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Interkulturelles Lernen | Die Herausforderungen für Teilnehmer in interkulturellen Trainings

13Mrz2017
7 min
interkulturelles-lernen

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Interkulturelles Lernen: Interkulturelle Seminare verlangen von den Teilnehmern so einiges ab, denn nicht selten werden sie aufgefordert, ihre ureigenen kulturellen Hintergründe zu hinterfragen undaus den Fugen zu heben. Mit Leichtigkeit? Mit nichten. Ein Experten-Interview:

Ich habe eine kleine Interview-Reihe für Sie zusammengestellt, sie fokussiert 3 Ebenen:

 

Heute: Interkulturelles Lernen.

Meine Experten-Runde im Interview bleibt bestehen und wechselt heute den Blickwinkel Experten zum Interview, die langjährige Erfahrung haben und mir einiges über ihre Hintergründe und interkulturelle Pädagogik verraten:

Interkulturelles Lernen: Worin liegen die größten Schwierigkeiten für die Teilnehmer, wenn es darum geht, interkulturelle Inhalt verstehen / nachvollziehen / umsetzen zu können?

Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Es hält sich immer noch der Mythos, interkulturelle Kompetenz sei das einfache Lernen von ein paar „do´s & don´ts“. Neben dem vielschichtigen, spezifischen Länder- und Kulturwissen ist allerdings das Üben von Soft Skills unabdingbar. Dazu zählen etwa die empathische Kommunikationsfähigkeit, konstruktiver Umgang mit unterschiedlichen Wahrnehmungen, Sicherheit & Flexibilität im Umgang mit mir selbst und Anderen, sowie Ambiguitätstoleranz.
Die größte Schwierigkeit ist meist die Zeit, die den Teilnehmenden für das Training zur Verfügung gestellt wird. Wir lernen unser ganzen Leben lang, wie man sich in einer Kultur verhält. An einem Tag soll man dann eine andere Kultur komplett verstehen und sich danach verhalten können. Nachhaltiges Interkulturelles Lernen ist aber eigentlich eine Prozess der begleitet werden will. Das Gelernte muss im Alltag erprobt und das Verhalten ausprobiert und angepasst werden. „Seien Sie doch mal empathischer“, kann man jemandem als „to do“ mitgeben. Das kann die Person auch wirklich wollen. Ob sie das Verhalten im richtigen Moment auspacken und anwenden kann ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Und darum geht es ja eigentlich. Wir vergessen immer, dass Kultur unser Verhalten, ja sogar unsere Gefühle und Interpretationen fundamental beeinflusst. All das, was wir für richtig halten wird in einer anderen Kultur in Frage gestellt. In den meisten Kulturen wird es etwa als besonders erstrebenswert angesehen, eine eigene unverrüttelbare Meinung zu haben. Man ist dann eine starke Persönlichkeit. Im Interkulturellen Kontext ist das aber eines der dümmsten Dinge die man machen kann. Hier geht es um Flexibilität und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Ist man dazu nicht in der Lage, scheitert man im internationalen Kontext. Man hat seine Meinung dann vielleicht durchgesetzt, das Projekt wird aber nur mittelmäßig bis gar nicht erfolgreich sein. Wie man sieht: beim Interkulturellen Lernen geht es immer auch an das menschliche und persönliche Fundament. Die eigene Identität – die mit der kulturellen Prägung eng verbunden ist – wird in Frage gestellt. Um nachhaltig an diesen Themen zu arbeiten, braucht es – meiner Erfahrung nach – Zeit und eine Prozessbegleitung.

Petra Boteková, MA (icunet.ag): Wir sehen immer wieder das Phänomen „don’t fix it, if it is not broken“. Demnach wird das auf das Thema oft erst aktiv zugegangen, wenn es einen kritischen Vorfall gegeben hat. Das ist natürlich schade, da dann im Regelfall gewisse „Reparaturarbeiten“ erforderlich sind. Sobald die Schwelle des anfänglichen „Unwohlbefindens“ mit dem „Fremden“ (Inhalt) überwunden ist, wird die Auseinandersetzung mit der Vielfalt als durchaus bereichernd empfunden. Die Auseinandersetzung (und Reflexion) der eigenen kulturellen Werte und sich damit wohlzufühlen ist sicherlich ein Schlüssel, um offen auf andere Kulturen / Menschen zugehen zu können.

Chris Fuchs (KICK OFF): Die größten Schwierigkeiten bestehen meiner Meinung nach darin zu verstehen, dass – welche Inhalte auch immer diskutiert werden – diese nicht immer 100%ig zutreffen. Ein Vergleich: Im Bauwesen sind 90 Grad immer ein rechter Winkel, im interkulturellen Sinne kann es sein, dass es in 10 Fällen 8x stimmt und 2x nicht. Dies muss auch am Anfang des Seminars vermittelt werden. Interkulturelle Dimensionen bzw. Theorien sind nur mit Praxisbeispielen vermittelbar. Erst dann können die Teilnehmer die Theorie richtig verstehen. Ohne Praxisbeispiele wird die vermittelte Theorie kaum umgesetzt werden können.

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How): Meiner Meinung nach ist es für jene Teilnehmer schwierig, die noch keine interkulturellen Erfahrungen gemacht haben und in einer sehr monokulturellen Umgebung leben. Interkulturelles Bewusstsein setzt voraus, dass der eigene Standpunkt relativiert wird. Das ist für viele Menschen schwer, denn es zieht ihnen den Boden unter den Füßen weg. Die Umsetzung ist eine noch größere Herausforderung, denn dabei geht es um Perspektivenwechsel, darum sich zurückzunehmen und ganz anderen Werten Raum zu geben. Aber es ist Übungssache und kann erlernt werden, sofern eine offene Haltung vorhanden ist.

Was halten Sie vom virtuellem, interkulturellen Lernen

Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Ich selber biete seit einigen Jahren auch virtuelles, interkulturelles Training an. Das hat einige Vor- sicher aber auch Nachteile.
Zu den Vorteilen zählen die unkomplizierte und ortsungebundene Vernetzung der Teilnehmenden. Das Training ist auch über Ländergrenzen hinweg, ohne viel Reise- und Raum-Aufwand möglich. Mit einer guten Plattform, sind die Möglichkeiten enorm vielfältig und damit fast so gut, wie bei einem Präsenztraining.
Die Nachteile eines virtuellen Trainings liegen eindeutig in der eingeschränkten Möglichkeit körperlich erlebbare Übungen einzusetzen. Diese sind meist Schlüsselelemente im interkulturellen Training und enorm hilfreich, um tiefe Denk- und Veränderungsprozesse anzustoßen. Es ist etwa sehr einfach zu behaupten, dass man tolerant ist. Bei einer interaktiven, körperlichen Übung erlebt man, wie es tatsächlich um die Toleranz der Gruppe steht und kann dann gezielt und im Dialog nach Lösungen suchen.

Was halten Sie von länderspezifischer Literatur? Ist sie hilfreich für interkulturelles Lernen?

DI Elisabeth Alder  (Alder Consulting): Es ist immer gut, sich zu informieren, was in einem Land üblich und gewünscht ist. Wenn etwas Zeit zur Verfügung steht, empfehle ich gerne, Romane oder Kurzgeschichten aus dem Herkunftsland des Gegenübers zu lesen. Aber seien Sie sich bewusst, dass Sie immer einzelne Menschen treffen. Diese Menschen haben eine eigene Geschichte, zum Beispiel Studienaufenthalte in den USA, die sie ganz anderes geformt haben kann.
Was auch immer Sie gelesen haben, es ist eine erste Hypothese über die Situation und sollte auch nicht als mehr behandelt werden. Schauen Sie genau hin, hören Sie gut zu und analysieren und reflektieren Sie die gemeinsame Kommunikation. Wird eher direkt oder indirekt kommuniziert? Steckt hinter der höflichen Formulierung ein hartes NEIN? Welche Verhaltenserwartungen werden wie ausgedrückt?  Sie werden mit der Zeit merken, dass die Fragen, die Sie weiterbringen, viel mehr mit der Besonderheit Ihrer eigenen Kultur zu tun haben als mit der Kultur Ihres Gegenübers.

Wie wichtig ist die eigene kulturelle Prägung wenn es um interkulturelles Lernen geht?

DI Elisabeth Alder  (Alder Consulting): Ich erlebe, dass es fast allen Menschen am Anfang schwerfällt, die eigene kulturelle Prägung zu sehen. Die eigene Kultur, das ist der Fleckerlteppich aus Kulturen – beruflichen, länderspezifischen, geschlechtsspezifischen, religionsspezifischen etc. – der uns als Mensch ausmacht. Was an dieser eigenen Kultur einzigartig und besonders ist, das können wir schwer wahrnehmen, weil es für uns ja das Normale ist. Gegen diese Kulturblindheit hilft es, sich mit anderen Sichten zu konfrontieren, die Dimensionen der eigenen Kultur zu erfahren und mit leichten Veränderungen der Sichtweise zu experimentieren.
Die Herausforderung bleibt dabei sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig weiter zu entwickeln indem man andere Sichtweisen versteht und ein neues Handlungsrepertoire erlernt.

Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): Unsere kulturelle Prägung bestimmt unser Denken und Handeln wesentlich. Oft sind wir uns aber unserer eigenen Normen, Werte und Präferenzen nicht bewusst bzw. haben uns darüber keine Gedanken gemacht. Daher sind die folgenden 5 Schritte besonders wichtig auf dem Weg zu interkultureller Kompetenz:

  1. Zu verstehen: welche Elemente von Kultur uns unterscheiden und welche uns vereinen
  2. Zu erkennen: welchen Einfluss Kultur und kulturelle Unterschiede auf individuelles und kollektives Verhalten ausüben.
  3. Zu identifizieren, wo es kulturelle Gaps (Spalten) gibt und einen zielführenden Prozess vom Stilwechsel oder kulturellem Dialog anzuwenden, wann immer möglich.
  4. Zu unterscheiden, wo es sich um verhandelbare Werte oder um Grundwerte handelt.
  5. Zu identifizieren, welche Verhaltensweisen und Einstellungen eine höhere Effizienz in einem multikulturellen Umfeld ermöglichen.

Welcher Schritt sollte dem interkulturellen Lernen in der Seminar-Umgebung?

Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How): Üben, üben, üben. Wie beim Sprache-Lernen geht es nicht ohne Praxis. Jede Gesprächssituation kann dazu dienen, um interkulturelle Kommunikation zu praktizieren: Gut zuhören, auf die nonverbalen Signale achten (Gestik, Mimik, Körperhaltung) und ihre Bedeutung überlegen, seinen eigenen Sprechstil bewusst wahrnehmen, unterschiedliche Kommunikationsstile erkennen und auch ausprobieren, auf Zwischentöne achten. Diese Aspekte sollten bewusst angewandt werden. Das erfordert viel Übung.


Die Gesprächspartner zu „interkulturelles Lernen“

Interkulturelles Lernen | Die Herausforderungen für Teilnehmer in interkulturellen Trainings – die Sicht der Teilnehmer

Karin Schreiner, Interkulturelle Kommunikation, interkulturelle Kompetenz

Dr. Karin Schreiner
Inhaberin

Intercultural Know How – Training & Consulting

www.iknet.at


HRwebDI Elisabeth Alder
Eigentümerin

Alder Consulting


botekova-petra-icunet-150Petra Boteková, MA
Managing Director CEE

ICUnet.AG


fuchs-chris-kickoff-150Chris Fuchs
Geschäftsführer

KICK OFF Management Consulting GmbH


HRwebDr. Sabine Weiß
Center Director Graz

Berlitz Austria GmbH


interkulturelle Kompetenz, interkulturelle KommunikationDr. Iris Wangermann

Dr. Iris Wangermann – Interkulturelles Training & Beratung


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