Was konkret ist psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz? Im Experten-Interview hole ich mir eine Definition und auch zahlreiche Tipps zu konkreten Maßnahmen, um diese Emotion gezielt fördern zu können.

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Experten-Interview
Psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz | Definition
Wie definieren Sie das Gefühl der psychologischen Sicherheit für Mitarbeitende und weshalb ist diese wichtig?
Katharina Heger, zSPM (next level consulting)
Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Mitarbeitende im Arbeitsalltag offen ihre Gedanken äußern können, ohne negative Konsequenzen wie Zurückweisung, Bloßstellung oder Strafen befürchten zu müssen. Die Sozialwissenschaftlerin Amy Edmondson betont, dass psychologische Sicherheit entscheidend ist, weil sie die Grundlage für Vertrauen und Zusammenarbeit bildet. Wenn Menschen spüren, dass ihre Meinungen und Ideen willkommen sind, trauen sie sich mehr zu: Sie denken kreativer, übernehmen mehr Verantwortung und entwickeln neue Lösungen. Das führt letztlich zu einer höheren Produktivität und verleiht der Arbeit mehr Sinn. Zudem fördert psychologische Sicherheit das Lernen aus Fehlern, was für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess eine Voraussetzung ist.
Konkrete Maßnahmen
Welche konkreten Maßnahmen sind sinnvoll, um psychologische Sicherheit im Team zu fördern?
Barbara Waldhauser (FH des BFI Wien)
- Cognitive Unlearning-Routinen helfen Teams, alte Denkmuster zu hinterfragen und neue Perspektiven zu ermöglichen. Eine einfache Maßnahme ist die bewusste Veränderung von Sprache: Wer „Fehler“ durch „Unfall“ ersetzt oder statt einer „Untersuchung“ eine „Studie“ durchführt, verändert Wahrnehmung und Reaktion.
- Failure Sprints sind eine Erweiterung der klassischen Fehlerkultur, die Fehler gezielt nutzt. Teams testen fehleranfällige Prototypen oder riskante Hypothesen, um schneller zu lernen und Unsicherheit produktiv zu machen. Aus individuellem Versagen werden Fehler dadurch Teil eines strukturierten Lernprozesses – dies stärkt psychologische Sicherheit.
- Ergänzend helfen Failure- oder Fuck-up-Parties, Fehler sichtbar zu machen und ihre Stigmatisierung abzubauen. Während Failure Sprints Fehler strategisch für Innovation nutzen, bieten solche Veranstaltungen Raum für Reflexion und gemeinsames Lernen.
- Auch Groupthink kann psychologische Sicherheit untergraben, wenn Teams unbequeme Meinungen aus Angst vor Ablehnung vermeiden. Um das zu verhindern, helfen Methoden, die alternative Perspektiven einbringen.
- Eine Möglichkeit ist die „Devil’s Advocate“-Rolle, bei der eine Person bewusst Gegenargumente liefert.
- Pre-Mortem-Analysen lassen Teams durchspielen, warum eine Entscheidung scheitern könnte. Brainwriting stellt sicher, dass alle Ideen Platz finden – nicht nur die lautesten Stimmen.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO)
Eine offene Kommunikation ist entscheidend: Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und offen über eigene Fehler oder Unsicherheiten sprechen, um Vertrauen aufzubauen. Gleichzeitig ist es wichtig, aktiv zuzuhören und die Meinungen und Vorschläge der Mitarbeitenden wertfrei aufzunehmen. Regelmäßige Feedbackrunden, in denen jeder frei sprechen kann, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen, schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens.
Eine zentrale Rolle spielt auch die Etablierung einer gesunden Fehlerkultur. Fehler sollten nicht sanktioniert, sondern als Lernchancen verstanden werden, die Entwicklungsmöglichkeiten für das gesamte Team bieten. Ebenso wichtig sind Respekt und Wertschätzung. Alle Meinungen, unabhängig von Position oder Erfahrung, sollten berücksichtigt werden.
Darüber hinaus können Besprechungen gezielt genutzt werden, um die psychologische Sicherheit zu stärken. Moderierte Diskussionen sollten allen die Möglichkeit geben, sich einzubringen, ohne dass Einzelne dominieren. Gemeinsame Rituale wie tägliche Check-Ins und Teamevents schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Die gemeinsame Definition von Werten und einer klaren Vision stärkt den Zusammenhalt und fördert den gegenseitigen Respekt.
Kerstin Tomancok, MSc (BDO Consulting)
Um psychologische Sicherheit zu fördern, kann an vielen Stellschrauben gedreht werden:
- Entwicklung einer Kultur, in der Konflikte konstruktiv gelöst werden, indem sie direkt angesprochen und die Lösungsfindung durch wertschätzenden Austausch in den Vordergrund gestellt wird
- Anerkennen von Fehlern als unvermeidbarem Teil des Lernens und der Weiterentwicklung
- Etablieren eines laufenden Reflexions- und Feedbackformats zur Weiterentwicklung der Teamkommunikation und des Teamklimas
- Einbürgerung vertrauensvoller Kommunikation in Form von konstruktivem Feedback, aktivem Zuhören und positiver Verstärkung für ehrliche Äußerungen
- Leben von Beteiligung und Inklusion durch kulturelle Sensibilität und Gleichberechtigung
- Vorbildwirkung von Führungskräften, indem eigene Fehler und der Umgang damit transparent gemacht werden und somit mehr Empathie gegenüber den Teammitgliedern gezeigt wird
- Stärkung des Teamzusammenhalts durch Partizipation, einem gemeinsamen Sinn sowie gemeinsamer Zielerreichung und gegebenenfalls auch Teambuildingaktivitäten
- Schaffung von Strukturen, die den Teammitgliedern Sicherheit geben z.B. regelmäßige Check-Ins, anonyme Feedbackmöglichkeiten, Workshops zu psychologischer Sicherheit etc.
Daniel Ott-Meissl, MSc (WorkPlaceHealth)
Wenn wir uns auf Führungskräfte beziehen, so hilft es meiner eigenen Berufserfahrung nach, wenn klare Orientierung geschaffen wird: Welche Kommunikationskanäle nutzen wir auf welche Weise? Wie erfolgt Feedback, wenn es einmal nicht so großartig läuft? Wenn einmal Missverständnisse, Enttäuschungen oder Kränkungen auftreten, wie werden wir damit umgehen? Führungskräften wird im Allgemeinen häufig geraten mit „gutem Beispiel voranzugehen“ und ja, da ist auch einiges dran. Wenn ich in meiner Vorgesetztenfunktion für besagte Orientierung sorge, zusätzlich wertschätzende Gespräche pflege, auch eigene Fehler eingestehen kann und kommuniziere, dass dies für jeden von uns vorkommen kann, werden diese Verhaltensweisen helfen, die psychologische Sicherheit in meinem Team & Arbeitsumfeld zu fördern.
FAZIT
Oft sind es nicht große Umwälzungen, sondern gezielte Routinen, offene Kommunikation und eine bewusste Fehlerkultur, die ein Team zu einem sicheren Ort machen – wo Lernen, Experimentieren und ehrliche Meinungsäußerung nicht nur erlaubt, sondern erwünscht sind.
Interviewte Personen
Psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz schlägt Know-how. Jedes Mal | Konkrete Maßnahmen
Kerstin Tomancok, MSc
- Manager HR Consulting – Schwerpunkt People in Change, Learning & Development, New Placement
- BDO Consulting GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.bdo.at

- Coach, Programmleiterin Coaching
- ITO Individuum Team Organisation GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.ito.co.at

- Senior Consultant
- next level consulting Österreich GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.nextlevelconsulting.com

- Fachbereichsleiterin Wissenschaftliches Arbeiten
- Fachhochschule des BFI Wien
- Unternehmens-Profil
- www.fh-vie.ac.at

Daniel Ott-Meissl, MSc
- Co-Founder & Geschäftsführer, Arbeits- & Organisationspsychologe
- WorkPlaceHealth
