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Interkulturelle Kompetenz als Motor für Erfolg und Zusammenarbeit | Klingt einfach. Ist es nicht.

24Jun2025
5 min
interkulturelle Kompetenz

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Das Interview zeigt auf,

  • welche Herausforderungen im Erlernen interkultureller Kompetenzen lauern und
  • wie deren Beherrschung die Zusammenarbeit und den Unternehmenserfolg beflügeln kann.
interkulturelle Kompetenz

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Experten-Interview

Herausforderung interkulturelles Lernen

Worin liegen die größten Herausforderungen im Erlernen interkultureller Kompetenzen?

Dr. Karin Schreiner MA (Intercultural Know How)

Das Erlernen von interkultureller Kompetenz ist ein längerer Lernprozess. Das wird häufig übersehen. Mehrere Trainings-Etappen mit Feedback-Schleifen wären ideal.

Darüber hinaus wird eine Offenheit der Thematik gegenüber vorausgesetzt, die nicht immer alle Teilnehmenden mitbringen. Manchmal erwarten Teilnehmende auch konkrete Informationen und Handlungsanweisungen zu Verhaltensweisen in bestimmten Ländern oder Do’s and Don’ts. Dabei geht es bei interkulturellen Kompetenzen nicht um einen Leitfaden für Verhalten, sondern um die Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen kulturellen Werten oder Einstellungen und wie ein Mittelweg, eine Synergie entwickelt werden kann. Das wird häufig vermischt. Daher sind Teilnehmende dann enttäuscht, wenn sie keinen Verhaltenskatalog erhalten, sondern über ihr eigenes Verhalten nachdenken sollen. In niederschwelligen Kontexten muss daher das abstrakte Konzept interkulturelle Kompetenz auf konkrete Handlungsempfehlungen und Teamvereinbarungen heruntergebrochen werden, sonst wird die Zielgruppe nicht erreicht.

Dieser Spagat zwischen dem hohen Anspruch an Selbstreflexion und dem Bedürfnis nach konkreten Verhaltensleitfaden zu schaffen, darin sehe ich eine der größten Herausforderungen bei der Vermittlung von interkultureller Kompetenz.

Matthias Würth (ICUnet)

Die größten Herausforderungen liegen mitunter in Sprachbarrieren, aber auch darin, wie selbstreflektiert Personen sind. Um interkulturelle Kompetenzen zu erwerben, muss man offen sein, auch andere Perspektiven einzunehmen. Das ist kaum möglich, wenn auf den eigenen kulturellen Präferenzen beharrt wird.

Wie bereits angeschnitten, funktionieren außerdem unterschiedliche Lernmethoden je nach Kultur tendenziell besser oder schlechter. Während manche Kulturen lieber durch persönlichen Kontakt lernen, sind E-Lernings für andere ein geschützter, virtueller Raum, in dem sie sich ohne die Gefahr eines Gesichtsverlusts weiterbilden können.

Dr. Elke Framson (Transatlantic Coaching)

Die größte Herausforderung ist der Knowing-Doing-Gap. Dinge zu wissen und Inhalte zu verstehen ist eine Sache, sie aber in der Situation umsetzen zu können, sodass Interaktionen besser funktionieren, ist eine andere. Deshalb ist es auch wichtig, dass Trainings- und Coachingsprogramme interaktiv und die Teilnehmenden nicht nur passive Zuhörer sind.

Bei der Umsetzung gibt es verschiedene Hürden. Eine davon ist das Gefühl, durch Veränderung des Verhaltens an Authentizität zu verlieren. Menschen glauben, durch Anpassung ein wenig von sich selbst aufzugeben. Dabei geht es bei interkultureller Kompetenz nicht darum, jemand anderer zu werden, sondern als Person zu wachsen. Irgendwo tief im Inneren sitzt bei vielen Menschen auch die Überzeugung, dass die eigene Kultur höherwertig ist. Ethnozentrisches Denken ist beim Erwerb interkultureller Kompetenz hinderlich. Authentizität und Ethnozentrismus hängen ja auch zusammen und müssen im Training unbedingt angesprochen werden.

Tatsache ist, dass der Erwerb von interkultureller Kompetenz nie abgeschlossen ist. Ich kann eigentlich nie sagen: „So, jetzt bin ich interkulturell kompetent und werde keine Probleme mehr haben.“ Es ist also wichtig, erreichbare und realistische Ziele zu formulieren und zu definieren, was interkulturelle Kompetenz bedeutet – und was nicht.

Eine weitere Herausforderung ist der Zeit- und Energieaufwand. Wenn man Vollzeit arbeitet und vielleicht auch noch Familie hat, kann es schwierig sein, Zeit und Kraft für einen Kurs oder Coaching-Einheiten zu finden, auch wenn man die Sinnhaftigkeit eines solchen Schrittes erkennt. Deshalb ist es wichtig, dass der Erwerb interkultureller Kompetenz firmenintern unterstützt wird und dass möglichst effektive und effiziente Programme gefunden werden.

Unternehmens-Erfolg durch interkulturelle Kompetenz

Inwiefern kann verstärkte interkulturelle Kompetenz die Zusammenarbeit / das Klima / den Unternehmenserfolg beeinflussen?

Dr. Elke Framson (Transatlantic Coaching):

Diversität wird oft als Vorteil hervorgehoben – und das zu Recht. Voraussetzung ist aber, dass die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Menschen funktioniert. Tut sie das nicht, dann kann Diversität auch zu Problemen führen: Missverständnisse, stereotype Annahmen, bewusste und unbewusste Ausgrenzung, Frustration und Ineffizienz. Besonders die Bereitschaft und Fähigkeit zum Perspektivenwechsel sind essenziell. Dabei geht es nicht darum, alle Perspektiven gutzuheißen und zu übernehmen. Es geht um den informierten und respektvollen Umgang mit anderen Menschen und Meinungen. Interkulturelle Kompetenz stärkt genau diese Fähigkeit und verbessert die Kommunikation und Zusammenarbeit im Unternehmen.

Eine Unternehmensleitung, die interkulturelle Kompetenz nicht nur als Wert propagiert, sondern auch aktiv fördert – etwa durch Trainings – schafft Vertrauen und Sicherheit. Sie schafft ein inklusives Arbeitsumfeld, in dem alle das Gefühl haben, dass sie und ihre Meinungen gehört und geschätzt werden.

Interkulturelle Kompetenz wirkt sich jedoch nicht nur positiv auf interne Interaktionen aus, sondern auch auf die Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern. Für Unternehmen, die international tätig sind oder neue Märkte erschließen wollen, ist es außerdem enorm wichtig, nicht nur ihre eigene Kultur als Maßstab heranzuziehen. Ein Beispiel aus meiner Arbeit: Unternehmen, die in die USA expandieren (wollen), heben oft die österreichische Qualität als Alleinstellungsmerkmal hervor. Hier muss ich offen dafür sein, dass andere Kulturen, wie die USA, möglicherweise andere Prioritäten setzen. Es ist entscheidend für den Unternehmenserfolg im Ausland, diese Unterschiede zu erkennen und die Kommunikation entsprechend anzupassen. Auch das ist interkulturelle Kompetenz.

Dr. Karin Schreiner MA (Intercultural Know How):

Interkulturelle Kompetenz erzeugt definitiv ein positives Arbeitsklima. Das ist in Teams zu sehen, deren Mitglieder internationale Erfahrung haben, bikulturell und mehrsprachig sowie interkulturell geschult sind. Es herrschen Offenheit und Respekt vor, die die Umgangsweisen und Kommunikation im Team prägen. Es geht dann überhaupt nicht darum, wer woher kommt, sondern wie zusammengearbeitet wird.

National-Kultur erscheint in so einem Kontext als nebensächlich, dennoch prägt Kultur das gesamte Team. Das scheint ein Widerspruch zu sein, jedoch wirkt Kultur in jeder Person und gleichzeitig wird Kultur in einem Team entwickelt. Das wäre der Mehrwert von interkultureller Kompetenz. Bei diesem Verständnis muss man sich jedoch vom Kulturbegriff als reine nationale Zugehörigkeit verabschieden, sondern Kultur als einen dynamischen Prozess verstehen, der in der Interaktion von Individuen mit deren je eigener Biografie, Erfahrungen und Kenntnissen entsteht und verhandelt wird. Darin liegt das Geheimnis erfolgreicher kulturell diverser Teams.

Matthias Würth (ICUnet):

Die Zahlen sprechen für sich: Diverse Teams steigen den operativen Umsatz in Unternehmen um bis zu 9%. Auch die Innovationskraft kann sich in kulturell vielfältigen Teams verdoppeln. Zudem lässt sich die Produktivität durch ausländische Führungskräfte steigern, nämlich um bis zu 12%.

Folglich ist eine umfassende Global Talent Strategy für den langfristigen Erfolg von Unternehmen entscheidend.

Fazit

Interkulturelle Kompetenz ist kein starres Regelwerk, sondern ein dynamischer Lernprozess, der Selbstreflexion, Offenheit und kontinuierliche Anpassung erfordert. Die größten Herausforderungen liegen im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach konkreten Verhaltensleitfäden und der Notwendigkeit, eigene Denkmuster zu hinterfragen. Zudem erschweren ethnozentrische Sichtweisen, Zeitmangel und unterschiedliche Lernpräferenzen den Erwerb.

Doch wer interkulturelle Kompetenz aktiv fördert, verbessert nicht nur die Teamkommunikation und das Betriebsklima, sondern steigert auch den Unternehmenserfolg. Diverse Teams sind nachweislich innovativer, produktiver und wirtschaftlich erfolgreicher – vorausgesetzt, interkulturelle Unterschiede werden nicht als Hindernis, sondern als strategische Ressource genutzt.

Interviewte Personen

Interkulturelle Kompetenz als Motor für Erfolg und Zusammenarbeit | Klingt einfach. Ist es nicht.

Matthias Würth  

Matthias Würth, ICUnet

Dr. Elke Framson

Elke Framson, Transatlantic

Dr. Karin Schreiner MA

Karin Schreiner, Unternehmenskultur

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