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Potenzial-Analysen erfreuen sich anhaltender Beliebtheit. Einerseits. In anderen Bereichen – in denen sie eine breite Wirkung entfalten könnten – werden sie noch immer sehr spärlich eingesetzt und das Potenzial nicht ausgeschöpft. Weshalb ist das so?

Anbieter von Potenzial-Analysen haben sich in einem Experten-Interview meiner Fragen angenommen. Einen wunderbar zusammenfassenden Satz (von Bernhard Dworak, Master Human Resources Consulting) nehme ich gleich mal vorweg: „Das Thema ‚Potenzial-Analyse‘ benötigt Personen, denen bewusst ist, dass sie ohne diese Instrumente viel Geld den Bach hinunterspülen“.

Experten-Interview

Weshalb erfreut sich das Thema Potenzial-Analyse in einigen Bereichen anhaltender Beliebtheit? Gründe, Zielgruppen, Themen, etc.

Michael Dinhobl, MBA (KICK OFF): Die Erfahrung zeigt uns, dass Potenzial-Analysen – eingesetzt in Führungskräfteprogrammen bzw. Trainee- Programmen – eine Änderung der Führungskultur und dadurch ein nachhaltiges Implementieren dieser Tools in der eigenen Führung mit sich bringen. Die Führungskräfte, welche dadurch selbst ihre Lernerfahrungen und Entwicklungen vorantreiben konnten, sind bestrebt, dies auch bei ihren Mitarbeitern weiterzuführen. Für Personen, die erstmalig mit Potenzial-Analysen in Kontakt kommen, muss dies nachvollziehbar, verständlich und Quick-Wins beinhalten, um die Anwendbarkeit so benutzerfreundlich wie möglich zu belassen. Wir nutzen hierfür unsere Potential Audits, welche mit geringem Aufwand, sowie kombiniert mit Persönlichkeitsprofilen schnell Muster und Handlungsempfehlungen aufzeigen.

Christian Ploy (Christian Ploy – Competence): Bei den Themen kann man durchaus kreativ sein. Grob unterteilt gibt es zwei Themenfelder: die Personalauswahl (hier können auch im Vorfeld Benchmarks für die unterschiedlichen Positionen erstellt werden) und die Personalentwicklung. Bei der Personalentwicklung kommen Potenzialanalysen z.B. für Einzel-Assessments zur Karriereplanung und Entwicklung zum Einsatz. Weiters finden sie Einsatz bei Teamworkshops, um Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Potenziale im Team sichtbar zu machen. Für Mitarbeiterentwicklungsprogramme/Projekte um zB ein Trainingsdesign für Führungskräfte auf Basis der vorhandenen Persönlichkeitsmerkmale zu entwickeln, kann man Potenzialanalysen nutzen.

Petra Schulte (USP-D): Oft setzen Unternehmen Potenzial-Analysen ein, die sich konkret am vorhandenen Führungsleitbild orientieren, so dass sowohl die begleitenden Manager als Beobachter als auch die Teilnehmer je nach Zielgruppe ihr eigenes Führungsverhalten an diesem Leitbild messen können. Es erleichtert allen Beteiligten spezifisches Feedback und die Definition von gezielten Entwicklungsmaßnahmen. Damit kalibriert eine recht große Gruppe von Involvierten ihr unternehmensinternes Führungsverständnis gleichzeitig und in Folge auch allmählich ihr Führungsverhalten.
Darüber hinaus bieten Potenzial-Analysen aus ihrer Ist-Analyse nicht nur einen mittel- bis langfristigen Ausblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten, Einsatzmöglichkeiten und konkreten Bedarfe der Teilnehmer als Individuen, sondern gleichzeitig über ganze Zielgruppen des Unternehmens, über einzelne Unternehmensbereiche (Business Units) und über regionale Gruppen.
Am wichtigsten ist jedoch, dass sich Mitarbeiter jeder Führungsebene durch Potenzial-Analysen wahrgenommen, in ihrer Persönlichkeit, in ihrem Einsatz und ihren Potenzialen erkannt sehen. Mitarbeiterbindung erfolgt seit Jahren zunehmend durch die Auseinandersetzung mit dem Einzelnen. Dazu trägt eine gute Potenzial-Analyse mit wertschätzendem Feedback, auf den Bedarf des Einzelnen und die Möglichkeiten seiner Organisation und Situation zugeschnittenen Förderempfehlungen sowie deren tatsächliche Verfolgung bei.

Was benötigt das Thema „Potenzial-Analyse“ um noch breitflächiger eingesetzt zu werden? Von wem, für welche Zwecke, weshalb geschieht das noch nicht?

Dr. Kurt Durnwalder (ITO): Damit Testverfahren stärkeren Nutzen bringen und tatsächlich Potenzial erheben, müssen sie in ihrer Qualität, sprich Aussagekraft, deutlich besser werden. Das tun sie nur, wenn sie sich nicht allein auf die Analyse der Persönlichkeit konzentrieren. Um Potenziale von Personen zu erfassen ist es wichtig, deren Fähigkeiten zu erkennen, insbesondere kognitive und soziale sowie auch fachliche Fähigkeiten. Zudem müssen die Motivation und tieferen Interessen der Person verstanden werden, um zu prognostizieren, ob eine Person überhaupt bereit ist, Potenziale in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. Nur Testverfahren, die diesen unterschiedlichen Aspekten Rechnung tragen, haben die Qualität, breitflächiger für Potenzial-Analysen eingesetzt zu werden.

Erich Nepita  (LHH/OTM Karriereberatung): In Bereichen, in denen der – zusätzliche und erfolgreiche – Einsatz von Potential-Analysen noch nicht so bekannt oder akzeptiert sind wie z.B. im Coaching ist es teilweise der Mangel an strukturierten spezifischen Analysedesigns. Auch aus mangelnder Phantasie der Entscheider für die Vorteile der Anwendung von Potential-Analysen im jeweiligen Anwendungsbereich. So wie es eben sehr selten vorkommt, eine erfolgreiche Methode – welcher Prozesse auch immer – von einem Bereich auch zur Anwendung in einem unterschiedlichen Bereich zu denken und zuzulassen.

Karl Kaiblinger (Kaiblinger+partner): Aus meiner Beobachtung hat sich da in den letzten Jahren schon einiges geändert. Wir merken in der letzten Zeit, sogar auch teilweise jetzt in der Corona-Krise, dass deutlich mehr Unternehmen  den Nutzen von Potential-Analysen erkennen und diese auch intensiver einsetzen. Der Druck, die „richtigen Personen am richtigen Platz“ zu  finden und zu halten, oder auch mit dem Fachkräftemangel besser um zu gehen, auch firmenintern Potentiale und Talente wirkungsvoller zu  erkennen und zu nützen, dass sind oft  Beweggründe, die wir von unseren Kunden hören.
Ich denke aber, dass in der Ausbildung der Personalentwickler*Innen der Nutzen der oft weltweit bewährten Tools noch deutlich mehr in den Fokus gesetzt werden kann. Es liegt aber auch, meiner Meinung nach, an uns Qualitäts-Anbieter, die Kosten für z.B. Fehlbesetzungen noch deutlicher sichtbar zu machen. Denn gerade da können gute Tools die Trefferquote in Bezug auf „Job-FIT“ deutlich erhöhen, mit sehr wenig Kosten und Aufwand. wenn man nur rechnet, was eine Fehlbesetzung dem Unternehmen kostet. Auch gibt es viele „handgestrickte“ Tools, die oft von Einzelpersonen oder kleinen Teams erstellt wurden, dann aber doch in der Praxis nicht den entsprechenden Nutzen im täglichen Einsatz gezeigt haben.  Dies hat, meiner Meinung nach,  auch das eine oder andere Mal dem Ruf von Potential-Analysen, sagen wir mal, nicht genützt.
Ich persönlich denke, dass in unserer volatilen Zeit die Standortbestimmung für bessere Personal-Entscheidungen durch gute Potential-Tools noch mehr Relevanz erhalten wird und diese dadurch breiter eingesetzt werden.
Dabei wird sich meiner Meinung nach auch Spreu von Weizen trennen, also vielfach bewährte und auch international bei vielen Unternehmen erfolgreich eingesetzten Tools mehr zum Einsatz kommen.

Mag. Bernhard Dworak (Master Human Resources Consulting): Das Thema „Potenzial-Analyse“ benötigt Personen, denen bewusst ist, dass sie ohne diese wertvollen Instrumente viel Geld den Bach hinunterspülen, falsche Entscheidungen treffen und der Organisation großen Schaden verursachen. Und das Thema benötigt Personen, die sich auch dafür einsetzen und die nötige Durchsetzungskraft und Überzeugungskraft dazu haben.
Wir leben im Jahr 2021 und seit vielen Jahren werden im Nordischen Raum diese Analysen eingesetzt. Zu Unrecht? Warum machen sie das?
Ich stelle mir immer wieder die Frage: Warum machen wir das noch immer nicht in diesem Ausmaß? Ich orte eine kulturelle Hemmschwelle. Wir schätzen persönliche Beziehungen und ordnen diesen viele Dinge unter. Eine Potenzial-Analyse erscheint vielen Personen zu intim, zu direkt und das Ergebnis könnte die (bei Bewerbern nicht vorhandene) Beziehung beeinträchtigen. Dass das falsch ist, muss und will ich auch nicht näher ausführen. Es ist einfach nur frustrierend, wenn Argumente, wie „benötige ich nicht“, „zu teuer“, „das bringt nichts“ oder „ich besitze eine sehr gute Menschenkenntnis“ dem Einsatz dieser Instrumente im Weg stehen. Aber eigentlich sind es die Menschen, die dazu (noch) nicht bereit sind. Wobei man auch anmerken muss, dass es viele Unternehmen gibt, die keine Angst vor diesem Thema haben und es jetzt oder schon seit einiger Zeit aktiv angehen.

Mag. Ulrike Kriener (Aumaier Consutling I Training): Möchte man Potenzialanalysen breiter einsetzen ist es notwendig, auf Verfahren mit automatischer Auswertung zurückzugreifen, bevorzugt mit untersuchten Gütekriterien, was derzeit bei vielen Verfahren, die eine Massenauswertung möglich machen, nicht der Fall ist.
Darüber hinaus ist es, im Sinne eines brauchbaren Ergebnisses, wichtig, eine Kombination von Verfahren, zugeschnitten auf die jeweilige Funktion, vorzugeben: Ein Mix von

  • Persönlichkeitsanalysen und
  • Teile einer Intelligenztestbatterie sowie
  • eine dritte, je nach Funktion, variable Itemkategorie

ist hilfreich, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern, die den Bewertungsprozess optimal unterstützen.
Derartig vielfältige Kombinationen sind „fertig“ kaum am Markt zu finden. Es ist mittlerweile gut untersucht, dass für eine Funktion passende Persönlichkeitseigenschaften und passende Intelligenzwerte für eine langfristige Besetzung zur Zufriedenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer essentiell sind. Aus einer Intelligenztestbatterie nimmt man im Wesentlichen die Komponenten verbale, arithmetische oder analytische Intelligenzfunktion. Je nach Funktion. Bei einer Vertriebsfunktion bspw. die verbale, bei einer Controllingfunktion die arithmetische und bei einer Stelle mit hohem, strategischem Anteil, die analytische Intelligenzfunktion. Dazu kann als dritte Komponente – bspw bei Büroarbeit – eine computerbasierende Postkorbübung kommen, bei einer Führungsfunktion eine Managementpotenzialanalyse, bei einer Vertriebsstelle ein Leistungsmotivationstest etc. Es gibt wenige Anbieter, die zu solchen Testbatterien automatische Auswertungen anbieten. Es würde die zielgerichtete Besetzung – vor allem von Managementfunktionen – unterstützen.
Kosten- und Zeitgründe lassen noch immer oftmals eine Entscheidungen gegen Potenzialanalysen ausfallen. Leider wird bei Fehlbesetzungen nicht nachgerechnet, denn ein Großteil falscher Personalentscheidungen beruht auf einer Fehleinschätzung persönlicher Kompetenzen, die durch eine ergänzende Potenzialanalyse aufgezeigt werden könnte.

Potenzial-Analyse | Hoch im Kurs & viel verkannt?

 


Die Gesprächspartner:


Bernhard Dworak, Master HRMag. Bernhard Dworak
Geschäftsführer

Master Human Resources Consulting GmbH


Erich NepitaErich Nepita
Managing Partner

LHH/OTM Karriereberatung GmbH


Michael Dinhobl, Kick OffMichael Dinhobl, MBA
Managing Partner

KICK OFF Management Consulting GmbH


Ulrike KrienerMag. Ulrike Kriener
HR Consultant

Aumaier Consutling I Training GmbH


Christian PloyChristian Ploy
Eigentümer & Geschäftsführer

Christian Ploy – Competence


Kurt Durnwalder, ITODr. Kurt Durnwalder
Geschäftsführer

ITO Individuum Team Organisation GmbH


Karl KaiblingerKarl Kaiblinger
Firmengründer

Kaiblinger+partner Management-Consulting


Petra Schulte, USP-DPetra Schulte

USP-D Consulting GmbH


 

Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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