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Kompetenzbasiertes Talentmanagement | Ein Blick in Theorie und Praxis

talentmanagement

Talentmanagement und Potenzialanalyse. Eine tolle Kombination. In einem Experten-Interview besprechen wir wie das eine das andere unterstützen kann, über sinnvolle Testverfahren für Talementmanagement und so einiges mehr.

Interview

 

Fragen dieses Interviews: In welchen Bereichen des Talentmanagements kann eine Potenzialanalyse unterstützen?

Was unterscheidet die Kompetenzdiagnostik von „klassischen“ Testverfahren?

Geben Sie mir bitte eine kurze Definition und Abgrenzung zwischen den Begriffen, die ich hier beinahe synonym verwende:

Wann ist ein Verfahren auch verlässlich?

Was ist Ihr persönlicher Anspruch bei der Umsetzung von diagnostischen Verfahren?

Welche Empfehlung geben Sie bzgl. Teamzusammensetzung? Stichwort Diversity und Inklusion: sollten neue Mitarbeiter dem bestehenden Team ähnlich sein oder sich unterscheiden?

INTERVIEW-PARTNER

 

Potenzialanalyse, Persönlichkeitstest

In welchen Bereichen des Talentmanagements kann eine Potenzialanalyse unterstützen?

Manuel Ster, MBA (BDO Consulting): Lassen Sie uns zu Beginn den Begriff Potenzial erörtern. Wir verstehen das „Potenzial“ von Menschen als: Die Wahrscheinlichkeit bzw. die Option einer Person, vorhandene Kompetenzen weiter zu entwickeln und/oder neue Kompetenz für die Bewältigung anspruchsvollerer und komplexerer Aufgaben aufzubauen.  So verstanden, setzen wir in unseren Beratungsprojekten Potenzialanalysen sehr intensiv ein. Vor allem im Kontext von modernen (z.B. demografischen) Talent-Strategien ist die Unterstützung der Mitarbeiter in der Bewusstmachung von möglichen Karrierewegen und Entwicklungsperspektiven, basierend auf den eigenen Potenzialen, sehr relevant und hilfreich.

Franz Dinhobl (KICK OFF): Eine Potenzialanalyse im Rahmen eines Talentmanagements ist dann sinnvoll, wenn in der Entwicklung darauf tatsächlich Rücksicht genommen werden kann. Hier beginnt zumeist die erste Problematik im Unternehmen, denn oftmals gibt es keine genauen Kompetenzfelder für die angestrebte Entwicklung und daher auch kein Matching mit zu erfassenden Potenzialen.
Ansonsten kann die Potenzialanalyse die Entwicklungsmöglichkeiten, sei es in der Ausbildung, in der Zusammensetzung der Gruppen, aber auch beim Finden von Mentoren etc. hilfreich sein.

Wo noch?

Mag. Alexandra Schreiber-Bratfisch (ITO): Eine Potenzialanalyse kann zu mehreren Zeitpunkten eine wertvolle Unterstützung für das Talentmanagement sein. Idealerweise hilft sie schon bei der Auswahl der richtigen Teilnehmer beim Start eines Talenteprogramms, um Klarheit über die vielversprechendsten Kandidaten und deren Potenzial zu erlangen. Dadurch kann dann während des Talenteprogramms gezielt an den individuell festgestellten Stärken und Entwicklungsthemen gearbeitet werden, um die bestmögliche Entfaltung des Potenzials zu ermöglichen.
Auch für Unternehmen, die ein Konzept für die Nachfolgeplanung von Schlüsselstellen benötigen, ist eine Potenzialanalyse für die in Frage kommenden Mitarbeiter hilfreich.
Gerade weil eine Potenzialanalyse, wenn sie wertschätzend und konstruktiv durchgeführt wird, eine hilfreiche Stütze bei der Selbstreflexion ist und Mitarbeitern vermittelt, dass das Unternehmen an ihnen und ihrer Weiterentwicklung interessiert ist, wird sie auch mitunter als Mittel der Mitarbeiterbindung eingesetzt.
Auch bei der Entscheidung, ob jemandem eher eine Führungs- oder eine Expertenkarriere anzuraten ist, liefert eine Potenzialanalyse Klarheit. Das ist nicht nur aus Unternehmenssicht äußerst hilfreich, sondern auch für Privatpersonen, die noch nicht recht wissen, was für sie der vielversprechendste Weg ist.

Was unterscheidet die Kompetenzdiagnostik von „klassischen“ Testverfahren?

Erich Nepita (OTM Karriereberatung / Lee Hecht Harrison): Kompetenzdiagnostik zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Kompetenzbegriff in der Literatur und Diagnostik sehr unterschiedlich definiert wird und sich dementsprechend mehr oder weniger einer allgemeinen Diagnose entzieht.
Kompetenzdiagnostik unterscheidet zwischen Aktivitäts- und Handlungskompetenz, Fachlich-Methodischer Kompetenz,  Sozial-Kommunikativer Kompetenz und Personaler Kompetenz (Fähigkeit, sich selbst gegenüber produktiven Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln).
Es werden also entsprechende Fähigkeiten und die Motivation für erfolgreiches Umsetzen, Problemlösen, Kooperieren und Kommunizieren gemessen.
Testverfahren dazu sind rar und jüngeren Ursprungs und werden daher in ihrer Effizienz noch kritisch betrachtet.
Brauchbare Alternativen im Bereich des Talentmanagements und der Personalentwicklung dazu sind Development-Assessmentcenter.

Franz Dinhobl (KICK OFF): Klassische Testverfahren stammen zum Teil aus den 80iger und 90iger Jahren und sind veraltet. Diese messen zu einem großen Teil nur die Selbsteinschätzung. Moderne Testverfahren, wie z.B. der Wingfinder, testen neben dem Selbstbild auch das Fremdbild. Kompetenzdiagnostik wie auch Potenzialdiagnostik ist eine Mischung aus Interview, Beobachtung  und modernen Testverfahren.

Mag. Alexandra Schreiber-Bratfisch (ITO): Unter „klassischen“ Testverfahren versteht man Persönlichkeitstests und kognitive Tests. Damit kann man grundsätzliche Persönlichkeitsmerkmale und die kognitive Eignung in unterschiedlichen Bereichen (z.B. verbal und numerisch) erkennen. Die Kompetenzdiagnostik liefert spezifischere Erkenntnisse über die Fähigkeiten einer Person, insbesondere wenn sie sich handlungsdiagnostischer Verfahren bedient. Dazu werden die erfolgskritischen Kompetenzen für ein Unternehmen oder eine Position vorab definiert und operationalisiert. Anschließend werden sie in interaktiven Übungen durch Beobachtung überprüft. Dabei wird sichtbar, welche Handlungsmuster eine Person in manchen Situationen zeigt. Das macht das Verfahren wesentlich valider als klassische Testverfahren. Wenn wir „Führung“ als Beispiel für eine Kompetenz nehmen, erkennen wir bei den klassischen Testverfahren die grundsätzliche Einstellung zu Führung. Aber erst die Kompetenzdiagnostik liefert mithilfe handlungsdiagnostischer Verfahren die Erkenntnis darüber, wie die Führungsfähigkeiten tatsächlich ausgeprägt sind und welche konkreten Stärken und Entwicklungsthemen als Führungskraft bestehen.

Geben Sie mir bitte eine kurze Definition und Abgrenzung zwischen den Begriffen, die ich hier beinahe synonym verwende:

Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Definition:

  • Potenzialanalyse: analysiert Potenziale – zeigt also noch entwicklungsfähige Stärken auf.
  • Potenzialdiagnostik: diagnostiziert Potenziale – zeigt entwicklungsfähige Stärken, mit der Zielsetzung, auch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung dieser Fähigkeiten anzuregen, auf.
  • Kompetenzdiagnostik: diagnostiziert Fähigkeiten – zeigt Fähigkeiten auf, um im Anschluss damit eine weitere Zielsetzung zu verfolgen. (Diagnostik ist ein Mittel zum Zweck und steht niemals für sich allein. Eine Analyse hingegen beschreibt einen Prozess)

Abgrenzung zwischen den dreien: Diagnostik beschreibt in der Regel ein klinisches Vorgehen. Der Begriff ist im Rahmen von HR meines Erachtens nach unglücklich gewählt.

Wann ist ein Verfahren auch verlässlich?

Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Neue Verfahren sollten hinsichtlich der 9 Gütekriterien Reliabilität, Validität, Objektivität, Normierung,  Testfairness, Nützlichkeit, Ökonomie, Unverfälschbarkeit und Zumutbarkeit, geprüft sein und die Werte für Reliabilität, Validität und Objektivität sollten im Manual angegeben sein. Ist dies nicht der Fall kann man nicht davon ausgehen, dass ein Verfahren misst was es messen soll, oder genau misst.

Was ist Ihr persönlicher Anspruch bei der Umsetzung von diagnostischen Verfahren?

Manuel Ster, MBA (BDO Consulting): Alles beginnt natürlich mit der Sauberkeit und Konsequenz in der Auftragsklärung. Am Ende des Tages geht es aber immer um die Zukunft von Menschen. Das bedeutet, dass sich die durchführenden Berater ihrer Verantwortung ständig bewusst sind und entsprechend handeln. In meinem Werteverständnis heißt das, den Kandidaten mit einer gewissen Demut gegenüber zu treten, denn ihre Aussagen und Bewertungen haben, unabhängig davon ob es um Auswahlprozesse oder Entwicklungsmaßnahmen geht, immer einen nachhaltigen Einfluss auf die involvierten Personen.
In der Umsetzungsphase ist neben allen wissenschaftlichen Standards und Gütekriterien vor allem die Erfahrung der durchführenden Berater essenziell. Den Hausarzt des Vertrauens sollte man ja auch vorwiegend nach dessen diagnostischer Kompetenz auswählen.

Welche Empfehlung geben Sie bzgl. Teamzusammensetzung? Stichwort Diversity und Inklusion: sollten neue Mitarbeiter dem bestehenden Team ähnlich sein oder sich unterscheiden?

Erich Nepita (OTM Karriereberatung / Lee Hecht Harrison): Unsere klare Empfehlung ist Mut zur Unterschiedlichkeit!
Ergänzende Teams sind (durch Studien belegt) wirtschaftlich erfolgreicher, können sich auf Veränderungen besser einstellen. Natürlich braucht es in der Zusammenarbeit nicht nur Unternehmenspraktiken, die diese Unterschiedlichkeit fördern, eine Kultur die Unterschiedlichkeit zulässt, sondern insb. auch Führungskräfte die dieses ergänzende Management nicht nur zulässt, sondern auch fördert.

 

Die Gesprächspartner (Talentmanagement):

Kompetenzbasiertes Talentmanagement | Ein Blick in Theorie und Praxis


Alexandra Schreiber-Bratfisch, ITO, TalentmanagementMag. Alexandra Schreiber-Bratfisch
Senior Beraterin für Talent Management und High Performance Culture

ITO Individuum Team Organisation GmbH

www.ito.co.at


Franz Dinhobl, Kick Off, TalentmanagementFranz Dinhobl
Geschäftsführer

KICK OFF Management Consulting GmbH


HRwebErich Nepita
Managing Partner

OTM Karriereberatung GmbH d/b/a Lee Hecht Harrison Austria


AumaierVeronika Aumaier, MAS, MSc
Geschäftsführerin

Aumaier Consulting Training GmbH


Cornelia Schwaminger, BDOMag. Cornelia Schwaminger
Senior Manager Executive Search

BDO Consulting GmbH


Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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