterschiedlichkeit aushalten, ohne den Anderen dominieren, oder mich selber klein machen zu müssen? Kann ich Ungeklärtes auch mal stehen lassen und Widersprüche dulden? Kann ich ein sowohl-als-auch aushalten und konstruktiv damit arbeiten?).
  • Kultur-sensible, empathische Kommunikationsfähigkeit (Kann ich Zuhören, Nachfragen und mein Verständnis spiegeln? Bin ich mir bewusst darüber, was mein Verhalten bei Anderen auslösen kann? Bin ich in der Lage – bezogen auf unser gemeinsames Ziel – kommunikativ eine Lösung zu finden, die Stärken unserer beide Perspektiven beinhaltet?).
  • Sicherheit im Umgang mit mir selbst (Weiß ich um meine eigene, kulturelle Identität, wer und wie vielschichtig ich bin und kann ich mich in dieser Stabilität immer wieder in Frage stellen und dazu lernen? Bin ich bereit ständig neu zu lernen und Fremdes zu erkunden? Kenne ich meine eigenen Stärken und Schwächen?).

Den größten Fehler, den man – vor allem als langjährig Berufserfahrener – machen kann, ist die Sozial- und Experten-Kompetenz, die in der eigenen Kultur gut funktioniert, auch in anderen kulturellen Kontexten eins-zu-eins anzuwenden. Beispielsweise: Wenn eine österreichische Führungskraft zu viel Privates mit dem deutschen Team teilt, wird das meist als eher unprofessionell wahrgenommen und durchaus auch mal die Führungskompetenz in Frage gestellt.

Wer benötigt interkulturelle Kompetenz?

Dr. Alma Sehic (Fachhochschule des BFI Wien): Meist ist man sich schnell einig, dass interkulturelle Kompetenz vor allem Menschen brauchen, die regelmäßig im Ausland tätig sind, die für internationale Märkte/Arbeitsbereiche zuständig sind, oder/und die mit interkulturellen Teams zusammenarbeiten. Auf der anderen Seite leben wir wohl in einer Zeit in der die meisten von uns von interkultureller Kompetenz profitieren können. Denn wir leben und arbeiten mit Menschen, die einen Bezug zu anderen nationalen Kulturen haben, sei es, weil ihre Eltern ursprünglich aus einem anderen Land kommen, der Partner aus dem Ausland kommt oder sie selber lange im Ausland gelebt haben. Darüber hinaus können bedeutsame kulturelle Unterschiede auch zwischen Regionen innerhalb eines Landes ebenso bestehen.

Petra Boteková (icunet.ag): Jeder, der in einem internationalen Umfeld tätig ist. D.h. nicht nur der klassische Expat, sondern auch die Führungskraft, die ein internationales Team leitet, oder ein Mitarbeiter, der oft mit anderen Kulturen während seines Arbeitsalltags in Berührung kommt.

Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Heutzutage stellt sich eher die Frage, wer interkulturelle, oder Vielfalts-Kompetenz nicht braucht. Man braucht sie auf jeden Fall, um die Fragen nach den aktuellen Herausforderungen internationaler Unternehmen beantworten zu können: Wie schaffen wir eine agile Unternehmenskultur? Wie können wir angemessen mit der wachsenden Komplexität umgehen? Wie können wir uns als Firma schneller an das wechselnde Umfeld anpassen? Wie den kulturellen, digitalen Wandel erfolgreich meistern, und dabei die Menschen nicht aus den Augen verlieren? Wie die frischen Ideen der jungen Generation mit dem Wissen der erfahrenen Älteren zusammen bringen? Wie die immer größer werdende Komplexität meistern? Welchen Einfluss hat die Landeskultur auf die Entwicklung einer agilen Organisationskultur? Wie müssen wir in Zukunft mit dem Thema Hierarchien umgehen? Wie können wir in unseren Teams schneller Ideen finden und umsetzen? All das sind Vielfalts-Themen, bei denen die Interkulturelle Kompetenz ein Schlüsselfaktor im gelungenen Miteinander und Übergang sein kann.

Wann ist interkulturelle Kompetenz besonders gefragt?

Petra Boteková (icunet.ag): Immer dann, wenn man nicht mehr ausschließlich lokal agiert, sondern man z.B. ins Ausland expandiert. Interkulturelle Kompetenz hilft dann dabei, erfolgreich mit internationalen Partnern, Lieferanten und Kollegen zusammenarbeiten und die Potentiale der Mitarbeiter mit einer anderen kulturellen Herkunft zu erschließen.

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Wenn man in internationalen Teams arbeitet, bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten, als Führungskraft mit einer multikulturellen Belegschaft, wenn einem ein wertschätzender Umgang mit kultureller Vielfalt im Unternehmen und in unserer Gesellschaft wichtig ist.

Dr. Alma Sehic (Fachhochschule des BFI Wien): Aus meiner Sicht brauchen wir diese Kompetenz kontinuierlich. Sichtbar wird der Bedarf aber wohl besonders in Zeiten der Veränderung (neuer internationaler Aufgabenbereich, neues interkulturelles Team, etc.) und in jenen Momenten wo wir auf Schwierigkeiten in unserem Tun stoßen und nach Erklärungen suchen. Hilfreich ist es, wenn dieser Bedarf (zB neue Aufgabe) im Unternehmen erkannt und begleitet wird.

Barbara Covarrubias Venegas (SIETAR Austria): Fast 90% der Geschäftsleiter aus 68 Ländern nennen Interkulturelles Management als eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (The Economist 2006). Jedoch nur 18% der Unternehmen berücksichtigen interkulturelle Kompetenzen in den Bewerbungsgesprächen (British Council 2013).
Die Anzahl interkultureller Begegnungen nimmt ständig zu, zeitgleich steigen auch die Komplexität und die Ansprüche, mit der in unserer Gesellschaft und in Unternehmen interkulturelle Begegnungen gelebt und bewältigt werden. Internationale bzw. länderübergreifende Projekte vor allem im Rahmen von internationalen Unternehmenszusammenschlüssen, Kooperationen und Allianzen nehmen bereits seit Jahren eine zentrale Rolle in Unternehmen ein. Dieser Umstand stellt an die gesamte Projektorganisation, aber insbesondere an die Projektleitung und das Projektteam, gleichermaßen neue und komplexere Anforderungen: neben Fremdsprachenkenntnissen, der Fähigkeit, mit Unterschiedlichkeiten und Ambiguität umzugehen oder sich schnell an ein sich ständig wandelndes Umfeld anzupassen, gewinnen vor allem interkulturelle Kompetenzen an Bedeutung für den internationalen Projekterfolg.

Link

Siehe dazu auch HRweb-Artikel Internationale Märkte, Kultur und Diversität.


Die Gesprächspartner

Die Basics rund um interkulturelle Kompetenz


Mag. Barbara Covarrubias Venegas Mag. Barbara Covarrubias Venegas
President of SIETAR Austria

SIETAR Austria


Expat Center Vienna Expats, Expatriates, Petra Botevka

Petra Boteková, MA
Managing Director CEE

ICUnet.AG


Karin Schreiner, Interkulturelle Kommunikation, interkulturelle Kompetenz

Dr. Karin Schreiner
Inhaberin

Intercultural Know How – Training & Consulting


Dr. Alma Sehic Dr. Alma Sehic
Studiengangsleiterin

Fachhochschule des BFI Wien


interkulturelle Kompetenz, interkulturelle KommunikationDr. Iris Wangermann
Geschäftsführerin

Dr. Iris Wangermann | Interkulturelles Training & Beratung


Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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