Angenommen ich leite ein Unternehmen in der Produktion oder ein Reinigungs-Unternehmen. Ich habe 10 Führungskräfte und eine Menge Arbeiter und Arbeiterinnen mit multikulturellem und sprachlich gemischtem Hintergrund und unterschiedlichen Ausbildungs-Niveaus.
Ich orte einen Mangel an interkultureller Kompetenz sowohl bei den Führungskräften als auch in den Teams. Wo bitte setze ich idealer Weise an, um hier einen entscheidenden Schritt weiter zu kommen?

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Experten-Interview
Zielgruppe: Führungskräfte
Welche interkulturelle Kompetenzen muss eine FÜHRUNGKRAFT von diesen multikulturellen Arbeitern und Arbeiterinnen mitbringen?
Dr. Elke Framson (Transatlantic Coaching)
Interkulturelle Kompetenz ist eine Kommunikationskompetenz. Sie stützt sich auf drei Grundpfeiler.
- Einstellung. Für Führungskräfte ist die Bereitschaft, Neues zu lernen und eigenes Verhalten zu adaptieren, eine grundlegende Voraussetzung. Sie brauchen aktives Interesse, ja sogar Neugier anderen Kulturen gegenüber und Respekt für diverse Verhaltens- und Sichtweisen.
- Wissen. Beim Wissen stehen drei Aspekte im Vordergrund. Erstens müssen Führungskräfte verstehen, warum interkulturelle Konflikte entstehen und wie man sie vermeiden und lösen kann. Zweitens brauchen sie Wissen über die Kulturen ihrer Mitarbeitenden – vor allem deren Werte und Kommunikationsstil. Zudem müssen sie sich ihrer eigenen kulturgeprägten Haltungen bewusst sein. Diese Cultural Self-Awareness brauchen sie, um zu verstehen, wie ihr eigener Führungs- und Kommunikationsstil auf andere wirkt – und wo er möglicherweise zu Missverständnissen beiträgt.
- Skills. Wissen allein reicht nicht. Führungskräfte müssen dieses auch umsetzen können: in der Lage sein, andere Perspektiven zu sehen, den eigenen Kommunikationsstil an Situationen und Personen anzupassen oder Konflikte zwischen Mitarbeitenden aus verschiedenen Kulturen zu lösen.
Einstellung, Wissen und Skills resultieren in kognitiver Flexibilität, die es Führungskräften ermöglicht, eine Arbeitsumgebung zu fördern, in der alle Mitarbeitenden das Gefühl haben, geschätzt und gehört zu werden.
Mag. Ina Lukl (IBG)
Um erfolgreich mit Mitarbeitenden aus sehr unterschiedlichen Lebenswelten kommunizieren und zusammenarbeiten zu können, benötigt eine Führungskraft neben emotionaler Kompetenz eine hohe interkulturelle Sensibilität. Das bedeutet, die Führungskraft möchte und kann mögliche Denkmuster, Einstellungen und Beweggründe (z.B. kulturell bedingte Regeln, Normen und Werte) hinter den Verhaltensweisen ihrer Mitarbeitenden so weit verstehen, dass sie angemessen auf sie reagieren kann und eine gute sowie respektvolle Arbeitsbeziehung damit aufrecht erhalten bleibt. Interkulturelle Kompetenz kann also als Erweiterung allgemeiner Führungskompetenz betrachtet werden, da jeder Mensch seine eigene Lebensgeschichte hat und in seinen ganz spezifischen Lebenswelten geprägt wurde und kulturelle Differenzen somit in unterschiedlicher Ausprägung in jeder Gemeinschaft vorkommen.
Dr. Karin Schreiner MA (Intercultural Know How)
In einem solchen Kontext sollte eine Führungskraft allen voran ein Verständnis für kulturelle Diversität (Diversitätskompetenz) mitbringen und den Glauben haben, dass kulturelle Diversität eine Ressource ist und entsprechend eingesetzt werden kann.
Sie braucht auch Beziehungskompetenz, denn sie hat wahrscheinlich Mitarbeitende aus Ländern, in denen Beziehungsorientierung wichtig ist (z.B. Türkei, Bosnien, Serbien, Albanien usw.). Das bedeutet, sie sollte ihnen auf der Beziehungsebene begegnen und eine gute Arbeitsbeziehung auf persönlicher Ebene aufbauen. Dazu gehört Kommunikationskompetenz, das heißt ein Kommunikationsstil, der diese Beziehungsebene anspricht. In der Praxis geht es darum, die Mitarbeitenden persönlich anzusprechen, sie zu motivieren und häufig zu loben, wenn sie etwas gut machen, aber ihnen auch klare Anweisungen zu geben und das Einhalten von Regeln und Vereinbarungen zu fordern. Die Führungskraft braucht auch Sozialkompetenz, wie z.B. Empathie, um sich für die Mitarbeitenden zu interessieren und ihnen gut zuzuhören. Ihr Führungsstil sollte flexibel sein, um den Erwartungen der Mitarbeitenden gerecht zu werden.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass folgende Aspekte interkultureller Kompetenz wichtig wären: Verständnis für kulturelle Diversität, Beziehungsorientierung, Empathie und flexibles Führungsverhalten.
Wie können diese Kernkompetenzen zielführend erworben werden?
Matthias Würth (ICUnet)
Zunächst ist es sinnvoll, mit der Ermittlung des aktuellen Kompetenzprofils zu starten. Hierfür gibt es spezielle Messinstrumente, die auf wissenschaftlicher Basis interkulturelle Kompetenzen und arbeitsbezogene Präferenzen ermitteln – eine perfekte Grundlage für fundierte Weiterbildungsentscheidungen. Schon allein das Bewusstmachen der eigenen interkulturellen Präferenzen im Vergleich zu anderen Kulturen kann einen entscheidenden Unterschied in der interkulturellen Zusammenarbeit machen.
Basierend auf den ermittelten (fehlenden) Kompetenzen bietet sich je nach gewünschtem Effekt die Inanspruchnahme von interkulturellen Trainings, Coachings, Beratungen oder E-Learnings an.
In interkulturellen Trainings erhalten Teilnehmende zum Beispiel häufig einen Überblick über typische Länderspezifika, wie auch praxisorientierte Tipps, um konstruktiv mit diesen kulturellen Tendenzen umzugehen. Im Coaching hingegen geht es eher um Hilfe zur Selbsthilfe, beginnend mit dem Erkennen des bereits bestehenden Skill Sets und der Überlegung, wie dieses bestmöglich genutzt werden kann. Dabei sind sowohl Einzel- als auch Gruppencoachings möglich. In der Beratung wiederum geht es darum, sich einen Sparring-Partner als Experte an die Seite zu holen, insbesondere für strategische Themen. Die Vorteile von E-Learnings liegen klar in der zeit- und ortsabhängigen Befähigung von bestimmten Zielgruppen.
Christina Hackl (KICK OFF)
Die Kernkompetenzen für die Führung multikultureller Teams können gezielt entwickelt werden – durch eine Kombination aus Schulung, Praxis und Reflexion. Interkulturelle Trainings vermitteln Führungskräften ein grundlegendes Verständnis von Kulturdimensionen wie Machtdistanz und kulturellen Kommunikationsstilen. Ergänzend bieten Workshops zu Generationenmanagement Einblicke in die Bedürfnisse älterer und jüngerer Mitarbeitender.
Ein zentraler Baustein ist praktisches Lernen. Führungskräfte sollten in realen Situationen mit gemischten Teams Erfahrungen sammeln, begleitet von Sparring-Formaten. Hier können sie in Rollenspielen herausfordernde Alltagssituationen üben, wie den Umgang mit Missverständnissen oder die Ansprache sensibler Themen. Kollegiale Fallberatung innerhalb des Unternehmens ermöglicht es Führungskräften, konkrete Herausforderungen gemeinsam zu reflektieren und Lösungen zu erarbeiten.
Zusätzlich bieten Coachings und Supervision einen sicheren Raum zur individuellen Reflexion. Führungskräfte können hier ihre Erfahrungen besprechen und neue Strategien entwickeln, um Unsicherheiten im Umgang mit Diversität abzubauen. Besonders hilfreich sind Rollenspiele und moderierte Diskussionen, um auf Konflikte in multikulturellen Teams vorbereitet zu sein. HR sollte diese Entwicklung aktiv begleiten, indem langfristige Programme geschaffen werden. Regelmäßiges Feedback, etwa durch anonyme Umfragen oder Dialogformate, sichert eine kontinuierliche Lernkultur, die auf Offenheit, Respekt und Inklusion basiert. So können Führungskräfte ihre Kompetenzen nachhaltig ausbauen und Teams effektiver führen.
Zielgruppe: Arbeiter und Arbeiterinnen
Wie viel interkulturelle Kompetenz ist für die Arbeiterinnen und Arbeiter nötig?
Mag. Ina Lukl (IBG)
Auch Mitarbeitende sollten ein Bewusstsein für ihre eigenen Vorurteile und Bewertungen haben und lernen, dass es zwischen Menschen sehr unterschiedliche Auffassungen und Normen geben kann und diese mitunter auch bestehen bleiben dürfen. Funktionierende Zusammenarbeit bedarf keiner allumfassenden Einigkeit, sondern eines offenen Umgangs mit der Unterschiedlichkeit von Menschen. Durch einen achtsamen und wertschätzenden Umgang miteinander gelingt es, als Team arbeitsfähig zu bleiben.
Friedemann Schulz von Thun hat es einmal so formuliert: „Ein guter Kontakt endet nicht unbedingt mit einer Überzeugungsleistung. Sein Wert besteht allein schon darin, dass zwei Meinungsgegner miteinander reden und einander gelten lassen, ohne den anderen in die Ecke der Verworfenheit zu stellen.“
Katharina Heger, zSPM (next level consulting)
Für Mitarbeitende sind grundlegende interkulturelle Kompetenzen essenziell, um in einem diversen Team effektiv zu arbeiten. Dies gilt sowohl für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Kulturen und Nationen als auch für Teams, in denen mehrere Generationen vertreten sind. Besonders bei Gen Z und Boomers treffen oft verschiedene Wertekonzepte, Arbeitsstile und Kommunikationsformen aufeinander, die gegenseitiges Verständnis und Anpassungsfähigkeit erfordern.
Wichtige Kompetenzen sind:
- Kulturelle Sensibilität: Respekt und Verständnis für die Diversität im Team – sowohl kulturell als auch generationenbedingt.
- Grundlegende Kommunikationsfähigkeiten: Klare und respektvolle Interaktionen, die generationenspezifische Unterschiede berücksichtigen.
- Offenheit und Flexibilität: Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Arbeitsstile und kulturelle Normen.
- Teamfähigkeit: Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Förderung eines harmonischen Arbeitsklimas.
Wie kann interkulturelle Kompetenz einfach / rasch / zielgruppenadäquat erworben werden?
Mag. Anton Aufner, PhD (WIFI Wien)
Dies kann durch Awareness-Schulungen und interkulturelle Trainingsprogramme erfolgen wie z.B.:
- Workshops zur Teambildung
- Richtlinien und best practices
- Diversity-Feiern
- Netzwerke
- Feedback-Instrumente
- Interkulturelles Coaching
- Sprachkurse
- u.a.
Durch diese Maßnahmen wird nicht nur die interkulturelle Kompetenz innerhalb des Unternehmens und der Verantwortungsbereiche gefördert, sondern kann auch ein respektvolles und produktiveres Miteinander geschaffen werden.
Auch ist es wichtig, in interkulturellen Trainings das Thema Vorurteile/Stereotype von allen Seiten anzusprechen und zu vermitteln, da dies für manche Arbeitenden mit Migrationshintergrund auch verletzend sein kein. Dies kann dazu führen, dass sich Betroffene am Arbeitsplatz zurückziehen und auch im Team Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zeigen.
Durch stetig steigende Migrationsbewegungen und die fortschreitende Internationalisierung gewinnen diese Trainings immer mehr an Bedeutung.
Peter Dziergas, MBA MSc (Dale Carnegie Austria)
Interkulturelle Kompetenz kann schnell und effektiv durch praxisorientierte, zugängliche Maßnahmen entwickelt werden. Kurze, praxisnahe Schulungen oder E-Learning-Module bieten eine Einführung in interkulturelle Themen wie Kommunikation, Respekt und Zusammenarbeit in multikulturellen Teams.
Diese Inhalte sind leicht verständlich und direkt anwendbar. Erfahrungsorientiertes Lernen, etwa durch gemeinsame Teamaktivitäten oder Projekte in gemischten Gruppen, fördert den Austausch und das Verständnis füreinander. Mentoring-Programme und Peer-to-Peer-Austausch, bei denen erfahrene Kolleginnen ihr Wissen teilen, tragen ebenfalls zur Förderung des interkulturellen Dialogs bei. Visuelle Hilfsmittel wie Plakate oder Infografiken können kulturelle Unterschiede anschaulich erklären und das Bewusstsein schärfen.
Regelmäßige Reflexionsrunden oder Feedbackgespräche helfen, Erfahrungen auszutauschen, Missverständnisse zu klären und den kontinuierlichen Lernprozess zu unterstützen. So lässt sich interkulturelle Kompetenz auf einfache und zielgerichtete Weise erwerben.
Fazit
Ein erfolgreicher Umgang mit kultureller Vielfalt im Unternehmen beginnt bei den Führungskräften: Neugier auf andere Kulturen, Wissen über Werte und Kommunikationsstile der Mitarbeitenden sowie flexible Führungskompetenz sind essenziell. Trainings, Coachings und Reflexionsformate helfen, diese Fähigkeiten zu entwickeln.
Auf Teamebene ist interkulturelle Sensibilität gefragt – Offenheit, Respekt und Anpassungsfähigkeit fördern ein produktives Miteinander. Durch praxisnahe Schulungen, Teamaktivitäten und Mentoring-Programme kann interkulturelle Kompetenz gezielt aufgebaut werden.
Entscheidend ist eine Unternehmenskultur, die Vielfalt als Ressource begreift und aktiv eine inklusive Zusammenarbeit fördert.
Mir kribbelt’s schon in den Fingern, wenn ich daran denke, in einem derartigen Unternehmen mehr interkulturelle Kompetenz einzuweben. Leider war es nur eine theoretische Situation. Ihnen, liebe Lesende, wünsche ich viel Erfolg in der Praxis!
Interviewte Personen
Interkulturelle Kompetenz für Personal auf unterschiedlichen Ebenen
Dr. Karin Schreiner MA
- Inhaberin
- Intercultural Know How – Training & Consulting
- Unternehmens-Profil
- www.iknet.at

Christina Hackl
- Managing Partnerin
- KICK OFF Management Consulting GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.kick-off.com

Matthias Würth
- Managing Director ICUnet Austria GmbH
- ICUnet.Group – make success global
- Unternehmens-Profil
- www.icunet.group

- Transatlantic Coaching & Training
- Unternehmens-Profil
- www.transatlantic-coaching.com

Katharina Heger, zSPM (IPMA)
- Senior Consultant
- next level consulting Österreich GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.nextlevelconsulting.com

Mag. Ina Lukl
- Leitung BGF-Projekte und Generationenbalance
- IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.ibg.at

Peter Dziergas, MBA MSc.
- Geschäftsführer
- Dale Carnegie Austria

Mag. Anton Aufner, PhD
- Education & Training Project Expert & Trainer
- WIFI Wien
