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Bewerbende möchten gefunden werden & Unternehmen stellen sich darauf ein

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Bewerbende sind ein gefragtes Gut und möchten sich am liebsten zurücklehnen und sich finden lassen. Sagt man. In diesem Interview finde ich heraus, ob es ein Kurzzeit-Trend oder ein Paradigmen-Wechsel ist und wie Unternehmen mit dieser Situation umgehen.

Nein, man muss nicht sofort auf jeden Zug aufspringen. Nur auf jene, die es Wert sind. Wie findet man heraus, ob ein Trend nur flüchtig ist und man ja keine Energie verschwenden sollte … oder aber besser gleich zu Beginn mitgeschwommen wäre?

Daher hinterfrage ich im Interview, wie schnell dieser Trend verschwinden wird und ob Unternehmen gut daran tun, sich rasch damit zu beschäftigen. Denn entweder der Wind braust unbeschadet über uns hinweg oder wir sitzen bereits mitten drin in einer Situation, die bleibt. Mal sehen! Mal lesen:

Experten-Interview

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Kurzzeit-Trend oder Paradigmen-Wechsel?

Handelt es sich um einen kurzfristigen Trend, den die Jobsuchenden bald überwunden haben werden und Unternehmen tun gut daran, nicht sofort auf jeden (konkret: diesen) Zug aufzuspringen?

Chris Dorner (JobCloud HR Tech): Wer dieser Meinung ist, sollte sich schnellstens davon lösen. Der Fachkräftemangel ist evident und wird sich weiter verschärfen. Ein Beleg dafür: Die Generation „Babyboomer“ verabschiedet sich aktuell in die Pension und Nachfolger sind Mangelware. Das Recruiting muss ein neues Selbstverständnis erreichen und neue Wege gehen!

Dr. Susanne Kolbesen (2blickwinkel): Wir sprechen hier ganz sicher nicht von einem kurzfristigen Trend. Auch bisher waren das Auffinden und Ansprechen von „Top Talenten“ bei vielen Suchen nach Führungskräften und Spezialisten ergänzend notwendig. Know How und Erfahrung im Active Sourcing sind unerlässlich geworden, um ausreichend viele interessante Bewerbende zu gewinnen.

Janine Kawlath (identifire®): Eines ist sicher – Unternehmen werden auch zukünftig die Bedürfnisse der Bewerbenden in den Vordergrund stellen müssen und sich als attraktiver Arbeitgeber bei ihnen bewerben. Ein aktueller Trend sind beispielsweise Reverse Recruiting Plattformen. Jobsuchende legen dort ein Profil an und die Unternehmen können sich direkt bei den Talenten bewerben. Ob das wirklich eine Lösung ist, darf man aber gerne anzweifeln. Denn das Anlegen eines Profils setzt ja schon voraus, dass die Person auf aktiver Jobsuche ist. Latent Jobsuchende erreicht man nach wie vor sehr gut über relevanten Social Media Content und im direkten Kontakt.

Barbara Schopper (HR Consulting, Karriereberatung, Coaching): Jobsuchende wollen auch in Zukunft gefunden werden, der Trend ist langfristig zu sehen, der „War for Talents“ wird anhalten. Und selbst wenn sich die Situation am Bewerbermarkt wieder etwas entspannt, werden Unternehmen gut daran tun, sich auch künftig um Mitarbeitende zu bemühen und für einne guten Unternehmensauftritt zu sorgen.

Worin sehen sie die Haupt-Ursachen des sich ändernden Arbeitsmarktes?

Mag. Cornelia Schwaminger (BDO Consulting): Die heutige Generation hat andere Präferenzen und hohe Ansprüche an den Arbeitgeber. Die demographische Entwicklungspyramide zeigt klar, dass weniger Personen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden. Zusätzlich fand auch eine coronabedingte Veränderung des Arbeitsmarktes statt. Viele Mitarbeitende haben ihre beruflichen Ansprüche verändert und viele ausländische Arbeitskräfte sind nicht mehr zurückgekehrt. Deshalb hat sich der Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt.

Wie langfristig wird sich dieser Trend halten?

Erich Nepita (LHH|OTM Karriereberatung): Alle Arbeitsmarkt-Informationen und Hochrechnung von zukünftigem Bedarf im Arbeitsmarkt zeigen auf, dass wir uns für mind. 10 Jahre auf einen Mangel von Arbeitskräften einstellen müssen. Einerseits bedeutet das nicht, dass es keine Menschen mehr auf Jobsuche geben wird, gleichzeitig hat die demographische Entwicklung den Arbeitsmarkt für immer verändert.

Unternehmens-Seite

Wie gehen Unternehmen aktuell damit um, dass Bewerbende aktiv angesprochen werden möchten?

Mag. Cornelia Schwaminger (BDO Consulting): Nein, es ist kein Wunschtraum der Jobsuchenden mehr, sondern vielmehr Realität für Unternehmen. Wenn man nicht direkt auf Jobsuchende zugeht, muss man mit einem niedrigen Outcome rechnen. Da der demographische Wandel, die Verschiebungen durch Corona und die Ansprüche der Generation Z nach einer gelebten Work-Leisure-Balance zu einer dauerhaften Reduktion an verfügbaren Arbeitsstunden führen, wird dieser Trend den Arbeitsmarkt auch nachhaltig und langfristig beschäftigen.

Barbara Schopper (HR Consulting, Karriereberatung, Coaching): Der akute Bewerbermangel zwingt alle Unternehmen zum Umdenken. Jobsuchende wollen definitiv gefunden, gezielt kontaktiert, umworben, beeindruckt, fasziniert und überzeugt werden.  Das Suchen und aktive Kontaktieren von Bewerbern sind unumgänglich geworden. Manche Unternehmen sind bereits in dieser neuen Realität angekommen, manche noch nicht. 

Was sollten Unternehmen idealer Weise tun, um der künftigen Recuriting-Aufgabe gewachsen zu sein?

Erich Nepita (LHH|OTM Karriereberatung): Neben klassischen Suchmethoden sollte das Netzwerk als Suchmethode miteingebunden werden. Wir als Karriereberatung helfen Menschen in beruflicher Veränderung und sehen bereits einen verstärkten Trend, dass Unternehmen aktiv Gespräche mit Menschen auf Jobsuchen führen, auch wenn das ausgeschriebene Profil nicht direkt stimmig ist.
Wir sehen darin ein großes Potential, über Jobsuchende den Markt zu erkunden und sich Möglichkeiten auftun, die über klassische Jobsuche verborgen bleiben.

Dr. Susanne Kolbesen (2blickwinkel): Unternehmen muss bewusst sein bzw. werden, dass sie jetzt die Bewerbenden sind.  Zum einen heißt das, sich aktiv um zukünftige Mitarbeitende zu bewerben. Zum anderen gilt es, attraktiv für zukünftige Mitarbeitende zu sein – und das nicht nur plakativ auf der Website sondern auch in der Realität. Neben den Gehaltspaketen und Social Benefits geht es den Mitarbeitenden meist um Gestaltungsspielraum, transparente Kommunikation und Entwicklungsmöglichkeiten. 

Mag. Neda Katanic (Trenkwalder): Insgesamt gilt es, flexibel und innovativ auf die Herausforderungen des Arbeitsmarkts zu reagieren. Unternehmen, die sich erfolgreich anpassen und auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen, werden auch in Zukunft erfolgreich sein und wettbewerbsfähig bleiben.

Chris Dorner (JobCloud HR Tech): Aus verschiedenen Blickwinkeln. Es beginnt nach wie vor klassisch mit der Ansprache und dem Gewinnen von Aufmerksamkeit durch Authentizität. Zu viele Stellenausschreibungen klingen heute noch wie vor 10 Jahren! Warum sollen die Kandidaten bei Ihnen “kaufen”? Wie positionieren Sie Ihre Arbeitgebermarke? Zusätzlich ist es wichtig, die Zielgruppe für Ihre offenen Stellen zu definieren. Wie wollen Sie zukünftige Talente, die Generation Y und Z ansprechen? Wo finden Sie diese? In welchem Land und über welchen Kanal? Es gilt, sich im HR und Recruiting generell mehr am Digitalen Marketing zu orientieren. Erfahrungen und Daten zu sammeln, welche Recruitingkampagne wo, wie gut funktioniert, um für Sie die richtigen Talente anzusprechen, ist das A und O.

Welche Tools sind besonders hilfreich, um als Recruitierende (latent) Jobsuchende zu finden? Weshalb gerade diese Tools?

Janine Kawlath (identifire®): Eine „Geheimwaffe“ gibt es aus meiner Sicht nicht. Im Bereich HR-Tech tut sich momentan sehr viel. Die großen Anbieter und kleine Start Ups entwickeln laufend neue Apps und Plattformen. Bevor man sich allerdings über Tools Gedanken macht, braucht man zunächst eine klare Sourcing-Strategie. Als Erstes sollte man sich also immer die Frage stellen: Wer ist meine Zielgruppe und wo erreiche ich sie am besten?
Datengestütztes Arbeiten wird im Recruiting immer wichtiger. Egal ob Talentpool, Chatbot oder Mobile Recruiting – jede neue Anwendung muss in die bestehende Systemlandschaft integrierbar sein. Es ist also immer eine individuelle Abwägung, welches Tool mich am besten im Recruiting unterstützt.

Mag. Bernhard Dworak (Master Human Resources Consulting): Es gibt eine Reihe von Instrumenten, die Recruitierende bei ihrer Arbeit unterstützen können, um Jobsuchende zu finden. Hier sind einige der am häufigsten verwendeten Instrumente und die Gründe, warum sie besonders hilfreich sind:

  1. Karriere-Websites: Karriere-Websites wie Indeed, Glassdoor oder LinkedIn Jobs bieten Recruitierenden eine große Auswahl an potenziellen Bewerbenden. Sie können gezielt nach Bewerbenden suchen, die ihren Anforderungen entsprechen, und direkt mit ihnen in Kontakt treten.
  2. Soziale Medien: Soziale Medien wie LinkedIn, Facebook und Twitter bieten Recruitierenden die Möglichkeit, mit einer breiten Zielgruppe in Kontakt zu treten und Jobangebote zu verbreiten.
  3. Referral-Programme: Referral-Programme sind ein effektives Instrument, um durch Empfehlungen von Mitarbeitenden qualifizierte Kandidaten zu finden.
  4. Unternehmens-Homepage: Diese Kontaktmöglichkeit hat den Vorteil, dass Bewerbende sich unmittelbar über das Unternehmen informieren können.
  5. Job-Messen: Job-Messen bieten Recruitierenden die Möglichkeit, direkt mit Kandidaten in Kontakt zu treten und sich über ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zu informieren. Ein erster Kontakt zeigt schon, wie ernsthaft Interesse besteht und ob eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Unternehmen und der Unternehmenskultur vorliegt.
  6. Persönlichkeitsanalysen: Diese Instrumente kommen meistens dann zum Einsatz, wenn schon ein erster Kontakt stattgefunden hat. Sie dienen dazu, den ersten Eindruck zu bestätigen oder zu hinterfragen und zu verfeinern. Mit Persönlichkeitsanalysen können Sie ein tieferes Verständnis für die Persönlichkeit und die Arbeitsweise der Bewerbenden erlangen. Das ermöglicht es Recruitierenden, eine bessere Einschätzung darüber zu treffen, ob diese Person zu ihrem Unternehmen und Arbeitskultur passt und wie das typische berufliche Verhalten sein wird. Wichtig ist hierbei die wissenschaftliche Basis des Instruments und dass die Qualitätskriterien für diese Instrumente erfüllt sind.

Jedes dieser Instrumente hat seine eigenen Stärken und Schwächen, und es kommt darauf an, welches am besten zu den Anforderungen und Bedürfnissen des Unternehmens passt. Es kann hilfreich sein, eine Kombination aus verschiedenen Instrumenten zu verwenden, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Die Interview-Partner

Mag. Barbara Schopper

Barbara Schopper

Mag. Cornelia Schwaminger

Cornelia Schwaminger

Chris Dorner

Chris Dorner

Janine Kawlath

Janine Kawlath, Identifire

Mag. Neda Katanic

Neda Katanic, Trenkwalder

Dr. Susanne Kolbesen

Susanne Kolbesen, 2blickwinkel

Erich Nepita

Erich Nepita, LHH, Artificial Intelligence

Mag. Bernhard Dworak

Bernhard Dworak, Master HR
Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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